Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic

Feuerjäger: Sammelband - Susanne Pavlovic


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trafen. »Da bist du ja. Alle Götter seien gepriesen! Ich habe mir solche Sorgen gemacht!«

      »Und niemand außer dir, wie es scheint«, erwiderte Lianna und drückte die Hand ihrer Freundin, die sie ihr hinüber streckte. »Was ist passiert? Warum sucht mich keiner? Ich habe Sachen erlebt, das glaubst du nicht!«

      »Keine Zeit für Geschichten«, sagte Elva. »Du musst fort. Sie sind dir drauf gekommen. Dein Vater sagt, er tötet dich, sobald er dich zu Gesicht bekommt, und wer ihn dabei gesehen hat, der glaubt ihm das.«

      »Ich verstehe nicht ganz ... Auf was gekommen?«

      »Gibt es da so viele Möglichkeiten?«, fragte Elva ungeduldig. »Auf deinen heimlichen Liebhaber natürlich.«

      Liannas Gehirn brauchte einen Augenblick, bis es die Worte heimlicher Liebhaber mit dem grimmigen Thork Eisenfels in Verbindung brachte. Dann wurde ihr plötzlich kalt.

      »Das Bild«, flüsterte sie mit vor Schreck geweiteten Augen.

      »Genau«, sagte Elva. »Das hat man sich erzählt. Du hast ihm nackt Modell gestanden, sagen die Leute. Meine Güte, Mädchen, das mag ja ganz aufregend gewesen sein, aber wie dämlich muss man sein, um die Beweisstücke aufzuheben?«

      »Du hast recht«, sagte Lianna. Ihre Stimme klang fremd. »Ich hätte es verbrennen müssen. Aber es war versteckt. Sie können es nicht einfach durch Zufall gefunden haben. Warte ... Erin!«

      »Erin?«

      »Ich habe mit ihr geredet ... heute Morgen, bevor ich ausgeritten bin. Ich habe ihr erzählt, dass ... ich mich in einen anderen verliebt habe.«

      »Dummes Mädchen.« Elva seufzte und schüttelte den Kopf.

      »Ich dachte, ich könnte ihr vertrauen! Aber sie muss zu meinem Vater gerannt sein!«

      »Sicher nur aus den besten Absichten ...«

      »Sie ist eine Verräterin!«

      »Warum auch immer sie es getan hat – wenn sie es getan hat – sie hat einen Stein ins Rollen gebracht. Und dieser Stein wird dich erschlagen, wenn du nicht aus dem Weg springst.«

      »Erzählen sich die Leute auch, wer dieser ... mein ... Liebhaber ist?« Lianna musste sich jedes Wort abringen. Ihre Finger krampften sich in die Mähne des Schwarzen.

      Elva lachte kurz und hart auf. »Nein. Ein böses Schandmaul hat verbreitet, du hättest es mit einem Zwerg getrieben. Ich hab ihm ein paar Zähne ausgeschlagen und eine oder zwei Rippen gebrochen, glaube ich. Sonst herrscht reges Rätselraten, aber keiner weiß etwas, nur dass es angeblich ein Sesshafter ist. Und behalt es auch bitte für dich. Mir ist lieber, ich weiß es nicht, wenn sie mich fragen.«

      »Gut«, sagte Lianna, obwohl sie nicht dachte, dass irgendetwas gut war. »Und was soll ich jetzt tun, deiner Meinung nach?«

      »Du musst verschwinden, bevor sie dich erwischen. Ich habe dir ein paar Vorräte gepackt.« Elva klopfte auf ihre Satteltaschen. »Du hast deinen Vater nicht gesehen«, fügte sie hinzu, als Lianna zögerte. »Ich habe ihn noch nie so wütend erlebt. Er war völlig außer sich. Er hat uns verboten, dich suchen zu gehen, als du nicht zurückkamst. Er sagte, er holt jeden, der es versucht, mit Pfeil und Bogen vom Pferd. Und er sagte, er würde dich töten, denn du hättest die Familienehre für immer zerstört.«

      »Nein«, sagte Lianna, obwohl ein harter Klumpen aus Angst sich in ihrem Inneren zusammenballte. »Ich schleiche mich doch nicht davon wie eine Verbrecherin. Ich bin die künftige Königin, verdammt!«

      »Das bist du nicht mehr«, korrigierte Elva. »Vergiss es. Den Posten bist du los.«

      »Trotzdem«, beharrte Lianna und setzte den Schwarzen in Bewegung, um ihren Worten mehr Gewicht zu geben. »Ich tu’s nicht. Nicht heimlich.«

      »Du begibst dich in Lebensgefahr«, kam Elvas Stimme von hinten, als sie ihren Braunen hinter dem Schwarzen hertrieb.

      »Ich bin eine Kriegsprinzessin. Lebensgefahr ist mein tägliches Geschäft«, erwiderte sie leichthin, aber sie fühlte sich elend. Keine Prinzessin zu sein, war ein Zustand, den sie sich schlichtweg nicht vorstellen konnte, und die Leere, die sie bei der Vorstellung empfand, ängstigte sie mehr als Elvas düstere Ankündigungen.

      »Du willst es wirklich tun«, sagte Elva hinter ihr. »Götter! Mit dir stimmt wirklich etwas nicht. Willst du zum Wagen deines Vaters gehen, Tür auf, hallo, hier bin ich wieder? Weißt du, wie lange du dann noch lebst?«

      »Ich weiß nicht, was ich tun will«, gab Lianna zu. »Ich überlege mir gerade etwas.«

      »Na, dann viel Erfolg«, sagte Elva. »Hoffentlich fällt dir etwas wirklich Gutes ein.«

      Eine kurze Zeit ritten sie schweigend, dann fuhr Elva fort:

      »Du hast ja offenbar eine recht unglückliche Wahl getroffen mit deinem geheimnisvollen Liebhaber. Was hat er, dass du gleich die gesamte Familienehre damit zerstört hast? Ist er ein Verbrecher?«

      »Nein«, sagte Lianna mit müdem Lächeln.

      »Was dann? Verheiratet und zwölffacher Vater?«

      »Nicht dass ich wüsste.«

      »Was dann?«, bohrte Elva.

      »Ich dachte, du wolltest nichts über ihn wissen, für den Fall, dass sie dich ausfragen?«

      »Ich will ja nicht, aber ich bin so neugierig!«

      »Du solltest dich bei demjenigen entschuldigen, den du verprügelt hast«, sagte Lianna, »denn er hat die Wahrheit gesprochen.«

      »Was«, sagte Elva. »Nein. Ich kann nicht glauben, dass du in dieser Lage noch Witze machst.«

      Sie erreichten den Mondschatten der ersten Wagen. Lianna glitt aus dem Sattel und reichte Elva die Zügel.

      »Gib ihm etwas zu trinken und etwas Hafer«, bat sie. »Aber nimm ihm nicht den Sattel ab. Wer weiß, vielleicht muss ich doch so plötzlich weg, wie du befürchtest.«

      Elva nickte, sie wirkte blass im Mondlicht.

      Durch die menschenleeren Gassen zwischen den Wagen ging Lianna zum Wagen ihres Vaters, der neben ihrem eigenen stand. In den meisten Wagen brannte noch Licht.

      Sie erreichte ihr Ziel und spähte vorsichtig durch einen Türspalt.

      Van Ranessa saß am Tisch, den Kopf in die Hände gelegt. Vor ihm standen ein Tonkrug und ein Becher. Ein Stück Pergament war mit einem Dolch auf die Tischplatte gespießt.

      Lianna schluckte und legte die Hand vor den Mund. Die Trauer, die von ihrem Vater ausging, schnitt ihr ins Herz. Sie wollte nicht dafür verantwortlich sein.

      Einem Impuls folgend, stieß sie die Tür auf und ging hinein, er sollte sie in den Arm nehmen und über ihr Haar streichen, während sie ihm von ihren Abenteuern erzählte, an nichts anderes wollte sie denken, nicht an Arik und nicht an Thork und schon gar nicht ans Heiraten.

      Dass es ein Fehler gewesen war, bemerkte sie zu spät. Van Ranessa schrak hoch, als sie den Raum betrat, und fuhr zu ihr herum. Er hatte das Gesicht eines Fremden.

      Lianna zögerte für einen Augenblick, verunsichert, dann lächelte sie ihr mädchenhaftes, etwas schüchternes Lächeln.

      »Hallo, Papa«, sagte sie leise.

      Van Ranessa erhob sich von seinem Stuhl. Er schwankte leicht, als er zu ihr herüber kam und die Tür hinter ihr mit einem Fußtritt schloss. Dann drehte er sich zu ihr. Lianna wich einige Schritte zurück, das Gefühl bekämpfend, in eine Falle geraten zu sein. Elvas Worte hallten in ihren Ohren. Mochte sie vielleicht recht gehabt haben?

      Mit einigen Schritten war Van Ranessa bei ihr, maßlose Wut im Blick. Sie wich zurück, bis sie den Tisch hinter sich spürte. Mit einer groben Bewegung packte er sie vorne am Mantel und zerrte sie zu sich, während sie in wütendem Protest aufschrie, dann sauste seine Faust auf sie hinunter und traf sie mitten im Gesicht.

      Sie stürzte rückwärts


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