Footprint. Bert Beyers
riesiges Ballungsgebiet mit 17 Millionen Einwohnern. Die allermeisten Bewohner fahren mit dem Auto zur Arbeit. Deutlich dichter bebaut ist dagegen die Region London mit immerhin 13 Millionen Einwohnern. Die britische Hauptstadt wiederum mit ihren typischen Doppel- und Reihenhäusern in den Vororten ist mehrere Male größer als Hongkong, eine der am dichtesten besiedelten Städte der Welt. Kein Wunder, dass Hongkong weit effizienter mit Raum (Treibstoff und anderen Ressourcen) umgeht als Los Angeles oder London. Was freilich nicht bedeutet: je dichter, desto effizienter. Extreme Hochhäuser verschlingen durch ihre aufwendige Infrastruktur für Aufzüge, Licht, Wasserversorgung, Heizung und Kühlung beträchtliche Mengen Energie. Sechsstöckig, so wie Paris, ist nah am Optimum. Stellen wir uns also Paris vor, allerdings ohne Autos, dafür mit Elektrorikschas, mit energiesparender Architektur, und so gebaut, dass Wohnen, Arbeiten und Freizeit räumlich integriert sind.
So viel ist klar, die Siedlungsstruktur einer Stadt hat direkten Einfluss auf ihren Flächenverbrauch. Wichtiger aber noch sind die indirekten Effekte, vor allem die „eingebauten“ Mobilitätsansprüche. Auch hier liefert der Footprint objektive Daten.
Mittlerweile besteht kein Zweifel mehr daran, dass die Verknappung von Ressourcen – vor allem Öl, aber auch sauberes Wasser, Nahrungsmittel, Fisch, fruchtbare Böden und bestimmte Erze – eines der drängendsten Probleme des 21. Jahrhunderts ist und sich weiter verschärfen wird. Ebenso eindeutig ist die Rolle der Stadt und der Verstädterung in diesem Zusammenhang. Die Städte dieser Welt, obwohl sie prozentual betrachtet nur wenig Oberfläche bedecken, sind heute, nach groben Schätzungen, belegen mehr als zwei Drittel des Footprint der gesamten Menschheit. Die Ressourcenfrage, die Klimafrage, ja allgemein die einer nachhaltigen und friedlichen Zukunft auf diesem Planeten wird in den Städten entschieden – gewonnen oder verloren.
Im Jahr 1900 lebten 15 Prozent der Menschen in Städten, mittlerweile sind es mehr als die Hälfte. Im selben Zeitraum ist die Weltbevölkerung von 1,5 Milliarden auf derzeit weit über sieben Milliarden angewachsen – mit Tendenz auf neun bis zehn Milliarden gegen Mitte des 21. Jahrhunderts. Und fast alle diese zusätzlichen Menschen werden in Städten leben. Viele davon in den Slums der Megastädte mit mehr als zehn Millionen Einwohnern. In Gebilden, wie sie zum Beispiel auf einer 500 Kilometer langen Achse zwischen den beiden größten brasilianischen Metropolen, Rio de Janeiro und São Paulo, entstehen: eine Agglomeration von derzeit 37 Millionen Menschen, die bereits mehr Einwohner hat als die Region Tokio-Yokohama. Die Stadt, das langlebigste Gebilde höherer Zivilisation, ist im Begriff, immer noch größere, gewaltigere Strukturen herauszubilden, zugleich die komplexesten, die die Menschen jemals geschaffen haben.
In Zeiten knapper Ressourcen werden sich die lokalen Regierungen, ihre Verwaltung, die Wirtschaft, ja alle Bürger fragen müssen: Wie viel Biokapazität braucht unsere Stadt? Wie können wir besser verstehen, wo unsere Ressourcen herkommen, wie sie genutzt werden und wo unsere Abfälle am Ende landen? Vor allem, wie können wir diesen Stoffwechsel unserer Stadt reduzieren? Nur so kann es gelingen, sie besser zu positionieren, um in der globalen Konkurrenz bestehen zu können. Wie können wir unser lokales Naturkapital – zum Beispiel Wasser – schützen, um es nachhaltig zu nutzen? Wie können wir Fortschritte in Richtung auf eine ressourcenextensive Stadt machen und unsere Abhängigkeit von importierten Ressourcen senken? Wie können wir eine Infrastruktur – also Mobilität, Wasser- und Stromversorgung – schaffen, die in Zukunft nicht zur ökologischen Falle wird, sondern effizient ist und zugleich attraktive Lebensstile ermöglicht?
Technik ist dabei durchaus hilfreich. Städte mit relativ großem Footprint können mit vorhandener Technologie ihren Ressourcenbedarf um einen Faktor 5 senken, zum Beispiel indem sie den Energiebedarf der Gebäude verringern. Der Footprint gibt bei all diesen Fragen eine Richtschnur an die Hand.
Felder, Wälder und Ozeane – Wie viel Biokapazität ist vorhanden?
Jeder Wald hat einen Bestand an Bäumen. Entnimmt man daraus Holz, ergibt sich ein bestimmter Ressourcenfluss, zum Beispiel Bauholz oder Brennholz. Als der Mensch in der industriellen Revolution daran ging, statt Holz in großem Maßstab Kohle, Öl und Gas zu verfeuern, waren die Bestände zunächst riesengroß. Zuerst waren es Kohleflöze (der „unterirdische Wald“), später Öl- und Gasvorkommen. Und so wuchsen die Energieflüsse stetig an. Denn mit immer kleinerem Aufwand an menschlicher Arbeit und Energie konnten wir große Energiemengen gewinnen. Mit geringem Energieaufwand noch mehr Energie zu ernten verführt natürlich zu immer größerem Konsum. Doch nun wird offensichtlich, dass auch die Verbrennungsrückstände, bis hin zum Kohlendioxid, ein Problem darstellen. Um die Treibhausgase abzubauen, braucht es nämlich Wälder und Ozeane, zumindest solange, wie die Menschen das Kohlendioxid nicht auffangen und langfristig lagern. Doch das geschieht (noch) nicht, denn es ist aufwendig, teuer und technisch nicht ausgereift. Das bedeutet, dass trotz aller Technik und Innovation der Mensch auf die Biosphäre, die lebendige Oberfläche des Planeten, angewiesen ist und bleibt. Technik hat uns dabei zwar ermöglicht, mehr zu tun, aber in der Regel mit immer mehr Ressourcen. Die Buchhaltung des Footprint zeigt, wie groß die Kapazitäten sind, die wir mittlerweile beanspruchen – im Vergleich zu dem, was wir haben.
Alle Astronauten, die einmal im Orbit waren, berichten von der großen Ehrfurcht, die sie ergriffen hat, als sie von oben auf die Erde blickten. Beeindruckt waren sie vor allem von der Schönheit, aber auch von der Verletzlichkeit des Planeten. Immer wieder sprechen sie von der königsblauen Horizontlinie, die sich um die Erde spannt. Das ist die Atmosphäre, unsere Lufthülle, die uns vor gefährlicher Strahlung schützt, Wasser in die Berge trägt und uns mit Sauerstoff versorgt. Aus der Ferne betrachtet ist sie unglaublich dünn, versehen mit einem noch feineren Saum. Jenseits dessen beginnt das tiefe, magische Schwarz des Weltraums. Wenn man die Oberfläche des Planeten über längere Zeiträume beobachtet, sieht man die jahreszeitlichen Wellen der irdischen Vegetation, angetrieben durch die Photosynthese, die wie Ebbe und Flut über die Wälder, die Steppen, über Acker- und Weideflächen rollen. Ein wunderbares, selbstregulierendes System, wie es über vier Milliarden Jahre entstanden ist.
Am 23. Juli 1971 startete der erste leistungsfähige ERTS- Satellit (earth resources technology satellite), genannt Landsat16. Seine Umlaufbahn verlief in einer Höhe von 900 Kilometern. Alle 18 Tage überflog er ein und denselben Punkt auf der Erde. Landsat wurde mit hochwertigen Farbkameras ausgestattet. Mit ihrer Hilfe kann man verschiedene Vegetationszonen und Ökosysteme erkennen. Chlorophyll zum Beispiel reflektiert weniger als 20 Prozent des langwelligen noch sichtbaren Lichts und etwa 60 Prozent der Strahlung aus dem infraroten Spektrum. Die Satelliten wurden seit den 1970er Jahren immer perfekter. Mittlerweile versieht Landsat 7 im Orbit seinen Dienst. Von diesem zivilen Erdbeobachtungssatelliten der NASA stammt auch der größte Teil der Aufnahmen für Online-Kartenportale wie ‚Google Maps‘. Jeder Punkt des Planeten ist mittlerweile vermessen und kartographiert, die Auflösung der Fotografien betragen nur noch wenige Meter. Erst die Technik – Satelliten, Kameras, Computer – hat uns ein tiefer gehendes Verständnis der Oberfläche des Planeten ermöglicht, sowohl im Detail, wie auch im Zusammenwirken der Ökosysteme und damit der Biosphäre im Ganzen.
Mit Hilfe von Satelliten kommen auch die Daten für den Footprint zustande. Die Informationen landen bei den statistischen Ämtern der Länder, die Landflächen und Nutzungen analysieren, und ihre Daten an die statistischen Büros der Vereinten Nationen weitergeben. Diese global vergleichbaren Daten der Vereinten Nationen nutzt Global Footprint Network für seine Berechnungen.
Basierend auf diesen Datensätzen unterscheidet die Footprintbuchhaltung verschiedene Typen von Landschaften. In der Realität gibt es dabei Unschärfen und Übergänge. In den offiziellen Statistiken, derer sich der Footprint bedient, werden zum Beispiel noch sehr dünne Baumbestände, fast schon Steppen, der Kategorie Wald zugerechnet. Das ist einer der Gründe, weshalb der Footprint insgesamt eher konservativ rechnet und die Situation bewusst optimistischer beschreibt, als sie tatsächlich ist.
Für die Ernteerträge der industriellen Landwirtschaft gilt ähnliches. Die vorliegenden Zahlen, die von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) stammen, geben uns keine Information darüber, wie viel der höheren Erträge Folge des massiven Einsatzes von fossiler Energie und von Agrochemikalien ist. Oder welche Böden durch Erosion langfristig geschwächt werden. Oder wo Grundwasservorkommen übernutzt werden. Auf Dauer dürfte