Heiße Küsse & eine neue Kulisse. Kathrin Fuhrmann
Du musst die Probleme in deiner Firma klären, damit du mir für ein paar Monate nach New York folgen kannst. Ich steuere meine Karriere wieder in die richtige Richtung. Dann kann ich nächstes oder übernächstes Jahr eine längere Auszeit nehmen, um mit dir auf Garbh zu leben. Und in ein paar Jahren, wenn wir von dem ganzen Trubel genug haben, kaufen wir uns das Häuschen am Strand in Spanien …“
„… oder Frankreich“, warf Angus ein.
„… von dem wir beide Träumen. Nur wir beide, Sonne, Strand und das Meer. Und das für den Rest unserer Tage. Hin und wieder Besuche in Museen, in denen du mir von den Künstlern erzählen kannst, die du liebst, oder Reisen zu klassischen Konzerten. Ab und an ein Ausflug nach Amerika, wo ich aus dir einen echten Cowboy mache und dir Westernreiten und Schießen beibringe. Das ist alles, was ich mir für meinen Ruhestand wünsche.“
„Ich kann es kaum erwarten.“ Angus strahlte ihn an und plötzlich verschwanden Patricks Sorgen in den leuchtenden Augen seines Geliebten.
Kapitel 2
Die Limousine bog in das Rondell vor dem betagten Gebäude ab und verlor dabei an Geschwindigkeit. Highcomb ragte vor ihnen auf und warf seinen düsteren Schatten voraus – oder besser: eine Vorahnung, wie sich dieser Besuch gestalten sollte. Angus runzelte die Stirn und verbat sich die düsteren Gedanken. Zwar war jede Heimkehr mit einem schalen Geschmack begleitet, aber dieses Mal war ihm sogar noch unbehaglicher zumute.
Der Wagen blieb stehen, und Patricks Nervosität nahm Überhand. Sein Griff brach Angus’ Finger beinahe. Er atmete tief durch. „Das ist eine bescheuerte Idee.“
Seine Stimme trug seine Befürchtungen, was Angus einen Schauer über den Körper jagte, der zur Abwechslung mal unangenehm war. Dennoch hob er die Mundwinkel, drehte sich mit einem nicht ehrlichen, aber beruhigenden Lächeln zu seinem Liebsten um und erwiderte den Druck seiner Finger sanft.
„Schatz, es bedeutet mir unendlich viel, dass du mich begleitest.“ Und das war keinesfalls gelogen. „Meine sexuelle Orientierung ist allgemein bekannt, wenn auch nicht akzeptiert. Ich will dir keine falschen Hoffnungen machen, wir werden nicht mit offenen Armen begrüßt werden, aber dies hier ist meine Heimat.“
Die Tür wurde geöffnet. Anders als auf Garbh konnte man in Argyllshire häufiger mit Sonne rechnen, aber die Front von Highcomb lag in bedrohlichem Zwielicht. Angus zog Patrick bestimmend mit sich, als er aus der Limousine kletterte und dem Fahrer einen Dank zu murmelte. Da waren sie also. Er sog den Atem ein, ohne dass sich die Enge in seiner Brust lüftete.
„Das Anwesen ist seit zehn Generationen in Familienbesitz, auch wenn die Rotröcke zwischen 1730 und 1746 Teile davon als Stützpunkt ihrer Armee nutzten.“ Angus deutete auf den linken Flügel des Kartells. „Noch immer wird der Trakt als Gästequartier genutzt.“
Patricks Blick flog Angus’ Finger nach, wobei er grummelte: „Für unliebsame Gäste, will mir scheinen.“
Angus’ Herz machte einen Satz und er konnte ein Kichern nicht verhindern. Die Anspannung, in der er den ganzen Morgen verbracht hatte, schwand und es gelang ihm, mit üblicher Fröhlichkeit zu grinsen. „Aye. Als Amerikaner wird meine Mutter dir sicherlich ebenfalls ein lauschiges Plätzchen irgendwo in den Untiefen des Kellers zugedacht haben.“
Patricks himmlischer Mund verzog sich. Verdruss zerknitterte sein sonst so edles Gesicht. „Es wird ein Verlies sein …“
Wieder lachte Angus. Er legte seinem Freund den Arm um die Schulter und drückte ihn an seine Seite. „Keine Sorge, ich bin hier der Herr im Haus.“
Patrick blieb skeptisch, bemühte sich jedoch, es sich nicht ansehen zu lassen. Natürlich durchschaute Angus ihn mühelos. Dass der Geliebte seine Stimmung nicht halb so gut verbergen konnte, wie er offenbar annahm, war einer der Punkte, die Angus so an ihm liebte.
„Komm, stellen wir uns dem Drachen.“ Er schob Patrick vorwärts. Der Schotter zu seinen Füßen wühlte auf, bevor Patrick seine Steifheit verlor und einen Schritt machte. Seine Brust hob sich unter der unnötig dicken Jacke, schließlich hielt der Frühling Einzug und die Temperaturen schossen in die Höhe. Der Eingang lag ebenerdig, und so standen sie nach wenigen Schritten bereits vor verschlossener Tür. Als die Hausdame öffnete, schwang ihr Blick direkt um zu Patrick. Ihre Augen wurden groß.
„Miss McDuff“, grüßte Angus mit einem knappen Nicken. Sie machte den Weg frei.
„Mylaird, wir haben Sie erwartet. Ihre Gemächer stehen bereit und für Ihren Gast …“
„… der sicherlich neben mir einquartiert wurde …“, unterbrach Angus locker, obwohl er es besser wusste.
Miss McDuff stockte, wobei sich Horror in ihr bleiches Gesicht schlich. Sie musste mehrfach schlucken, bevor sie etwas hervorbrachte.
„Gewiss, Mr McLean.“
„Mr Harris’ Wünschen ist Folge zu leisten.“ Angus schlüpfte aus seiner sommerlichen Jacke. „Dass mir keine Klagen kommen.“
Wieder nickte die Mittvierzigerin.
„Was lässt Mrs McLean ausrichten?“ Angus bedeutete Patrick die Treppe zu nehmen und schob ihn, da er zögerte, erneut weiter. Es war zu spät für Zweifel. Die er ihm ohnehin ausgeredet hätte. Angus wollte diesen Schritt. Es war ein weiteres Bekenntnis zu ihnen, eines, das ebenso bedeutsam und schwierig wie Patricks coming out war.
„Mrs McLean wünscht Sie unverzüglich zu sehen.“
„Tatsächlich?“ Angus grinste für sich, schließlich hatte er genau das erwartet. „Richten Sie Mrs McLean aus, dass ich für die geschäftlichen Belange nach dem Lunch zur Verfügung stehe.“
Miss McDuff hastete ihnen nach. „Jawohl, Mylaird. Soll ich Ihnen das Lunch in Ihrem privaten …“
Angus nahm die Hand aus Patricks Rücken, als er stehenblieb und sich umdrehte, um Miss McDuff anzusehen. „Wir werden selbstverständlich am familiären Mittagessen teilnehmen.“
Die Hausdame wisperte einen gälischen Fluch, den Angus natürlich verstand. Er hob die Brauen.
„Gibt es ein Problem, Miss McDuff?“
„Nein, Mylaird!“ Sie nickte hastig. „Ich werde alles Nötige in die Wege leiten. Kann ich Ihnen sonst noch dienlich sein?“
Angus schüttelte den Kopf, schließlich wollte er nicht für den Herzinfarkt der Frau verantwortlich sein, die seine Mutter erst kürzlich hatte einstellen lassen – ohne seine Zustimmung. Dinge mussten sich in Highcomb ändern, und genau deswegen hatte er so auf Patricks Gesellschaft gedrängt. Angus hatte Pläne, die sich um seinen Geliebten rankten wie Efeu um alte Gemäuer …
Angus spürte Patricks Anspannung, als sie vor der zweiflügligen Tür zum Speisezimmer stehen blieben. Die Muskeln an seinen Wangen traten hervor, was deutlich auf die Verfassung hinwies, in der sich der jüngere Mann befand. Sicher übte er so viel Druck auf seine Kauleisten aus, dass sie zu Staub zu zerfallen drohten. Angus wünschte sich, ihn beruhigen zu können, aber er wusste, welcher Sturm auf sie wartete. Er war mindestens so schwer wie jener, der das erste Fotoshooting vor fast einem Jahr ins Wasser hatte fallen lassen.
„Versuch gelassen zu bleiben“, riet Angus leise. Patricks Blick streifte ihn. „Können wir?“
Obwohl das unwiderstehliche Model nickte, griff Angus nicht nach der Türklinke, sondern nach dessen Händen. Er zog ihn zu sich und drückte ihm einen sanften Kuss auf den Mund.
„Ich liebe dich.“
Patricks dunkle Augen verloren etwas an Starre und auch sein Kiefer entspannte sich. Das war alles, was Angus wollte. Mit einem schiefen Grinsen wandte er sich ab und zog sich das Jackett gerade. Er hatte sein Erscheinungsbild sorgsam geprüft und wusste, dass es nichts an ihm auszusetzen gab, auch wenn seine Mutter ihm sicherlich das gegenteilige Gefühl geben würde, sobald er durch die Tür trat. Angus streckte die Schultern und packte den Stier bei den Hörnern, indem er die Flügeltüren mit mehr Kraft aufstieß, als nötig gewesen wäre.