GRAHAMS WIDERSTAND (Survivor 3). A.R. Shaw

GRAHAMS WIDERSTAND (Survivor 3) - A.R. Shaw


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ihm, dass es ihr wirklich gut geht, doch er will sie nicht sehen. Er kämpft noch immer mit dieser Sache und auch mit Ennis Tod. Für Macy war es allerdings auch schwer.«

      »Wir müssen ihnen einfach Zeit geben«, antwortete Clarisse.

      »Das machen wir ja. Die beiden müssen einfach viel zu schnell erwachsen werden in dieser Welt«, sagte Tala traurig.

      »Wie geht es denn Daltons Jungs?«, fragte Graham.

      »Sie sind beide sehr unterschiedlich, deshalb geht jeder auf seine eigene Art und Weise damit um.« Sie schüttelte den Kopf und schloss die Augen. »Es ist schrecklich, dass diese Kinder bereits so viel durchmachen mussten. Hoffen wir, dass diese Tage endgültig hinter uns liegen und wir bald wieder nach vorn blicken können.«

      Graham konnte dem nur zustimmen. Vielleicht würde dieses neue Leben in Tala ja auch ein neues Vertrauen unter ihnen allen stiften. Wo so viel Tod gewesen war, brachte die Aussicht auf eine Geburt schließlich Hoffnung für alle.

      Dreifach geladen

      Über das nervöse Wiehern seiner Pferde hinweg, hörte Dutch das entfernte Knacken eines Zweiges, gefolgt von einem bedrohlichen Knurren. Sofort riss er die Augen auf. Wenn er die Entfernung des Geräusches richtig einschätzte, hatte er gerade noch genug Zeit, von der Sitzbank des Wagens aufzustehen. Während er das tat, hob er die Schrotflinte am Schaft und zielte in die Richtung, in der in einer Nanosekunde sein Ziel auftauchen würde. Ohne die richtige Schusshaltung fuhr der Rückstoß des ersten Schusses durch seinen ganzen Körper und sandte Schockwellen durch die Luft. Die kinetische Energie zwang den Lauf der Waffe nach oben, aber er packte sie auf halbem Weg und zog sie wieder nach unten.

      Sofort lud Dutch nach … die nächste Patrone erreichte die Kammer und er feuerte erneut. Der Schuss traf den zweiten von sechs Wildhunden. Die ersten beiden Patronen waren Number-One-Buckshots gewesen, die ihre Ziele mit einem Hagel aus feinen Schrotkügelchen ausschalteten. Das reichte für die ersten heranstürmenden Bestien, aber den Rest der angreifenden Meute interessierte das scheinbar nur wenig.

      Er hatte insgeheim mit einem ganzen Rudel gerechnet und die Waffe deshalb mit einer dreifachen Kombination geladen. Die nächsten Patronen waren zwei Double-Ought-Buckshots, die deutlich gröbere Schrotmunition in den dritten und vierten Hund pumpten. Die übrigen Hunde griffen weiter an, wobei einer sogar sich in den Bauch der Stute zu verbeißen versuchte. Der Wagen schwankte bedrohlich, als das Pferd panisch auswich. Dutch zog den Ladehebel erneut durch, rief der Stute ein »Ruhig, Brauner« zu, bevor er den vorletzten Schuss seiner Schrotflinte abfeuerte. Das Bleigeschoss, das bei der Jagd eigentlich als Gnadenschuss gedacht war, stoppte den angreifenden Hund mitten im Sprung. Mit klingelnden Ohren lud er rasch ein letztes Mal nach, als der sechste Hund genau auf ihn zu rannte. Das Tier war nicht mehr als drei Fuß von ihm entfernt, als er direkt auf den Schädel der zotteligen Bestie zielte und feuerte. Mit aller Kraft sprang der Hund von seinen Hinterläufen ab, das Maul weit aufgerissen, den Blick auf Dutchs Brust gerichtet.

      Es waren Augenblicke, in denen alles ineinanderfloss: Der durchdringende Schrei, der vom Truck hinter ihm erklang, seine Pistole, die er aus dem Holster riss und sein Messer, das er aus der Scheide zog. Dutch war bereit für das, was auch immer als Nächstes auf ihn zukommen würde.

      Er drehte sich um und sah, wie das Mädchen den Kopf aus dem Fenster an der Fahrerseite streckte und laut schrie. Die Hunde Elsa und Frank bellten wild im Führerhaus, als ginge es um ihr Leben. Er steckte das Messer wieder in die Scheide zurück und hob eine Hand hoch, die er anschließend zur Faust ballte, sodass die Hunde es sehen konnten. Das Bellen ebbte zwar ab, aber das Mädchen schrie immer noch ohne Unterlass.

      »Hey, hör auf damit! Willst du etwa, dass noch mehr kommen?«, schrie er sie frustriert an. Dann fügte er hinzu: »Mir geht hier nämlich gerade die Munition aus, verdammt noch mal.« Er schüttelte den Kopf und murmelte: »Ausgerechnet fucking jetzt entschließt sie sich, mit dem Reden anzufangen?«

      »Ich wusste nicht … ich wusste nicht, was ich tun sollte«, stotterte sie panisch.

      Dutch verdrehte die Augen, aber er glaubte ihr, dass sie kurz davorstand, aus Angst ihren Verstand zu verlieren. Sie waren zu lange unterwegs gewesen, und er hätte es in ihrer Lage wahrscheinlich auch mit der Angst zu tun bekommen, wenn er die ganze gruselige Szene hätte mit ansehen müssen. Er holte deshalb tief Luft und schob das tote Gewicht des Wildhundes, der teilweise auf dem Wagen gelandet war, hinunter. Als er herunterkletterte, musste er über den Haufen der Möchtegern-Killer steigen. Wenigstens waren sie Bestien und keine Menschen, aber die Gefahr und die Lehre daraus waren in jedem Fall die gleiche: sei immer auf der Hut oder stirb.

      »Ist ja schon gut. Es war richtig von dir, die Hunde in der Fahrerkabine zu lassen und sich zu schützen.« Als er zu der jungen Dame hinaufsah, erinnerte er sich wieder daran, warum er sie in gewisser Weise schätzte. Denn trotz ihrer Todesangst hatte sie getan, was er ihr gesagt hatte. Egal was passiert, bleib in der verdammten Kabine und lass mich die Dinge erledigen. Du würdest mir nur in die Quere kommen und uns beide umbringen, wenn du etwas Verrücktes machst.

      Vielleicht hatte sie in letzter Zeit einfach zu viel gesehen. Vielleicht lernte sie aber auch schnell und passte sich wie alle anderen an diese neue Lebensweise an. Was auch immer es war, ihr Verhalten war ein Zeichen dafür, dass sie langsam anfing, ihm zu vertrauen. Er hatte im Krieg viele Männer gekannt, die weniger Neigung gehabt hatten, ihren Kopf zu behalten und das zu tun, was ihnen gesagt wurde. Hätte sie Elsa und Frank herausgelassen, hätte er garantiert mindestens einen der beiden verloren, und wenn sie selbst die Fahrerkabine verlassen hätte, wären die Hunde bestimmt sofort auf sie zugeschossen und sein Vorteil wäre dahin gewesen.

      Dutch sah sich ein weiteres Mal in der Dunkelheit um und entschied, dass es an der Zeit war, ein Lager aufzuschlagen. Am Morgen wäre immer noch genug Zeit, die Gegend zu erkunden, und falls jemand die Schüsse gehört hatte, würde er Dutch und das Mädchen bald finden, und genau das war ja sein Plan. Er nahm an, dass die Absender der Funksprüche ehemalige Militärs waren, und diese würden auf jeden Fall die Quelle eines Gewehrfeuers auskundschaften, wenn sie es gehört hatten. Wenn er mit seinem Bauchgefühl wirklich richtig lag, wäre es am besten, sofort deutlich zu machen, dass er keinerlei Gefahr für sie darstellte. Die Nacht über im Freien zu campen und am nächsten Morgen die Umgebung zu erkunden war einfach die beste Option.

      »Lass uns hier übernachten«, sagte Dutch deshalb. Er öffnete die Beifahrertür und signalisierte den Hunden, dass sie nach draußen kommen sollen. Beide liefen auf dem kürzesten Weg zu den Angreifern, um sie zu beschnüffeln. Dutch streckte seine Hand aus, um der jungen Frau beim Herunterklettern zu helfen, aber sie lehnte sein Angebot ab und er drehte sich frustriert um. Doch dann überlegte er es sich anders und beschloss, den Stier bei den Hörnern zu packen. »Ich versuche hier nicht, dich zu verführen oder sonst irgendetwas mit dir anzustellen, weißt du? Das verstehst du doch, oder? Ich bin immerhin alt genug, um dein Vater sein zu können.«

      »Ich weiß«, antwortete sie, erschrocken über seine abrupte Offenheit. »Ich glaube auch nicht, dass du mir etwas Böses tun willst, aber ich will auf keinen Fall, dass du denkst, ich wäre schwach. Ich kann die Dinge schon für mich selbst regeln.«

      »Das verstehe ich ja, aber du könntest mir wenigstens genug vertrauen, um mir deinen Namen zu verraten. Dich immerzu Miss oder Lady zu nennen ist doch ein bisschen altmodisch, und ich muss in der Lage sein, sofort deine Aufmerksamkeit erlangen zu können, wenn es ein Problem gibt. Wenigstens so weit könntest du mir vertrauen.«

      Sie nickte stumm und sah zu der Stätte des Gemetzels hinüber, wo die beiden belgischen Schäferhunde gerade neugierig die Bestien beschnupperten. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, hatte sie die meiste Zeit über furchtbarer Angst und zuzusehen, wie die wilden Hunde Dutch angriffen, hatte sie erneut daran erinnert, wie unmöglich es war, in dieser Welt allein überleben zu können. Dazu brauchte es deutlich mehr Kraft, als sie in sich trug.

      Sie wollte nicht von jemandem abhängig sein, aber ihr wurde immer mehr bewusst, dass sie Dutch brauchte. Den Angriff zu sehen und den Kampf auf Leben und Tod zu hören, hatte ihr ein weiteres Mal klargemacht, wie schnell


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