Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic

Feuerjäger: Sammelband - Susanne Pavlovic


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jeden Preis eine körperliche Berührung mit ihr vermeiden. Also blieb er stehen, sah auf sie hinunter und streckte auffordernd die Hand aus.

      »Unglaublich«, sagte sie, seine stumme Forderung schlicht ignorierend. »Du bist ein Künstler. Wie hast du das hinbekommen?«, Sie hielt ein großes Blatt hoch, das er während eines ruhigen Abends in einer Gaststube mit Skizzen der anderen Gäste gefüllt hatte, wie sie saßen, redeten, würfelten und in ihre Gläser schauten. »Ich meine, mit diesen Händen?«, fügte sie hinzu und deutete auf seine ausgestreckte Rechte.

      Er ließ die Hand sinken, erbost, aber um eine Antwort verlegen.

      »Kann ich’s jetzt wiederhaben?«, herrschte er sie an.

      Sie steckte die Pergamentrolle in den Behälter zurück und reichte ihn hinauf zu ihm. Ein schelmisches Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus und ließ ihn das Schlimmste befürchten.

      »Am meisten würde mich sowieso das Bild interessieren, das du da eben verbrannt hast«, sagte sie, wälzte sich auf den Rücken und streckte sich wie eine Katze, die ein sonniges Fleckchen gefunden hat. Er presste den Pergamentbehälter an sich und machte einen großen Schritt rückwärts.

      »Es war nichts«, sagte er rau. »Eine alte Zeichnung. Nicht gelungen. Ich habe sie aussortiert.«

      Sie lachte leise. »Mein Zwerg ist ein Lügner. Und ein schlechter noch dazu. Da, die Kreide an deinen Fingern - das kommt nicht nur vom Aussortieren.«

      Er atmete tief und wandte sich ab, damit sie nicht sah, wie ihm das Blut die Wangen färbte. Er fühlte sich, als würde er von einer Kraft, gegen die er machtlos war, gegen eine Wand gedrängt.

      »Was immer es war«, sagte er, »es geht dich nichts an. Es ist meine Privatsache, und ich bin dir keine Rechenschaft schuldig.«

      »Natürlich nicht«, bestätigte sie, ihre Stimme klang besänftigend. »Ist ja gut. Entschuldige.«

      Er gab ein bestätigendes Knurren von sich und beugte sich zu seinen Zeichensachen, um sie wegzuräumen. Der Verlust der Zeichnung machte ihn traurig. Möglicherweise würde ihm nie wieder ein Versuch so gelingen wie der erste. Am besten, er unterließ von vorneherein jeden weiteren. Das Risiko, ertappt zu werden, war viel zu hoch. Er überlegte, ob es ihm gelingen konnte, sie aus der Erinnerung zu zeichnen.

      »Trotzdem«, sagte sie in seine Gedanken hinein. »Auch wenn es mich nichts angeht. Willst du’s mir nicht verraten?«

      »Nein.«

      »Bitte.«

      »Nein!«

      Sie seufzte. »Bitte«, wiederholte sie in schmeichelndem Ton. Er sah zu ihr hinüber. Sie lächelte ihr bezauberndstes Lächeln und schlug die Augen zu ihm auf. »Ich werde die ganze Nacht nicht mehr schlafen können, wenn ich es nicht erfahre«, sagte sie.

      »Das trifft sich gut«, sagte er völlig ernst. »Du kannst dann Wache halten, während ich mich hinlege.«

      Sie starrte zu ihm hinauf, halb lachend, halb ungläubig. Er entrollte seine Decke und streckte sich am Feuer aus.

      »Pass auf deinen Esel auf«, sagte er. »Ich hab vorhin Wölfe heulen hören. Sie werden nicht angreifen, aber er schien das nicht zu wissen. Wurde reichlich nervös.«

      Widerstrebend erhob sie sich von ihrem Lager.

      »In Ordnung«, sagte sie. »Mach ich.«

      Er faltete die Hände über der Brust und schloss sein Auge. Kühle Nachtluft legte sich auf sein Gesicht. Er atmete tief durch und versuchte, zur Ruhe zu kommen, lauschte auf das Knacken des Feuers und auf die leisen, versteckten Geräusche des Waldes. Doch die Ruhe wollte sich nicht einstellen, statt dessen breitete sich in ihm der unangenehme Eindruck aus, beobachtet zu werden. Er hob den Kopf und sah sich um. Lianna hockte mit angezogenen Knien auf einem Felsbrocken wenige Schritte abseits und sah zu ihm hinüber.

      »Ich bin sicher, du hast mich gut getroffen«, sagte sie mit einem Lächeln. »Es ist wirklich schade drum.«

      »Sobald ich wieder etwas ohne deine Anteilnahme tun will, werde ich dich zuvor fesseln und knebeln, dir die Augen verbinden und die Ohren verstopfen. Anders kommt man dir ja nicht bei.«

      »Danke für die Warnung.«

      »Ich hoffe, du beobachtest diesen Wald mit der gleichen Aufmerksamkeit.«

      »Das tu ich. Du kannst beruhigt schlafen.«

      Er schlief ein, noch während er sich darüber wunderte, dass er ihr, was Letzteres betraf, tatsächlich vertraute.

      Sie ließen den Laubwald hinter sich, stiegen auf durch niedrigen, mit Flechten behangenen Nadelwald und über felsübersäte Trockenwiesen. Das Wetter hatte gewechselt. Hohe Wolken zogen rasch über den Himmel und legten immer wieder einen leichten Sprühregen über sie. Es wurde kühler. Wind zerrte an ihren Haaren und Umhängen.

      Im Laufe des vierten Tages stießen sie auf einen Kampfplatz. Drei Schrate lagen dort auf dem zertrampelten Gelände. Sie mochten vielleicht zwei Tage tot sein, ihre Gliedmaßen waren zerschmettert.

      »Trollfaust«, sagte Thork, während Lianna die Leichen in einer Mischung aus Ekel und Faszination betrachtete. »Sieh genau hin, was sie anrichten kann.«

      Je höher sie stiegen, desto schlechter kamen sie voran. Lianna ritt schon lange nicht mehr, sondern führte den Schwarzen am Zügel. Seine Hufe glitten Funken sprühend über den Fels, er warf den Kopf hoch und schnaubte wild, die Brust voll von schäumendem Schweiß. Thork gewann den Eindruck, dass der Hengst für jeden Schritt vorwärts mindestens einen halben zurück machte, und Lianna mit ihm, und er selbst mit Lianna. Im Stillen verfluchte er das Tier, bis es an einem dunklen, regnerischen Nachmittag nicht mehr weiter ging.

      Der Regen machte den Untergrund glitschig und unberechenbar, und Thork achtete sehr sorgfältig auf jeden seiner Schritte, als er von hinten das Aneinanderschlagen von abrutschendem Geröll hörte, ein Schnauben des Hengstes und gleich darauf einen entsetzten Aufschrei Liannas.

      Der Zwerg riss die Axt aus ihrer Halterung auf seinem Rücken und wirbelte herum, beides in einer einzigen geübten Bewegung, die schweren Stiefel fest im steinigen Grund verankert, doch er konnte durch die Schleier von Nieselregen, die der scharfe Ostwind vor sich her peitschte, keinen Gegner erkennen.

      »Was ist los?«, rief er zu Lianna hinüber, die einen halben Steinwurf hangabwärts bei ihrem Pferd stand, umweht vom Regen. Er machte einige Schritte auf sie zu, die Axt vor sich, bereit.

      Sie starrte auf ihr Pferd, beide Hände vor den Mund geschlagen. Aus ihrem blassen Gesicht war der letzte Rest Farbe gewichen.

      »Götter«, hörte er sie hinter den Händen flüstern, »bitte nicht, bitte, bitte nicht ...«, und er sah, wie sie zitterte.

      Er ließ die Axt sinken. »Was ist passiert?«

      Sie antwortete nicht, sondern begann stattdessen, den Kopf zu schütteln, als könne sie etwas abwenden, indem sie es leugnete. Er folgte ihrer Blickrichtung.

      Der Schwarze stand auf drei Beinen, das linke Vorderbein hielt er in der Luft, der Huf war eigentümlich verdreht. Dunkles Blut tropfte auf die Steine.

      »drek«, fluchte Thork. »Da haben wir’s! Das musste ja früher oder später passieren. Und was nun?«

      »Ich weiß es nicht.« Ihre Stimme klang erstickt hinter den Handflächen. »Sag du es mir.«

      »Ich?! Wie käme ich dazu? Du bist hier die Pferdefrau. Ich hätte den verdammten Esel gar nicht bis hierher mitgenommen. Warum hast du ihn nicht bei Galdur gelassen?«

      »Sei still!«, schrie sie ihn an und nahm dazu die Hände vom Mund. Tränen liefen ihr die Wangen hinunter. Er wandte sich ab, verstaute seine Axt wieder auf dem Rücken und verschränkte die Arme vor der Brust. Die Dinge entwickelten sich zunehmend unerfreulich. Ihre Verzweiflung schmerzte ihn. Er hörte, wie sie zitternd atmete, und fühlte sich hilflos und wütend.

      »Ich muss das irgendwie schienen«, hörte er sie nach einer Weile


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