Footprint. Bert Beyers
uns, Städte und Länder auch im 21. Jahrhundert lebenswert zu erhalten. Die Biokapazität seines Landes zu kennen und den Footprint zu managen, wird so wesentlich werden, wie es die finanzielle Buchhaltung heute bereits ist. Auch sie arbeitet nicht gegen uns. Im Gegenteil, sie verhilft uns zum Erfolg.
Footprint – Das Instrument
Die Fläche als Währung – Wie viel Biokapazität braucht ein Mensch?
Ob groß oder klein, jeder Mensch hat einen Ökologischen Fußabdruck – einen Footprint. Wie viel Natur er braucht, hängt damit zusammen, was er isst, wie er sich kleidet, wie er wohnt, sich fortbewegt oder wie er sich seiner Abfallstoffe entledigt. All das kann man messen. Aus den Daten lässt sich die Größe der Naturfläche bestimmen, die benötigt wird, um Lebensmittel oder Fasern für Kleidung zu produzieren, um Häuser zu bauen und Menschen zu beherbergen oder Abfälle wie Kohlendioxid-Emissionen, die bei der Verbrennung von Kohle, Gas und Öl entstehen, zu absorbieren. Letzten Endes leben wir alle von den Erträgen des „globalen Bauernhofs“.
Jeder weiß, was Geld ist. Wer Geld hat, kennt keine Sorgen, jedenfalls keine materiellen. Wer über genügend Geld verfügt, lebt wie er will und wo er will. Überall ist er willkommen. So lange er zahlen kann, wird niemand ihn vor die Tür setzen.
Mit Geld kann man eine Menge machen, zum Beispiel Dinge vergleichen. Geld antwortet auf die Frage „Wie viel kostet das?“ Den Preis wiederum kann man mit seinem Einkommen ins Verhältnis setzen. Wie lange muss ich arbeiten, um mir dieses Handy leisten zu können? Wie viel verdiene ich im Verhältnis zu meinen Ausgaben? Wie viel im Vergleich zum vorigen Jahr? Oder gemessen am Einkommen eines Äthiopiers?
In diesem Buch geht es um ein Instrument, das mit Geld durchaus vergleichbar ist. Die Frage hinter dem Footprint lautet nämlich „Wie viel Natur kostet das?“. Wie viel Biokapazität steckt in einem Glas Orangensaft oder wie viel braucht ein Liter Benzin? Man kann die Frage aber auch erweitern: Wie viel Natur braucht ein Mensch? Die „Währung“ des Footprint ist die Fläche, genauer gesagt die biologisch produktive Fläche, die erforderlich ist, um eine Ware oder Dienstleistung bereit zu stellen und zu entsorgen. Für einen Menschen berechnet man folglich die Summe dessen, was er verbraucht, einschließlich des Abfalls, den er hinterlässt; auch der hat Auswirkungen auf die Natur. Was beim Geld Euro, Dollar oder Yuan heißt, ist beim Footprint der Hektar oder genauer, der globale Hektar2.
Die verschiedenen Geldwährungen kann man gegeneinander verrechnen, die Flächeneinheiten des Footprint auch. Das ist ja gerade der Trick: Dass es stets nur eine Größe gibt, worauf die Dinge bezogen sind, nur ein tertium comparationis. Beim Geld liegt das auf der Hand – sonst würde es nicht funktionieren. Bei ökologischen Modellen aber ist es durchaus nicht üblich, dass es nur einen Parameter gibt. Andere Methoden als der Footprint, etwa die Ökobilanz, arbeiten mit mehreren, um die vielfältigen Eigenschaften der Dinge zu beschreiben. Eine besondere Stärke des Footprint liegt also darin, dass er stets auf die biologisch produktive Fläche als die entscheidende Größe Bezug nimmt. Diese Eindeutigkeit fördert, wie wir noch genauer sehen werden, in besonderem Maße Kommunikationsprozesse. Ebenso, wie man Preise zur Kenntnis nimmt und sich darüber austauscht, wie teuer oder wie günstig ein Warenangebot ist, ermöglicht es der Footprint, fruchtbare Diskurse über Naturverbräuche zu führen: über hohe und niedrige, über Auswirkungen auf dieses oder jenes Ökosystem – aber stets gibt es nur eine Zahl, eine quantitative Einschätzung, worin die Vielfalt der Natur enthalten ist.
Ecological Footprint
in globale Hektar pro Person nach Ländern
Daten von 2011
Gehen wir mal in ein Warenhaus. Ebenso wie die Dinge Preisschilder haben, worauf der monetäre Wert vermerkt ist, ebenso wie wir mittlerweile Angaben über die Nährwerte und Inhaltstoffe auf den Produkten finden, so könnten sie auch eine weitere Kennzahl tragen, die die enthaltene Biokapazität ausweist. Auf der Vorderseite des Etiketts stünde der Verkaufspreis, auf der Rückseite der Naturverbrauch. Der Käse, die Jeans oder die Urlaubsreise – alles lässt sich in Biokapazität umrechnen: Die Fläche nämlich, die benötigt wird, um die Ware oder die Dienstleistung bereit zu stellen. Beim Käse ist es im Wesentlichen die Weide, die die Kuh benötigt, um Milch zu geben und natürlich auch die Energie, um Milch in Käse zu verwandeln. Bei der Jeans ist es das Baumwollfeld und bei der Reise sind es viele Dinge, die berücksichtigt werden müssen, vom Flugbenzin bis zum Hotel. Wenn für viele Städter der Strom auch aus der Steckdose kommt und die Milch aus der Tüte – hinter all dem, was wir zum Leben brauchen, steckt ein Stück Natur.
Auch hier wieder die Parallele zum Geld: So lange genug davon vorhanden ist, scheint alles in Ordnung, wir nehmen es einfach als gegeben. Aber wenn nicht? Ohne biologische Kapazität zu sein, fühlt sich so ähnlich an, wie ohne Geld zu sein. Zum Beispiel wenn man in einer fremden Stadt gestrandet ist, ohne Bargeld, ohne Kreditkarte: Was will man essen? Wo will man schlafen?
Was wäre denn, wenn die Natur ihre wunderbaren Dienste plötzlich nicht mehr bereitstellen könnte? Wenn es zu wenig Wasser gäbe, um Leben und wirtschaftliche Aktivitäten überhaupt möglich zu machen. Wenn die Fischgründe in den Ozeanen schrumpften oder gar kollabierten, die Nachfrage aber weiter stiege und Fisch damit immer seltener und vielleicht teurer werden würde. Oder wenn die paar Felder hinter dem Haus einfach zu wenig für die Familie abwerfen und man, wie viele Menschen im ländlichen Bangladesch, kein Geld hat, um Essen hinzu zu kaufen? Oder wenn die Wälder und Ozeane auf einmal kein weiteres Kohlendioxid mehr aufnehmen, sondern, umgekehrt, das gespeicherte Klimagas in die Atmosphäre wieder entlassen würden. Was dann?
Geld ist unser zentrales ökonomisches Bewertungsmedium. Der Footprint funktioniert, wie gesagt, ganz ähnlich – nur auf anderer Ebene. Geld kann aber noch mehr, es ist nicht nur ein Maßstab, sondern zugleich ein Zahlungsmittel. Als solches geht es von Hand zu Hand. Das kann der Footprint nicht. Man kann zwar Biokapazität austauschen, zum Beispiel indem man Holz importiert und Fleisch exportiert, aber dabei wird nicht der Footprint gehandelt, sondern Holz und Fleisch, deren Footprint man wiederum bestimmen kann. Geld ist zudem so etwas wie ein Vermögensspeicher (das Sparbuch, das Portfolio), auch das ist beim Footprint anders. Das Naturkapital ist immer nur in der Natur selber, der Footprint, als Methode oder als Kennzahl, beschreibt es und sagt, was ist. Aber während Geld als Wert anerkannt, ja, oft vergöttert wird, wird das Naturkapital unterschätzt. Wir leben so, als wäre die Natur unendlich und unermüdlich darin, die Menschen mit ihren Reichtümern zu versorgen. Auf lange Sicht jedoch ist die Natur der Wertgegenstand, Geld nur ein Symbol.
Nun gibt es ja auch Dinge, die man nicht kaufen kann, zum Beispiel wahre Liebe. Folglich kann man sie auch nicht in Geld ausdrücken. Ein anderes Beispiel ist die Atmosphäre. Die Menschen haben sich daran gewöhnt, sie als kostenlose Mülldeponie für ihre Emissionen zu nutzen. Wie beim Geld gibt es auch beim Footprint Bereiche, die er ausspart. Ein Stein zum Beispiel hat keinen Footprint. Er ist einfach nur da – seine Existenz hat keinen messbaren Verbrauch. Tiere dagegen haben sehr wohl einen Footprint, sie atmen, saufen und fressen, verbrauchen Biokapazität und damit Fläche. Der Fisch, den der Seelöwe frisst, steht uns nicht mehr zur Verfügung. Oder nur indirekt, wenn wir den Seelöwen verspeisen oder sein Fell nutzen.
Wie viel Biokapazität braucht ein Mensch? Um zu essen, sich zu kleiden, um sein Haus zu bauen, es zu heizen, schließlich, um zu reisen und um Waren zu transportieren, benötigt er die Dienste der Natur. Dabei hinterlässt er Abfall, festen, flüssigen, gasförmigen. Auch damit muss die Natur fertig werden. So zieht der Mensch durch die Welt und drückt seinen „Fuß“ hinein. Manch einer geht festen Schrittes, ein anderer ist so schmal und zart, dass er kaum den Boden berührt. Ob groß oder klein, jeder Mensch hinterlässt eine Spur, so lange er lebt. Genau darin besteht die Metapher des Footprint.
Der Footprint misst aber nicht nur den Naturbedarf eines einzelnen Menschen, man kann die Methode