Heiße Küsse & eine neue Kulisse. Kathrin Fuhrmann
„Angus!“ Seine Mutter klang wie ein gereizter Pitbull. „Habe ich dir denn gar nichts beigebracht?“
Angus nickte ihr und der Großmutter zu, die ihn geflissentlich zu übersehen versuchte. „Mutter, Großmutter …“ Er begegnete sogar den verächtlichen Augen des Cousins. „Cornish. Guten Tag.“ Dann drehte er sich leicht, um Patrick in den Kreis der Aufmerksamkeit zu ziehen. „Bevor wir uns an den Tisch setzen, möchte ich euch meinen Partner vorstellen: Patrick.“ Den Nachnamen sparte er sich absichtlich.
„Meine Mutter Ailis, meine Großmutter Isla und Cornish, mein Cousin.“
Patrick lächelte während der Vorstellung gezwungen und nickte jeder Person zu. „Guten Tag.“ Sein unsicherer Blick driftete zu Angus, der ihm bedeutete, an den Tisch zu treten.
Es blieb still, unangenehm still, wenn man bedachte, dass zumindest ein Hallo angebracht gewesen wäre. Angus überging es einstweilen.
„Du wirst heute Abend noch Tante Kendra kennenlernen. Sie ist Cornish’ Mutter und die Schwester meines Großvaters.“ Angus zog Patrick einen Stuhl hervor, beließ es dann aber dabei. Er wollte den Geliebten nicht brüskieren, indem er ihn wie eine Frau behandelte, so gerne er ihn auch verwöhnte. Galanterie musste seinen Platz und seine Grenzen haben, besonders bei einem, der ganz gerne selbst das Heft in der Hand hielt.
„Mein Cousin lebt ganzjährig in London, wie er gerne behauptet, ist aber stets hier anzutreffen, wenn ich Highcomb besuche. Ebenso wie die Damen wohlgemerkt.“ Angus unterbrach seine Erklärung mit einem betont rätselnden Blick auf die drei Angesprochenen. „Wie steht es um deine Eheschließung, Cornish? Ich habe das Aufgebot eigentlich noch im letzten Jahr erwartet.“
Der Großcousin kaute auf seiner Zunge herum und es war Ailis, die an seiner statt antwortete: „Angus, ich verlange, dass du dich bei Tisch benimmst wie ein erwachsener Mann und nicht wie ein trotziges Kind!“
Angus setzte ein lockeres Grinsen auf. „Entschuldige, Mutter, war ich zu provokativ? Vermutlich hat mich der eklatante Mangel an guten Manieren etwas aus der Bahn geworfen.“
Seine Mutter verengte die Augen.
„Möchte wirklich niemand meinen Gast angemessen begrüßen?“
Neben ihm sog Patrick den Atem ein. Der Blick mit der deutlichen Bitte, es dabei bewenden zu lassen, traf Angus. „Mutter? Wäre ein warmes Willkommen nicht angebracht, immerhin ist Patrick mein Lebenspartner.“
Ein kalter Blick sollte ihn zum Schweigen bringen, aber Angus hatte nicht vor, sich weiterhin wie ein Kind behandeln zu lassen. Und Patrick sollte sich auch nicht unerwünscht vorkommen. „Nicht einmal ein Nicken? Das dulde ich nicht!“
Ailis presste die welken Lippen aufeinander und maß ihn mit einem ärgerlichen Blick. „Angus, ich werde mich nicht auf dein Niveau hinabbegeben.“
Miss McDuff nutzte den Moment, um das Essen aufzutragen, und stoppte, als sie die Anspannung bemerkte. Schließlich starrte Angus seine Mutter immer noch über den Tisch hinweg an.
„Ich verlange, dass jeder hier Patrick anständig behandelt. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?“
„Du vergisst deinen Platz“, zischte Ailis. Ihre starren Lippen machten die Worte undeutlich, aber Angus hatte jahrzehntelange Erfahrung darin, die Mutter zu dechiffrieren.
„Oh nein!“, widersprach er belustigt und verärgert zugleich. „Ich kenne meinen Platz, aber sonst offenbar niemand!“
„Tischen Sie auf, Miss McDuff“, orderte seine Mutter und überging ihn damit. Die Haushälterin beeilte sich sogleich, dem Wunsch nachzukommen und ließ die Suppenkelle fallen, als Angus harsch rief: „Stopp!“
„Angus“, sprach Patrick ihn an. „Wir sind seit dem Morgen unterwegs und mein Magen knurrt.“
Zwar war nichts dergleichen zu hören, aber Angus wollte seinem Freund zuliebe einlenken. Also seufzte er auf. „Ah! Dann hast du Glück. An der Küche hier ist nichts auszusetzen.“
Kapitel 3
Teestunde im Garten! Bei diesem windigen Wetter! Auf diese Idee konnten auch nur Engländer kommen. Es war beeindruckend, wie vehement sich die Blumen in der schweren Vase auf dem weißen Tischtuch weigerten, sich von den Windstößen zerrupfen zu lassen. Patrick wünschte, er wäre genauso standfest. Angus schien von der Aussicht angetan, trockene Kekse in viel zu schnell auskühlenden Tee zu tunken. Deshalb würde Patrick sich zusammenreißen und die Tortur schweigend über sich ergehen lassen. Das bedeutete allerdings nicht, dass er tatsächlich Vergnügen dabei empfinden musste.
Patrick bemerkte, dass die Anspannung in seinem Gesicht schmerzhaft wurde. Seine Mundwinkel waren jetzt schon so lange krampfhaft nach oben geschoben, dass er morgen davon vermutlich einen Muskelkater spüren würde. Er hoffte, dass man ihm dank seiner Anstrengung im Augenblick wenigstens nicht ansah, wie unwohl er sich fühlte.
„Schmecken dir die Flap Jacks nicht?“, fragte Angus und blickte prüfend auf Patricks unberührten Teller. „Wenn du lieber etwas anderes essen würdest, kann ich dir das selbstverständlich bringen lassen.“
„Das ist nicht notwendig“, versicherte Patrick rasch. Er zwang sich dazu, in die schlechte Imitation eines Müsliriegels zu beißen.
Während er kaute, zog ein Windstoß an seinen Haaren. Mit einer ruckartigen Handbewegung schob er die zerzausten Strähnen wieder nach hinten. Ein Frösteln konnte er jedoch nicht unterdrücken. Die Kälte in seinem Inneren wurde nicht nur durch das Wetter verursacht. Die Stimmung am Tisch war ähnlich frostig.
Sein Partner legte den Kopf etwas schief. „Du wirkst nicht sonderlich glücklich über die Essensauswahl. Bestimmt haben wir noch Scones im Haus. Ich weiß gar nicht, warum man sie nicht mit nach draußen gebracht hat.“
„Nein, danke. Es ist in Ordnung.“ Wie unangenehm es Patrick war, dass Angus so viel Aufheben um ihn machte! Sogar Cornish und Ailis musterten ihn inzwischen aufmerksam. Er hasste es, dass sie ihn für einen verweichlichten Amerikaner halten mussten. Als er nach fünf Minuten hier draußen gezwungen gewesen war, sich eine dickere Jacke zu holen, hatten sie geschmunzelt.
„Ihre erlesenen Geschmacksnerven scheinen mit den lokalen Köstlichkeiten nichts anfangen zu können. Kennt man Flap Jacks in Amerika nicht?“ Cornish warf ihm einen spöttischen Blick zu.
„Tatsächlich habe ich den Begriff erst einmal gehört“, gestand Patrick und hoffte, mit seiner Ehrlichkeit Angus’ Cousin dazu zu bringen, seine Sticheleien zu beenden. „In Nordamerika versteht man darunter kleine Pfannkuchen. Mit Ahornsirup ein wahrer Leckerbissen.“
„Das würde nun wirklich nicht zu einer echten englischen Teatime passen.“ Cornish lachte auf.
Diesbezüglich würde Patrick gerne widersprechen, aber das hätte die Situation nicht entschärft. Es war ihm wichtig, von der Familie seines Freundes akzeptiert zu werden, doch es schien, als hätten diese Menschen nicht die Absicht, ihn in ihrer Mitte willkommen zu heißen. Er würde weiter versuchen, sich anzupassen. Viel Hoffnung, dass das genügen würde, hegte er allerdings nicht. Möglicherweise wäre es die bessere Wahl gewesen, den anderen weiterhin aus dem Weg zu gehen.
Nach dem steifen Lunch gestern hatte Patrick sich am Abend geweigert, mit dem Rest der Familie zu essen, und auf einem Mahl in seinem Schlafzimmer bestanden. Man hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass er unerwünscht war. Angus hatte das dazu veranlasst, seinen Freund flammend zu verteidigen. Diese übertriebene Reaktion war Patrick unangenehm. Deshalb hatte er kein schlechtes Gewissen dabei gehabt, Migräne vorzutäuschen. Angus hatte die Nacht trotzdem bei Patrick verbracht und länger geschlafen.
Um vor den anderen das Frühstück beendet zu haben, hatte Patrick sich extra früh in das Speisezimmer geschlichen. Leider war der Plan gescheitert, weil Angus’ Großmutter kurz nach Patrick erschienen war.
Überraschenderweise hatte sie ihn mit einem kurzen Blick gestreift und ihm einen guten Morgen gewünscht. Nach ein paar schweigsamen Minuten