Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic

Feuerjäger: Sammelband - Susanne Pavlovic


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der nicht mehr so recht wollte, weil sie ihm jahrelang zu viel zugemutet hatte.

      Wenn das geschah, würde jemand dafür bluten. Die Feuerfrau am liebsten – falls sie Blut hatte, das man vergießen konnte – sie gab sich aber auch mit dem widerlichen Oberamtmann zufrieden. Der Gedanke, wie sie ihr Schwert in seinem hässlichen Leib versenkte, beruhigte sie ein wenig. Sie wickelte den Rest des Brotes wieder in das Tuch, zog sich in ihren Winkel zurück und versuchte zu schlafen, damit die Zeit schneller vorbei ging.

      Zu Beginn der Nachtschicht war sie hellwach und bis zum Äußersten gespannt. Sie wünschte, Pintel hätte ein wenig mehr über seine Befreiungspläne verraten. Sie hatte das Bedürfnis, sich irgendwie vorzubereiten.

      Quatsch, wie willst du dich vorbereiten? Du wirst hier in deiner Zelle sitzen, bis sie dich rausholen.

      Für eine Weile ging sie unruhig auf und ab, dann setzte sie sich in die vordere Ecke, von wo aus sie einen Teil des Ganges im Blick hatte.

      Nichts geschah. Es war eine Nacht wie die vorhergehenden auch, mit Schnarchen und Stöhnen aus den anderen Zellen und fetten Ratten, die in der vergleichsweise ruhigen Zeit hervor kamen, um ihre Beutezüge zu unternehmen. Der Wachwechsel um Mitternacht kam und ging, und nichts passierte. Kronas Erwartung schlug um in Frustration. Der Gedanke an nur einen weiteren Tag in diesem dunklen Loch war völlig unerträglich.

      Gegen Morgen war die Frustration heller Verzweiflung gewichen. Was, wenn der Befreiungsversuch fehlgeschlagen war? Wenn Pintel und Fenrir ertappt worden waren und nun in einem anderen Zellentrakt einem ähnlichen Schicksal entgegen sahen? Sie würden alle miteinander aufgehängt werden, und niemand wäre mehr übrig, der es verhindern würde. Sie hatte nichts dagegen, zu sterben, aber musste es ausgerechnet am Strick sein, öffentlich verspottet wie eine Verbrecherin? Sie hatte sich immer im Kampf sterben sehen, mit diesem Gedanken lebte man in ihrem Geschäft, man freundete sich damit an oder wechselte den Beruf. Sie nahm an, dass Pintel und Fenrir ihre gewisse Gleichgültigkeit dem Tod gegenüber nicht teilten. Sie würden nicht sterben wollen, egal ob durch Strick oder Schwert. Der Gedanke, dass sie es gewesen war, die die beiden in die ganze unglückliche Angelegenheit verwickelt hatte und somit nun ihren Tod mit verschuldete, machte sie rasend. Sie marschierte in ihrer Zelle auf und ab und schrie Odan an, doch es brachte keine Erleichterung.

      Die morgendliche Ration an hartem Brot und schleimiger, kalter Hafersuppe wurde verteilt, und im Gegensatz zu den vergangenen Tagen wurde Krona diesmal ebenfalls mit einer Schüssel bedacht, die durch eine Klappe in der Gittertür geschoben wurde. Sie trat so heftig gegen das hölzerne Gefäß, dass es durch die ganze Zelle flog und seinen Inhalt gleichmäßig über den Boden verteilte. Der Wachmann, der seine Hand gerade noch rechtzeitig durch die Klappe zurückgezogen hatte, spie einen Schwall ordinärer Beleidigungen aus, bevor er seine Arbeit wieder aufnahm.

      Krona verfluchte den Tag auf den Südlichen Inseln, an dem sie begonnen hatte, nachzudenken. Hätte sie einfach weiter ihren Dienst getan, wäre sie nun noch dort, unter einem weißen Himmel, von dem die Sonne fast senkrecht herunterbrannte, in der Festung auf dem Hügel, umgeben von dünnen, dunklen Bäumen, die in den gnadenlosen Himmel ragten wie mahnende Finger. Sie vermisste den Geruch nach Harz und trockenem Gras, die Sonnenuntergänge, ihre vertraute Gemeinschaft.

      Vielleicht hätte sie dort bleiben sollen, bis zum Ende, wie sie es geplant hatte.

      Sie nahm ihren Weg zwischen den Gitterstäben wieder auf, bis ihr schwindelig wurde. Sie war nicht in der Lage, auch nur für einen Augenblick stillzuhalten. Es musste gegen Mittag sein, als plötzlich etwas ihre Aufmerksamkeit erregte: Stimmen, eine lebhafte Diskussion am Ende des Ganges, eilige Schritte. Es unterschied sich von dem üblichen stumpfen Trott, der hier unten herrschte. Sie presste die Stirn gegen die Gitterstäbe und verrenkte den Hals, doch sie sah nichts als verzerrte Schatten auf der gegenüberliegenden Wand. Dann näherten sich Schritte. Sie wich zurück in ihre Zelle.

      Gleich darauf fuhr der Schreck ihr in die Glieder, als eine kleine Abordnung von Wachsoldaten vor ihrer Zelle Halt machte. Holte man sie erneut zum Verhör, oder hatte man ihr schon den Strick geknüpft?

      »Was wollt ihr?«, knurrte sie die Soldaten an, während eine kalte Angst ihren Magen zusammenkrampfte.

      »Ganz ruhig«, sagte der Wachsoldat, der mit dem Schlüssel in ihrem Zellenschloss hantierte. »Mach keinen Ärger jetzt, ja?«

      »Kommt ganz drauf an«, sagte Krona finster. »Wenn ihr gekommen seid, um mich aufzuhängen, werde ich Ärger machen, wie ihr noch keinen erlebt hat.«

      »Niemand will dich aufhängen«, sagte eine neue Stimme. »Zumindest jetzt nicht mehr.« Eine weitere Gestalt trat in ihr Blickfeld. Es war ein in edles Tuch gekleideter Zwerg. Ein makelloser Umhang umschmeichelte seine Schultern, und sein Bart war sorgfältig geflochten. Mit seinen blütenweißen Manschetten und blank polierten Stiefeln wirkte er in der trüben, dreckigen Umgebung wie ein Besucher aus einer anderen Welt.

      »Ich verstehe nicht ganz«, sagte Krona.

      Der Wachmann, der endlich das Gitter aufgesperrt hatte, zog geräuschvoll die Nase hoch und spie den Inhalt klatschend auf den Zellenboden.

      »Die lassen dich laufen«, sagte er verächtlich. »Ich hätte dich ja lieber hängen sehen, Hurentochter.«

      »He, he, he«, sagte der Zwerg, und ein gefährlicher Unterton lag plötzlich in seiner freundlichen Stimme. »Bisschen höflicher der Dame gegenüber, wenn ich bitten darf.«

      »Sie lassen mich laufen?«, wiederholte Krona ungläubig.

      »Deine Schuld ist schließlich nicht erwiesen«, sagte der Zwerg.

      »Ich hatte bisher nicht den Eindruck, dass die das stört«, sagte Krona misstrauisch.

      »Überzeugungen können sich ändern«, sagte der Zwerg. »Und nun komm schon. Wir wollen doch keinen Augenblick länger als irgend nötig hier unten bleiben, oder?«

      Zögernd trat Krona hinaus auf den Gang. Nichts passierte. Niemand schlug sie oder versuchte, ihr Fesseln anzulegen. Sie machte einige Schritte. Neben ihr rüttelte Odan an seinen Gitterstäben und gab einen Schwall unverständlicher Worte von sich. Der Wachmann hinter ihr stieß sie in den Rücken, um sie zu schnellerer Bewegung zu ermuntern. Für einen Augenblick war sie versucht, sich umzudrehen und ihm zu geben, was er verdiente, doch es gelang ihr, sich zu beherrschen.

      Sie brauchte bis zur Treppe, dann hatte sie sich an den unerwarteten Gang der Dinge angepasst.

      »Momentchen«, sagte sie. »Ich bin frei, ja? Dann hätte ich gerne meine Sachen wieder.«

      »Was für Sachen?«, knurrte der Wachmann.

      »Mein Schwert«, zählte sie auf. »Meinen Mantel. Meinen Rucksack mit allem, was drin war.«

      »Die Sachen sind konfisziert«, sagte der Wachmann.

      »Dann sorgt Ihr besser dafür, dass sie freigegeben werden«, sagte der Zwerg freundlich und blieb vor der letzten Gitterschleuse stehen. »Das heißt, wenn Ihr Euren Posten behalten wollt.«

      »Blast Euch nicht auf, Zwerg«, knurrte der Wachmann. »Ihr habt hier unten nichts zu melden.«

      »Wollt Ihr das wirklich ausprobieren?«, fragte der Zwerg und hatte wieder diesen gefährlichen Unterton in der Stimme. Für einen Augenblick maßen sie sich mit Blicken, dann wandte der Wachmann sich ab und spie erneut auf den Boden.

      »Will sehen, was sich machen lässt«, murmelte er.

      »Sehr freundlich«, sagte der Zwerg mit kaltem Lächeln.

      Das Gitter vor ihnen schwang auf, und sie betraten die Treppe und stiegen hinauf. Mit jeder Stufe wurde die Luft frischer, und das Atmen fiel leichter.

      Es regnete, als sie den Innenhof betraten. Wie eine Verdurstende ließ Krona die kühle Luft in ihre Lungen strömen, während sie die Augen zusammenkniff, um sie vor dem Tageslicht zu schützen, das ihr grell vorkam.

      »Wartet hier«, wies der Wachmann sie unwirsch an und verschwand in dem Verwaltungsgebäude.

      »Versteh mich


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