Heiße Küsse & eine neue Kulisse. Kathrin Fuhrmann
etwas. Scheinbar war ihm bei seiner Lektüre etwas Spannendes ins Auge gefallen. Er blätterte eine Seite zurück, strich mit dem Finger die Zeilen entlang und gab dann ein Brummen von sich.
Patrick überlegte, ob er Angus ansprechen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Offensichtlich beschäftigte Angus sich mit wichtigen Unterlagen. Deshalb streckte Patrick sich und holte die Zeitung, die auf einer Ecke des Schreibtisches lag. Unmotiviert begann er sie durchzusehen. Seine Gedanken wanderten aber schnell wieder in eine andere Richtung.
Klatsch und Tratsch über A bis C Promis fesselten seine Aufmerksamkeit nicht lange. Viel zu schnell wurde er sich seines weiter wachsenden Hungers bewusst. Es war jetztkurz vor dem Abendessen, und er wäre bereit gewesen, ein Nacktfotoshooting vor Angus’ Familie abzuhalten, wenn er dafür sofort etwas zwischen die Zähne bekommen hätte.
Er seufzte, als sein Magen sich noch einmal verkrampfte. Ob er noch mal versuchen sollte, sich mit der Lektüre der Zeitung abzulenken?
„Alles in Ordnung, Geliebter?“, fragte Angus, der von seinem Laptop aufgesehen hatte. „Du wirkst besorgt.“
„Hungrig bin ich in erster Linie. Nichts, was das Abendessen nicht korrigieren könnte.“ Patrick schickte Angus ein Lächeln. Ihm lag zwar noch mehr auf dem Herzen, doch das war nicht die Zeit oder der Ort, um eine ernsthafte Diskussion zu führen.
Angus sah auf seine Armbanduhr. „In einer guten Viertelstunde wirst du von deinem Leid erlöst. Leider kann ich meine Arbeit noch nicht beenden. Tatsächlich muss ich ein wichtiges Telefonat führen. Vielleicht möchtest du dich währenddessen schon auf den Weg in den Speisesaal machen?“ Seine grünen Augen funkelten ihn an.
„Das halte ich für eine gute Idee. Wenn deine Mutter auftaucht, bevor du fertig bist, lieferst du ihr beim Eintreten bestimmt eine Show, die sie nie vergessen wird. Dass du dazu in der Lage bist, hast du beim Frühstück ja schon bewiesen. Was das betrifft, würde ich mich gerne noch mit dir unterhalten. Später, wenn deine Aufgaben dich nicht mehr ablenken.“
„Leider wird das nicht so schnell der Fall sein. Dieses Telefonat ist wirklich wichtig. Furchtbar langweilig, aber notwendig. Du kannst auch gerne in deinem Zimmer auf mich warten.“
Der Rausschmiss überraschte Patrick. Üblicherweise hatte Angus kein Problem damit, geschäftliche Details vor ihm auszubreiten. Trotzdem stand er auf und trat vor den Schreibtisch. Er stützte sich auf der Arbeitsplatte ab und beugte sich vor, um Angus zu küssen. „Bis später. Beeil dich.“
Angus hatte diesen Ausdruck auf dem Gesicht, der nur für Momente reserviert war, in denen sie unbeobachtet waren. „Natürlich, Liebster. Bis gleich.“
Nach einem Augenzwinkern in Angus’ Richtung schlenderte Patrick auf den Gang. Kurz darauf schloss er die Tür des Gästezimmers hinter sich. Er nutzte die Wartezeit auf Angus, um sich frisch zu machen. Dann checkte er seine Mails.
Zumindest wollte er das. Leider wurde ihm klar, dass die Verbindung ohne WLAN-Passswort zu langsam war, um die Fotos öffnen zu können, aus denen er eine Auswahl für seine neue Arbeitsmappe treffen sollte. Er geduldete sich zehn weitere Minuten, bis der Hunger und die Langeweile ihn dazu trieben, sich auf die Suche nach Angus zu machen.
Zuerst warf er unbemerkt einen Blick in den Speisesaal, wo Angus’ Familie bereits Platz genommen hatte und sich über die Verspätung von Angus und Patrick beschwerte. Rasch zog Patrick sich zurück. Sein Geliebter hatte also nicht bloß vergessen, ihn abzuholen. Scheinbar hatte das Telefonat ihn länger in Beschlag genommen als gedacht.
Als Patrick sich dem Arbeitszimmer näherte, drang Angus’ Stimme zu ihm. Er blieb stehen, um nicht zu stören.
„Natürlich! Gar kein Problem. Ich bin sicher, er findet diese Rolle perfekt.“
Ein paar Sekunden lang herrschte Schweigen.
Patricks Nackenhaare stellten sich auf. Hoffentlich sprach Angus von einem seiner Angestellten.
„Nein, diesbezüglich muss ich nicht Rücksprache mit ihm halten. Ich kenne ihn in und auswendig. Schon jetzt weiß ich genau, was er sagen wird, wenn ich ihm erzähle, dass er die Möglichkeit bekommt, diesen Film zu drehen.“
Wieder eine kleine Pause. Dann lachte Angus auf.
„Ja, dieser Aspekt gefällt mir besonders gut. Dieses Projekt klingt von der Idee her aufregend. Die Namen der Schauspieler, die Sie bereits gecastet haben, beeindrucken mich. Für Patrick wird ein Traum wahr, wenn er mit diesen Größen zusammenarbeiten darf.“
Nein! Das durfte nicht wahr sein! Angus konnte es unmöglich gewagt haben, ihm noch einmal ein Casting vermittelt zu haben, ohne ihn vorher zu fragen.
„Vielen Dank. Ich weiß Ihr Entgegenkommen zu schätzen. Geben Sie mir ein paar Tage, damit ich alle notwendigen Vorkehrungen treffen kann. Schließlich soll Patrick nicht ahnen, dass ich über diese Sache Bescheid weiß. Wir bleiben in Kontakt.“
Patrick blieb die Luft weg. Pries Angus ihn schon wieder bei Kontakten der Filmbranche an? Hatte er nicht deutlich gemacht, dass er diese Einmischungen nicht länger duldete?
Er stieß die Tür auf und trat in den Raum. „Leg sofort auf!“, befahl er.
Erbleichend erwiderte Angus seinen Blick. Tatsächlich nahm er das Handy vom Ohr und drückte auf das Display. „Es ist nicht so, wie … Okay, es ist genau so, wie es aussieht. Ich habe erfahren, dass ein Freund aus alten Tagen …“
„Das ist mir völlig gleichgültig!“, unterbrach Patrick. „Es spielt keine Rolle, wer wie wann auf diese Schnapsidee gekommen ist. Ich will damit nichts zu tun haben!“
„Warte. Diese Chance erhältst du nur einmal. Hollywood, Patrick. Das, was du dir immer gewünscht hast.“
„Damit bringst du das Fass zum Überlaufen. Seit wir hier angekommen sind, benimmst du dich wie ein anderer Mensch. Highcomb macht aus dir einen Fremden, der alles vergessen hat, was wir jemals vereinbart haben.“
Angus legte das Handy weg und trat zu ihm. „Bitte, du übertreibst. Möglicherweise war es nicht klug von mir, dir zu verheimlichen, mit wem ich mich unterhalten wollte. Doch du lässt es klingen, als wäre ich verrückt.“
„Dieses Telefonat ist doch nur ein Symptom des eigentlichen Problems, das sich hier offenbart hat.“
„Wovon sprichst du?“
„Hör auf, dich ständig vor mich zu stellen!“, schrie Patrick. „Ernsthaft. Das ist übergriffig und beleidigt mich! Denkst du, ich wäre nicht in der Lage, mich selbst zu verteidigen?“
„Natürlich bist du das. Beruhige dich doch.“ Angus tätschelte seine Schulter.
„Du behandelst mich, als wäre ich ein kleines Kind. Du kannst meine Kämpfe nicht für mich austragen. Wenn du es ständig versuchst, lässt mich das schwach dastehen!“
Mit betroffenem Gesichtsausdruck nickte Angus.
Das machte Patrick noch wütender. „Tu nicht so, als würdest du verstehen, wovon ich spreche. Ich weiß zu schätzen, dass du mich unterstützt. Es ist wichtig, dass du mich nicht im Stich lässt, wenn ich deine Hilfe brauche. Doch du beleidigst jeden, der mir bloß eine Frage stellt. Du tust, als würde man mich angreifen, nur weil der Tonfall deiner Familie etwas rau ist.“
„Denkst du etwa, sie verhalten sich so, weil sie dich testen wollen? Sie machen damit sehr deutlich, wie sie zu meinem Lebensstil stehen. Sie zeigen mir ihre Verärgerung, weil ich offen in einer schwulen Beziehung lebe. Sie versuchen dich zu verjagen, um mich wieder in mein altes Leben zurückkatapultieren zu können.“
Patrick verdrehte die Augen. „Es geht also nur um dich und hat nichts mit mir zu tun?“
„Natürlich!“ Dann merkte Angus, was er da gerade gesagt hatte. „Du weißt, wie ich das gemeint habe.“
„Tue ich das? Irgendwie habe ich trotzdem das Gefühl, alles dreht sich immer nur um dich.“
Angus schlug mit der Faust auf