Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic

Feuerjäger: Sammelband - Susanne Pavlovic


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solche Verletzung nicht schienen kann.«

      »Ich schiene es.« Ihre Stimme klang flach. »Er braucht ein wenig Ruhe, und dann wird es wieder zusammenwachsen, und dann …« Ihre Stimme verlor sich. Sie begann, Dinge aus ihrem Rucksack zu räumen, drehte sie in den Händen und stellte sie beiseite. Er ließ sie gewähren, bis der Boden um sie herum von ihren Besitztümern bedeckt war.

      »Du hast dich sehr erschrocken«, sagte er nach einer Weile vorsichtig. »Manchmal verhindert ein solcher Schreck, dass man die Dinge sieht, wie sie sind. Ich sage dir, du kannst es nicht schienen, und du wirst nicht ernsthaft mit mir darüber streiten wollen.«

      »Aber was soll ich tun?« Ihre Stimme war so leise, dass er näher kommen musste, um sie zu verstehen. »So etwas darf nicht passieren. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich kann nichts tun. Ich kann doch nicht … Ich kann doch nicht …«

      »Ich weiß, was man in solchen Fällen mit Pferden tut«, sagte er.

      »Ich werde einfach ein wenig hier sitzen«, sagte sie, ihre Schultern zitterten. »Vielleicht …«

      »Vielleicht was?«

      »Ich weiß nicht.«

      »Es gibt da eine Möglichkeit.«

      Das war unbedacht, und er erschrak zutiefst.

      »Welche?«, fragte sie.

      »Ich muss darüber nachdenken«, sagte er, verzweifelt bemüht, sich einen Ausweg offen zu lassen.

      »Du bist ein Zauberer«, sagte sie und klang plötzlich wieder lebendig. »Kannst du nicht etwas zaubern?«

      Sie sah zu ihm hinauf, ein ungewohnter Anblick, ein Rest von Tränen stand in ihren Kirschenaugen. Sein Ausweg löste sich in Luft auf.

      »Ich bin kein Zauberer. Ich habe versucht, dir den Unterschied zu erklären. Ich bin ein Priester. Aber gerade deswegen kann ich vielleicht etwas tun.«

      »Du bist doch nicht etwa ein Wunderheiler?«

      »Alle gütigen Götter! Dieser Ausdruck ist so dämlich, dass er nur von den Menschen stammen kann. Aber – ja. Gròr hat mir diese Gabe verliehen.«

      »Das ist nicht wahr«, sagte sie staunend.

      »Glaub es oder nicht«, sagte er. »Ich weiß ohnehin nicht, ob ich es bei … Pferden … tun kann … Ich meine, ich müsste ihn berühren …«

      »Ja«, sagte sie.

      »Ich weiß nicht«, sagte er, während Angst in sein Inneres kroch. »Ich habe bisher Menschen und Zwerge geheilt. Niemals ein … Tier.« Seine Hände waren mit einem Mal kalt und feucht. Er ballte sie zu Fäusten.

      »Du kannst alles von mir verlangen«, sagte sie. »Gold, Edelsteine. Verlange nur nicht, dass ich dich bitte.«

      »Wer spricht denn von Gold. Das ist doch Unsinn.«

      »Was dann?«

      »Meine Ruhe! Ich verlange meine Ruhe, für einen winzigen Augenblick!«

      Zu seiner Überraschung nickte sie und sah hinunter auf ihre verschlungenen Finger. Thork wischte sich übers Gesicht. Sein Blick suchte die Berggipfel und fand nur Schwaden aus Nebel und Regen.

      Er musste diesen Weg gehen, wenn er jemals wieder irgendwohin gehen wollte.

      »Wenn er auch nur die geringsten Anstalten eines Angriffs unternimmt, garantiere ich für nichts«, knurrte er und überhörte geflissentlich eine entsetzte Stimme in seinem Inneren, die ihn fragte, ob er noch ganz bei Trost sei.

      »Das wird er nicht«, versicherte sie ihm. »Ich werde ihn festhalten.«

      Sie sprang auf und nahm den Hengst an seinem ledernen Zaumzeug. Thork näherte sich vorsichtig dem Hals des Tieres. Sein Herz trommelte schmerzhaft gegen seine Rippen, der Klang füllte ihm die Ohren.

      Er legte seine Hand auf das schweißnasse Fell des Tieres. Es war warm, wärmer als er gedacht hatte, er fühlte, wie unter dem Fell die mächtigen Muskeln zuckten. Er atmete tief und zitternd. Die Kraftquelle war verschüttet unter einer Lawine von Panik. Mit der anderen Hand umklammerte er sein Priestersymbol, bis die Ränder sich in seine Handfläche gruben. Er konzentrierte sich auf seinen Atem, rief sich Bilder vor sein inneres Auge, die ihn zur Ruhe brachten: Wasser, das auf einen Stein tropfte, gleichmäßig wie Herzschlag, jeder Tropfen glitzernd wie ein Diamant, bevor er mit dem dunklen Untergrund verschmolz. Er verlangsamte seine Atmung, glich ihn an den Rhythmus der fallenden Tropfen an, wurde ruhiger.

      Er spürte ein heftiges, heißes Prickeln in seiner Handfläche. Er ließ die Kraft strömen, bis ein Gleichgewicht eintrat und der Strom sich abschwächte. Er nahm die Hand vom Hals des Tieres und brachte sich mit einem großen Schritt in Sicherheit.

      Der Hengst stand auf allen Vieren und so still, als hätte ihn der Blitz getroffen. Die Wunde hatte sich geschlossen, nur blutverkrustetes Fell erinnerte noch an die Verletzung.

      Lianna ließ den Kopf des Pferdes los und ging in die Knie, um das Bein eingehend zu untersuchen. In ihrem Gesicht zeichnete sich Staunen ab.

      »Es ist spurlos verheilt«, sagte sie.

      »Was hattest du erwartet?«, grollte er. »Einen Pfusch?«

      Sie richtete sich auf und kam zu ihm herüber, strahlend, die Arme ausgebreitet, als wolle sie ihm um den Hals fallen. Erschreckt wich er zurück. Sie schwächte die Geste ab, indem sie ihm eine Hand auf die Schulter legte.

      »Ich kann nicht ermessen, was es dich gekostet hat, das zu tun«, sagte sie. »Du aber kannst nicht ermessen, was es mir bedeutet. Ich danke dir.«

      »Schon gut«, murmelte er und entzog sich ihr rasch und mit gesenktem Blick. Seine Schulter brannte, dort, wo ihre Hand gelegen hatte, als hätte sie ihm einen glühenden Stempel aufgedrückt. Nie zuvor hatte er zugelassen, dass sie ihn berührte. Nie zuvor hatte sie Anstalten unternommen, es zu tun. Er wischte sich Regen von der Stirn und rückte seine Augenklappe zurecht. »Räum dein Zeug zusammen. Wir gehen weiter. Wir haben schon genug Zeit verloren.«

      Sie nahmen ihren Weg wieder auf, noch langsamer jetzt, um eine Wiederholung des Vorfalles zu vermeiden. Sie brachten das Geröllfeld hinter sich und gingen auf federndem, gelbem Gras weiter bergauf.

      »Was sollen wir jetzt mit dem Schwarzen machen?«, fragte Lianna schließlich.

      »Du fragst mich nach meiner Meinung?«

      »Reite nicht unnötig darauf herum. Es fällt mir schon schwer genug.«

      Weil sie, die mit dem Pferd hinter ihm ging, sein Gesicht nicht sehen konnte, gestattete er sich ein breites Lächeln.

      »Meine Meinung ist folgende. Es gibt eine kleine Menschensiedlung hier in der Nähe. Dort sollten wir ihn lassen und ihn auf dem Rückweg wieder abholen. Ein Umweg von einigen Stunden, den wir in Kauf nehmen müssen.«

      Er hörte sie seufzen. »Ich weiß nicht. Was, wenn sie nichts von Pferden verstehen und einen Fehler machen? Sie könnten ihm etwas Falsches zu fressen geben. Oder ihn in einen engen, dunklen Stall sperren. Er hasst es, wenn man ihn einsperrt ...«

      »Prinzessin«, sagte er, »du magst es nicht glauben, aber auch andere Menschen haben Pferde und wissen, wie man mit ihnen umgeht. Er wird nicht sterben, nur weil du ihn für einige Tage aus deiner Obhut gibst.«

      »Gibt es keine andere Möglichkeit?«, fragte sie zweifelnd.

      »Doch«, sagte er. »Kehre um und geh zurück ins Tal.«

      »Wie dämlich. Du erwartest nicht ernsthaft, dass ich das tue?«

      »Nein. Aber es ist deine andere Möglichkeit.«

      »Na gut«, stimmte sie schließlich zu. »Ich will wirklich nicht riskieren, dass er sich den Hals bricht.«

      Thork, durchflutet von grenzenloser Erleichterung, dass die Probleme mit dem Pferd ein Ende haben würden, nickte kurz.

      Am Abend des gleichen Tages erreichten


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