Footprint. Bert Beyers
Ökosysteme schädigen, tritt das in der Buchhaltung erst zutage, wenn die Schwächung eingetreten ist. Der Footprint liefert also keine Vorhersage. Genau so wie eine Finanzbuchhaltung. Sie spekuliert nicht, sie zeigt die Trends und gibt Managern eine stabile Entscheidungsgrundlage.
Dank des allgemein gültigen Datensatzes der statistischen UN-Organisationen gibt es eine konsistente Basis für die Footprint-Berechnungen. Und Jedes Jahr kommen neue, aktuelle Daten hinzu. So kann die ökologische Buchhaltung jedes Landes mit der jedes anderen oder mit der der ganzen Welt verglichen werden.
Der Footprint ist ein Indikator, der den menschlichen Verbrauch an Naturressourcen und -dienstleistungen ins Zentrum stellt. Er fragt nach dem Nutzen von Biokapazität, wie sie in wirtschaftliche Prozesse eingeht. Zwar baut er auf ökologischen Methoden auf, zum Beispiel die der Nettoprimärproduktion17 (net primary productivity), mit deren Hilfe man versucht, die Biomasseproduktion von Ökosystemen zu beschreiben.18 Der Footprint geht einen Schritt weiter und übersetzt diese Information in Land- und Wasserflächen, die in der Lage sind, ökologische Ressourcen und Dienstleistungen für den menschlichen Gebrauch19 zu liefern, beispielsweise für die Produktion von Gütern, aber auch für die Deponierung des Abfalls. Offene Ozeane zum Beispiel, die für den weltweiten Fischfang eher unerheblich sind, gehen nicht in die Footprint-Kalkulationen ein, ebenso wenig Wüsten oder Eisregionen. Mitgerechnet werden dagegen küstennahe Gewässer, Kontinentalsockel, Auftriebswasser- Gebiete, Wattenmeere oder Flussmündungen, auf die mehr als 90 Prozent des Fischfangs entfallen.
Hochproduktive Ökosysteme, beispielsweise in gemäßigten Zonen, reproduzieren sich relativ schnell. In den Alpen dagegen sind die Vegetationsprozesse langsamer und anfälliger. Trockene Graslandschaften, etwa in Australien, können nicht so intensiv beweidet werden. Wenn Rinder sich zu weit vom Wasserloch entfernen, verdursten sie. Je kleiner die Biokapazität pro Fläche, desto weniger kann man sie nutzen, erst recht nicht nachhaltig. Fällt die Produktivität unter eine bestimmte Schwelle, nimmt der Nutzen radikal ab und die Flächen sind für Menschen in den meisten Fällen praktisch nicht mehr erntefähig. Insgesamt beträgt die Gesamtheit der produktiven Flächen, zu Wasser und zu Land, derzeit rund 12 Milliarden Hektar. Das entspricht etwa einem Viertel der gesamten Oberfläche des Planeten.
Mit der Footprint- und Biokapazitätsbuchhaltung wurde eine Methode entwickelt, um die Vielfalt der Ökosysteme zu erfassen. Sie unterscheidet dabei fünf verschiedene Landtypen:
1Ackerland verfügt über die größte Bioproduktivität. In den Footprint-Berechnungen repräsentiert dieser Landschaftstyp die Summe unterschiedlicher Feldfrüchte, die geerntet werden, wie Korn, Ölfrüchte, Baumwolle und anderes mehr.
2Für Weideland gilt dasselbe, nur dass auf den Flächen tierische Produkte wie Fleisch, Milch oder Wolle produziert werden. Tierische Produktion lebt aber nicht nur von Weideland. Zum Beispiel werden viele Kühe mit Ackerlandprodukten wie Soja oder Mais gefüttert.
3Bei Fischgründen beruhen die Footprint-Rechnungen auf einer Einschätzung des Maximums an nachhaltigem Fischfang, der in den unterschiedlichen Gebieten möglich ist. Dies gilt sowohl für Binnenseen wie für Küstengewässer.
4Auch bebautes Land war ehemals typischerweise recht produktiv. Mittlerweile verfügt es über eine gewisse realisierte Biokapazität, durch Gärten, Straßenbegleitgrün oder ähnliches. Auch beinhaltet sie Biokapazität, die durch Haus- und Straßenbau von der Produktion entfernt werden. Damit beinhaltet das bebaute Land auch das landwirtschaftliche Potenzial, das zugunsten von Städten, Dörfern und Straßen aufgegeben wird.
5Der Landschaftstyp Wald bedient zwei im Wettbewerb stehende Footprintkategorien. Die eine Nutzung steht für die Summe an Holz und Fasern, die er beispielsweise für Baumaterial oder zur Papierherstellung hervorbringt. Wald kann aber auch, wenn er entsprechend bewirtschaftet wird, eine andere Dienstleistung offerieren: Kohlendioxid von der Fossilenergie zu absorbieren. Waldprodukte ernten und Kohlendioxid von Fossilenergie zu absorbieren sind zwei sich ausschließende Funktionen. Denn wird Holz geerntet, wird das Kohlendioxid früher oder später wieder freigesetzt. Zur Kohlenstoffabsorption muss der Wald für immer stehen bleiben. Für den letzteren Teil müssen wir wissen, wie viel Wald wir langfristig für die Kohlenstoffabsorption benötigen. Wie viel Wald ist dafür reserviert, und legal gebunden? Dieser Teil des Waldes bedient den Carbon-Footprint also, den Footprint des CO2-Ausstoßes von der Fossilenergie. Da wir nicht wissen, wie viel des Waldes legal und langfristig der CO2-Absorption gewidmet ist, berichten wir auf der Biokapazitätsseite nur Waldfläche. Auf der Footprintseite aber unterscheiden wir zwischen dem Waldprodukt-Footprint und dem Carbon-Footprint.
Stellen wir uns einen Bauernhof vor, dessen Felder überdüngt werden. Die überschüssigen Nährstoffe wäscht der Regen in einen Bach. Der wiederum fließt in einen See außerhalb des Bauernhofs. Das Wasser wird langsam trübe. Der See wird damit zur Senke für Abfälle und produziert weniger Fisch. Weil er ökologische Dienstleistungen für den Bauernhof übernimmt. Damit gleicht der Hof einem Staat, der Kohlendioxid emittiert und darauf setzt, dass irgendein Ökosystem auf der Welt schon damit fertig wird. Oft stellen wir das CO2-Land nicht zur Verfügung und hoffen, dass diese Dienstleistung woanders für uns geleistet wird. Aber, dass wir eine Senke für unsere Abfallströme benötigen, damit sich die Abfälle nicht akkumulieren, ist eine handfeste ökologische Realität. Statt es für die Holzproduktion zu nutzen, kann eine Waldfläche durchaus für die Absorption von Kohlendioxid zur Verfügung gestellt werden. In einigen Fällen geschieht das bereits (Die Finanzierung erfolgt über so genannte carbon offsets). Allerdings wird das nur in einem viel geringeren Maße praktiziert, als wir Kohlenstoff in die Atmosphäre blasen.
Footprint aufgespalten nach Landnutzungsarten in ihrer historischen Entwicklung
in Anzahl benötigter Planeten Erde
Sinn und Zweck des Footprint ist es, einen durchgängigen, einen aggregierten Indikator zu schaffen, eine „Währung“. Nur so erhält man ein Instrument, mit dem man die Biokapazität weltweit berechnen und vergleichen kann. Die Ökosysteme in unterschiedlichen Ländern sind aber unterschiedlich produktiv. Deshalb werden für alle Landtypen jeder Nation gesonderte Erntefaktoren („yield factor“) bestimmt, und zwar jährlich.20 Hinzu kommt der Äquivalenzfaktor („equivalence factor“), der die verschiedenen Landtypen des Planeten in Flächen durchschnittlicher Weltproduktivität umrechnet (Wie viel Biokapazität hat ein Hektar durchschnittlicher Wald im Vergleich zu einem Hektar durchschnittlicher Ackerfläche?). So kommt man schließlich zur zentralen Maßeinheit des Footprint, dem globalen Hektar (global hectar). Der globale Hektar entspricht einer quadratischen Fläche mit der Kantenlänge von 100 Metern – also insgesamt 10 000 Quadratmeter – biologisch produktiver Erdoberfläche mit Weltdurchschnittsproduktivität. Davon gibt es, wie gesagt, ungefähr zwölf Milliarden auf dieser Erde.
Weltbiokapazität nach Ländern (2011)
prozentuale Aufteilung
Auf biologisch produktiven Flächen findet ein signifikantes Maß an photosynthetischer Aktivität statt. Der kontinuierliche Fluss der Sonnenenergie wird von Pflanzen dazu genutzt, aus Kohlendioxid Sauerstoff zu produzieren und Biomasse aufzubauen. Die Photosynthese ist damit der Ausgangspunkt für alle Nahrungsketten und der Motor sämtlicher Energie- und Stoffkreisläufe der Biosphäre.21 Kein anderer Prozess hat die Evolution der Natur so stark geprägt wie die Photosynthese. Sie war es, die maßgeblich zum Aufbau der Atmosphäre beigetragen hat. Ihr ist es zu verdanken, dass die Oberfläche des Planeten sich über Millionen Jahre hinweg von einem unwirtlichen Ort in ein sich selbst reproduzierendes und regulierendes System mit einer großen Vielfalt an Lebewesen verwandelt hat. Ohne diese wundersame „Biomaschine“ wäre der Planet Erde so tot wie der Mars.
Freilich, im Laufe ihrer Geschichte hat die Menschheit in der Natur gründlich „aufgeräumt“. Mittlerweile wurde etwa die Hälfte der ehemals unberührten Wälder in Weideflächen, Äcker und Stadtflächen umgewandelt. Auf sämtlichen Kontinenten hat der Mensch viele der großen, wild lebenden Säugetiere aus ihren Biotopen verdrängt und ausgerottet (Afrika