Heiße Küsse & eine neue Kulisse. Kathrin Fuhrmann
empfundenen Kuss direkt auf die Lippen provoziert. Danach hatte Isla trotzig geschwiegen.
Patrick wäre am liebsten im Erdboden versunken. Obwohl er noch nicht satt gewesen war, hatte er die Flucht ergriffen. Auch jetzt hätte er nichts dagegen gehabt, zurück ins Haus zu kehren und sich zu verkriechen. Dann wäre er allerdings nicht in der Lage, Angus’ Familie näher kennenzulernen. Da sie beide nun zusammengehörten, sollte er es sich mit ihnen nicht verscherzen. Angus’ überfürsorgliches Verhalten machte es ihm allerdings nicht leichter, ernst genommen zu werden.
„Wir lieben es als echte Schotten etwas herzhafter“, warf Ailis ein. „Das mag für Sie schwer vorstellbar zu sein, zeigt aber wieder einmal deutlich, wie unterschiedlich wir doch sind.“
„Dank Angus weiß ich deftiges Essen inzwischen mehr zu schätzen.“ Patrick vertiefte sein verkrampftes Lächeln. „Auf Garbh werde ich mit würzigen Speisen verwöhnt. Meine Figur droht davor langsam zu kapitulieren.“
Angus griff nach seiner Hand und drückte ihm einen Kuss auf die Finger. „Du bist perfekt, wie du bist.“
Ailis schnaubte. „Dennoch schadet es nicht, wenn man darauf achtet, was man sich zwischen die Lippen schiebt.“
Essensvorlieben sollten kein Grund sein, jemanden nicht in seiner Familie zu wollen. Die Liste von Patricks Verfehlungen war allerdings noch länger, sodass er sich eine Diskussion sparen konnte. Sein Freund dachte darüber anscheinend anders.
„Patrick soll essen, worauf er Lust hat“, brummte Angus. „Lass ihn in Ruhe, Mutter.“
„Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass die Dinge, die er sich in den Mund steckt, zeigen, welche Art von Mensch er ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Flap Jacks, Scones, deine Zunge oder andere Körperteile von dir handelt.“
„Mutter!“ Empört funkelte Angus in Ailis Richtung.
„Stimmt es, dass es einen Unterschied macht, was man zuletzt gegessen hat?“, fragte Cornish. „Den Geschmack von du-weißt-schon-was betreffend?“
Patrick krümmte sich und überlegte, unter die im Wind flatternde Tischdecke zu flüchten. Was für eine Frage! Darüber hatte er sich noch niemals Gedanken gemacht. Ganz sicher würde er in dieser Runde nicht damit anfangen.
Nun kam ein Schnauben von Angus’ Großmutter. „Früher mussten wir uns zum Glück mit diesen Dingen nicht beschäftigen. Abends schaltete man als gehorsame Frau das Licht aus und ließ über sich ergehen, wofür Gott die Männer vorgesehen hat. Für die perversen Vorlieben waren dann Frauen in einschlägigen Häusern zuständig. In der Branche, in der Sie arbeiten, ist man angeblich zu ähnlichen Anbiederungen gezwungen. Entspricht das der Wahrheit, Mr Harris?“
Hitze brachte Patricks Wangen förmlich zum Glühen, weil nach diesen unerwarteten Worten alle Blicke abschätzig auf ihm zu ruhen schienen. Wie überaus peinlich! „Mir ist bewusst, dass der Beruf des Models mit einigen Vorurteilen behaftet ist. Um einen Auftrag an Land zu ziehen, war ich allerdings noch niemals gezwungen, meinen Körper einem Kunden anzubieten.“
Angus drückte seine Hand inzwischen so fest, dass es wehtat. Bei Cornishs ungläubigem Auflachen brach er Patrick beinahe die Finger. „Wie kannst du es wagen, so etwas anzudeuten, Großmutter! Patrick verkauft sich nicht.“
„Das kann man sehen, wie man will“, warf Cornish ein. „Die Presse hat den Eindruck, dass es für Ihre Popularität von Vorteil ist, dass Sie mit meinem Cousin ins Bett gehen. Möglicherweise hat die Wahl des anderen Ufers dazu beigetragen, einige Fotokampagnen an Land zu ziehen, die sonst unerreichbar in der Mitte des Flusses vorbeigetrieben wären.“
Diesbezüglich widersprach Patrick vehement, verkniff sich allerdings einen Kommentar. Nein, seine Beziehung und sein Outing hatten ihm nicht nur positive Reaktionen beschert. Das beste Beispiel, welchen Vorurteilen er sich nun gegenübersah, war das Gespräch an diesem Tisch.
„Ich würde vorschlagen, dass du dich um deine eigenen Angelegenheiten kümmerst“, schlug Angus mit harter Stimme vor. „Patrick wird sich diese Art von Behandlung nicht gefallen lassen. Von keinem von euch.“
„Vielleicht sollte er uns von seinem Leben erzählen, damit wir uns ein eigenes Bild von ihm machen können.“ Ailis’ Lächeln erreichte ihre Augen nicht. Dennoch war Patrick bereit, ihr einen Vertrauensvorschuss und einen Einblick zu geben.
„Sehr gerne“, setzte er an. „Ich arbeite bereits seit vielen Jahren …“
„Er muss sich nicht rechtfertigen.“ Wut ging in Wellen von Angus aus, als er sich vorbeugte. Sein flammender Blick wanderte von einem zum anderen. „Hört auf, ihn zu bedrängen.“
Patrick legte seine freie Hand auf Angus’ Oberarm. Dass sein Geliebter ihn unterbrochen hatte, verärgerte ihn. Er wollte diese Gelegenheit nutzen, um die anderen auf seine Seite zu ziehen. „Das tun sie nicht“, flüsterte er ihm zu. „Lass mich einfach den Tisch mit ein paar amüsanten Anekdoten aus meiner Laufbahn unterhalten.“
„Denkst du wirklich, sie würden sich dafür interessieren?“, antwortete Angus ähnlich leise.
Ehrlich zuckte er mit den Schultern. „Einen Versuch ist es wert.“
Angus seufzte. „Wenn du meinst.“
Bevor Patrick die Gelegenheit erhielt, seinen Plan in die Tat umzusetzen, stand Ailis auf. „Es wird langsam frisch. Ich habe auch noch einen wichtigen Termin, den ich einhalten muss. Wenn ihr mich also entschuldigt.“
Isla wandte sich an Cornish. „Hilfst du mir nach drinnen?“, bat sie. „Ich bin ein wenig müde. Ein Nickerchen wird mir gut tun.“
Angus’ Cousin beeilte sich, die alte Dame zu stützen. Gefühlte Sekunden später waren Angus und Patrick allein zurückgeblieben. Der schnelle Aufbruch fühlte sich für Patrick an, als wäre er gegen eine Betonmauer gelaufen.
Patrick knurrte der Magen schon wieder, dieses Mal aber richtig. Um das Geräusch zu übertönen, räusperte er sich und überschlug die Beine. Der Stuhl vor Angus’ Arbeitstisch war nicht sonderlich bequem. Da Patricks Lover allerdings seit Stunden über Geschäftsunterlagen brütete, war das die einzige Möglichkeit, sich zumindest in seiner Nähe aufhalten zu können.
Sein Blick tastete über das Gesicht seines Geliebten. Patrick öffnete den Mund, schloss ihn allerdings wieder. Es gab etwas, das er Angus gerne erzählt hätte. Eine Stimme in seinem Inneren ließ ihn allerdings zögern. Er wollte nicht, dass Angus sich Sorgen um ihn machte. Sein geliebter Eremit hatte im Moment mit genug eigenen Dämonen zu kämpfen. Jede weitere negative Neuigkeit würde ihn nur weiter in Aufregung versetzen.
Noch einmal änderte er seine Sitzposition. Das Papier, das förmlich ein Loch in seine Hosentasche brannte, raschelte dabei leise. Patrick hielt die Luft an und beobachtete Angus. Der schien nicht zu bemerken, was um ihn herum vor sich ging. Also entspannte Patrick sich und ärgerte sich, dass er den Brief nicht gleich im Kamin verbrannt hatte.
Er hatte das Kuvert erst vorhin in seinem Koffer entdeckt. Vor seiner Abreise hatte er die Fanpost, die Neil ihm vorbeigebracht hatte, ungeöffnet hineingeworfen. Sein Agent hatte noch eine dringende Unterschrift gebraucht, was Patrick verärgert hatte, weil ihm die Zeit bis zum Abflug durch die Finger geronnen war. Er hätte das Zeug gar nicht mitnehmen sollen. Jetzt bereute er, diesen bestimmten Brief geöffnet zu haben.
Schwuchteln haben es nicht verdient zu leben. Solche, die ihre Perversität nach außen hin zeigen, schon gar nicht. Du wirst die Rechnung dafür schon bald präsentiert bekommen.
Eine dämliche Drohung. Wenig geschickt und schon gar nicht ernst gemeint. Wer warnte sein Opfer schon vor, damit es Sicherheitsvorkehrungen treffen konnte? Die Person, die sich die Mühe gemacht hatte, die Buchstaben aus der Zeitung auszuschneiden, auf ein Stück Papier zu kleben und das Ganze dann noch zur Post zu bringen, war ein Idiot. Unwichtig, infantil und total ungefährlich. Und dennoch …
Es war nicht die erste Nachricht dieser Art. Beleidigungen und Drohungen kamen immer wieder von anonymen Mailadressen. Gemeine Kommentare sammelten