Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic

Feuerjäger: Sammelband - Susanne Pavlovic


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will aber nicht«, sagte Nardon frustriert.

      »Und nun ist die Frage, woran das liegt«, sagte Lomir mit vollem Mund. »Liegt es daran, dass wir Zwerge sind und dies eine Stadt voller merkwürdiger Menschen ist? Liegt es daran, dass man diese Frau für besonders gefährlich hält? Ist es vielleicht tatsächlich eine prinzipielle Entscheidung?«

      »Spätestens, wenn sie ihr den Prozess machen, müssen sie sie rausholen«, sagte Nardon.

      »Aber wir werden bei dieser Gelegenheit wohl kaum mit ihr sprechen können, geschweige denn uns einen Eindruck von ihrer Identität verschaffen«, wandte Lomir ein.

      »Ich glaube nach wie vor nicht daran, dass sie unsere Valdar sein soll.«

      »Umso schlimmer. Das heißt, da sitzt eine Unschuldige. Zumindest nicht dieses Verbrechens schuldig. Meinst du nicht, wir sollten uns darum kümmern?«

      »Willst du diesen Käse eigentlich alleine essen?«

      »Natürlich nicht.« Lomir reichte Nardon den Käse.

      »Ich weiß es nicht«, sagte Nardon eine halbe Brotscheibe später. »Wie weit reicht unsere Verantwortung? Sollten wir uns nicht auf unsere eigentliche Aufgabe konzentrieren? Justizirrtümer sind bedauerlich, kommen aber immer wieder vor.«

      »Und enden für die Opfer in der Regel tödlich.«

      »Du darfst nicht glauben, dass mir das gleichgültig wäre. Ich will nur vermeiden, dass wir uns in nebensächlichen Angelegenheiten verstricken und die Hauptsache aus dem Blick verlieren. Denk daran: Sie ist uns voraus. Sie mag den Brand verursacht haben oder nicht, sie mag etwas mit diesen Fremden zu schaffen haben oder nicht, sie ist jedenfalls auf der Jagd nach dem nächsten Schädel. Und im Augenblick haben wir sie aus den Augen verloren.«

      »Nicht für lange«, sagte Lomir mit schwachem Grinsen. »Wir müssen nur der Kette von Großbränden folgen, die ihren Weg säumen.«

      Etwas berührte ihn an der Schulter und kullerte neben ihm auf die Stufen des Brunnens.

      »Entschuldigung«, sagte eine helle, fröhliche Stimme. Eine kleine Hand streckte sich aus und klaubte den aus bunten Lederstücken zusammengenähten Ball von den Stufen. »Ich übe noch, müsst Ihr wissen.«

      Die Zwerge sahen zu der kleinen Person, die wie aus dem Boden gewachsen vor ihnen stand, ein schmächtiges Kerlchen mit riesigen blauen Augen, auffallend abstehenden Ohren und einem blonden Schopf, der aussah, als sei er in eine Windhose geraten.

      »Euch hab ich doch gerade schon gesehen«, sagte Lomir überrascht. »Drüben, am Eingang zum Stadtgefängnis.«

      »Ich habe versucht, die Wachleute zu unterhalten«, erklärte der Kleine geschwind. »Sie sind oft sehr gelangweilt und dankbar um jede Abwechslung. Ist ja auch nachvollziehbar. Stellt Euch vor, Ihr müsstet acht Stunden lang an einer Tür stehen und auf eine schmutzige Gasse starren und Eure einzige Abwechslung wären die Ratten, die den Müll durchsuchen. Leider ist es mir aber nicht gelungen. Die Wachen zu unterhalten, meine ich. Das heißt, sie hatten möglicherweise ihre Unterhaltung, als sie mich vertrieben, aber ich hatte keine Bezahlung, und deshalb zähle ich es nicht. Ich bin aber auch noch nicht sehr gut darin.« Er wedelte mit den Händen, in denen er drei weitere bunte Lederbälle hielt. »Es sieht so leicht aus, aber es ist wirklich schwer.« Wie zum Beweis begann er, die Bälle in die Luft zu werfen, und vollführte eine Reihe ulkiger Sprünge und windmühlenhafter Armbewegungen in dem Bemühen, die Bälle alle gleichzeitig in der Luft zu halten. Als alle bis auf einen letzten zu Boden gefallen waren, hielt er schnaufend inne. »Seht Ihr«, sagte er.

      »Vielleicht solltet Ihr Euch jemanden suchen, der sich mit so etwas auskennt«, sagte Lomir.

      »Ja«, sagte der Kleine. »Gute Idee. Ihr kennt Euch nicht zufällig damit aus?«

      »Sehe ich so aus?«

      »Man weiß nie, welche verborgenen Fähigkeiten in einer Person schlummern«, sagte der Kleine und wirkte plötzlich sehr altklug.

      »Hört mal zu, Freund«, sagte Lomir. »Wir sind mitten in wichtigen Geschäften. Also übt Eure Kunststückchen gerne weiter, aber tut es nicht hier, verstanden?«

      »Es tut mir leid«, sagte der Kleine geknickt. »Ich wollte Euch nicht stören. Wirklich nicht. Es war ein Versehen. Ich bin immer so ungeschickt. Ich habe ein Talent, immer zur Unzeit zu kommen. Wie ein Schnupfen. Es ist deprimierend, wirklich. Nun, ich wünsche Euch noch viel Erfolg bei Euren Geschäften. Halmesholm ist ja berühmt für seine Geschäftsmöglichkeiten, und Ihr Zwerge seid ja sehr erfolgreiche Geschäftsleute, wie man hört … Ist gut! Ist gut! Ich bin schon weg! Einen schönen Tag noch!«

      »Was für ein Spinner.« Kopfschüttelnd sah Lomir dem kleinen Jongleur hinterher, wie er sich eilig entfernte.

      »Suchen wir uns einen weniger öffentlichen Ort für unsere Beratung«, schlug Nardon vor. »Wer weiß, was sich hier noch herumtreibt.«

      Sie packten die Reste ihres Mittagessens zusammen und verlegten sich in einen ruhigen kleinen Gasthof in einer Nebenstraße, wo sie auch ein Zimmer für die Nacht nahmen. Dann verabschiedete Lomir sich, um einige Bekannte aus alten Tagen aufzusuchen, wie er es nannte; er versicherte glaubhaft, dass es sich nicht um Zwerginnen, sondern vielmehr um städtische Beamte handelte, die er, wenn möglich, in den Dienst der Sache stellen wollte. Nardon füllte die Stunden bis zum Abend damit, Erkundigungen über die Familie Markholt einzuholen, die zu seinem Bedauern sämtlich harmlos bis nichtssagend ausfielen und ihn keinen Deut weiter brachten.

      »Das Einzige, wodurch diese Familie auffiel, war ihr wirtschaftlicher Erfolg«, berichtete er niedergeschlagen, als Lomir von seinem Ausflug zurückgekehrt war. »Mandor Markholt hat in seiner Jugend wohl einige Reisen unternommen, aber niemand weiß so genau, wo er unterwegs war. Die letzten fünfzehn oder zwanzig Jahre hat er überwiegend in der Stadt verbracht, und weiter zurück reicht das Gedächtnis dieser Menschen nicht. Er hatte sich auf den Tuchhandel mit Zentallo spezialisiert und hat damit wohl großes Geld gemacht. Seine Erbin, Jerina, war wohl noch ein halbes Kind. Keine zwanzig, was selbst bei Menschen gerade volljährig ist. Es ist nicht bekannt, ob er weitere Angehörige hatte. Er war wohl nie verheiratet, empfing aber immer wieder fremdländisch aussehenden Besuch – das ist zumindest, was die Nachbarn sagen.«

      »Und wie hilft uns das jetzt weiter?«, fragte Lomir.

      »Tut es nicht«, sagte Nardon seufzend. »Es vervollständigt das Bild, mehr nicht.«

      »Dann wird es dich trösten, dass ich zumindest ein wenig erfolgreich war«, sagte Lomir. »Erfreulicherweise waren meine Kontaktleute in den letzten Jahren nicht untätig und haben sich einflussreiche Positionen in dieser Stadt erarbeitet. Und sie haben mich in lebhafter Erinnerung behalten.«

      »Dürfen wir die Gefangene sehen?«, fragte Nardon.

      »Langsam«, bremste Lomir. »Nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun. Ich habe heute Nachmittag einige Leute getroffen, mich viel über das Wetter und die wirtschaftliche Lage unterhalten, einen Haufen Schwarztee getrunken und nebenbei den Bedarf an einem vernünftigen Lebensmittelgeschäft in der Stadt geweckt … Stell dir vor, zweimal die Woche ist Markttag und zwischendurch haben die hier nichts zu essen! Da muss doch …«

      »Lomir«, sagte Nardon gequält. »Bitte nicht!«

      »Was du immer hast«, sagte Lomir verletzt. »Aber wenn du nur das Ergebnis hören willst, es lautet folgendermaßen: Ich habe mich bei einigen wichtigen Leuten in Erinnerung gebracht und die alten Kontakte wieder belebt. In einigen Tagen werde ich in der Lage sein, einen Besuch zu erwirken.«

      »In einigen Tagen? Geht das nicht schneller?«

      »Nicht ohne Misstrauen zu erregen.«

      »Dann sollten wir uns überlegen, ob es die Sache wert ist. Zeit ist das Kostbarste, was wir im Augenblick haben.«

      »Wir haben aber auch keinen anderen Ansatzpunkt«, erinnerte Lomir ihn. »Selbst wenn wir jetzt sofort die Stadt verlassen, wüsste ich nicht, mit welchem Ziel.«

      »Wir haben noch das Lagerhaus«,


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