Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic

Feuerjäger: Sammelband - Susanne Pavlovic


Скачать книгу
mal«, sagte Lomir. »Was, wenn nicht? Sagtest du nicht, die Feuerfrau könne ihre Gestalt verändern?«

      »Sie haben die Falsche, weil wir nichts über einen Großbrand im örtlichen Gefängnis gehört haben«, erklärte Nardon. »Du glaubst doch nicht, dass eine Valdar, und sei sie noch so schwach, sich in einem Menschengefängnis einsperren lässt, wenn sie noch bessere Pläne für den Tag hat.«

      »Ich glaube gar nichts«, sagte Lomir. »Ich habe keine Ahnung von der Materie. Ich weiß nur eines.« Er seufzte sehnsüchtig. »Ich liebe Frauen in Stiefeln. In nichts als Stiefeln, wenn du mich verstehst.«

      »Du verkennst den Ernst der Lage«, tadelte Nardon. »Wir haben eine Menge zu erledigen. Wir müssen uns die Brandstelle ansehen und so viel wie möglich über diese Fremden herausfinden - und über die unglücklichen Markholts.«

      »Ich hab ja auch nicht gesagt, dass ich mir jetzt sofort eine Frau mit Stiefeln suchen will. Denk nicht immer gleich das Schlimmste. Zwerginnen sind ohnehin dünn gesät in dieser Gegend, wie es den Anschein hat.«

      »Wofür ich den Göttern danke, denn so steigen meine Chancen, diese Ermittlungen zum Abschluss zu bringen, ehe die ganze Insel brennt.«

      »Wie gemein«, sagte Lomir nicht sonderlich eingeschnappt. »Also, wohin nun, Herr Ermittler?«

      »Brandstelle«, sagte Nardon seufzend. »Bringen wir das hinter uns.«

      Sie hatten es nicht schwer, das ehemalige Markholt-Anwesen zu finden, wenngleich sie misstrauische Blicke ernteten, wann immer sie sich nach dem Weg erkundigten. Dort angekommen erwartete sie eine Überraschung: Auf dem mit schwarzer Asche überzogenen Grundstück herrschte reger Betrieb. Ein Trupp von Männern mit Äxten war dabei, die verkohlten Stümpfe der Bäume im ehemaligen Vorgarten zu fällen, während andere Mauerreste einbrachen und die geborstenen Steine auf Karren verluden. In der Ruine des Anwesens waren weitere Männer damit beschäftigt, die Reste des Dachstuhles in transportable Stücke zu zersägen. Alle Arbeiter waren mit Asche verschmiert und sahen mehr als nur ein wenig übellaunig aus.

      »Seid gegrüßt«, sprach Nardon einen dickleibigen Mann an, der am Rand des Grundstücks stand und mit großen Pergamentrollen hantierte.

      Er war der Einzige, dessen Kleidung kaum Spuren von Asche aufwies. In dicken Tropfen perlte der Nieselregen von seiner Glatze und versickerte in einem schmutzig braunen Haarkranz. Er sah von seinen Pergamentrollen auf und musterte Nardon etwas kurzsichtig.

      »Oh«, sagte er. »Haltet das, bitte.«

      Bereitwillig nahm Nardon die lederne Hülle, die der Mann unter den Arm geklemmt hatte, und hielt sie ihm so hin, dass er die feuchten Pergamentrollen darin verstauen konnte.

      »Kenne ich Euch?«, fragte der Mann, noch im Kampf mit den sperrigen Rollen.

      »Noch nicht«, sagte Nardon. »Mein Name ist Nardon Haltir. Ich ermittle in einem Brandfall, der diesem sehr ähnelt, und möchte zu diesem Zweck mehr über diesen hier erfahren. Ich sehe aber, zumindest die Untersuchung des Tatortes wird nicht mehr viel erbringen.«

      »Wir mussten etwas unternehmen«, erklärte der glatzköpfige Mann schnaufend. »Die Anwohner haben sich beschwert. Der Wind trieb die Asche gegen ihre Häuser und beschmutzte die Fassaden. Das war, bevor es zu regnen begann, versteht sich. Überdies, niemand will sich täglich beim Blick aus dem Fenster eine so traurige Ruine ansehen. Verschandelt ja auch das Stadtbild, keine Frage.«

      »Wer ist zuständig?«, fragte Nardon. »Gibt es weitere Erben?«

      »Die Stadtkämmerei.« Der Glatzkopf fummelte am Verschluss der ledernen Hülle. »Es ist eine Suche nach weiteren Verwandten veranlasst, die als Erben eingesetzt werden könnten. Bis dahin obliegt die Nachlassverwaltung der Stadtkämmerei.«

      »Sieht aus, als sei nicht mehr viel übrig, um es zu erben«, sagte Lomir und machte ein unbedarftes Gesicht.

      »Hier nicht«, bestätigte der Glatzkopf. »Außer dem Grundstück, das ja an sich einen gewissen Wert darstellt. Glücklicherweise aber ist Markholts Lagerhaus unten am Hafen nicht abgebrannt. Die Stadt kann aus dem Warenbestand ihre Aufwendungen vorläufig decken.«

      »Sehr vernünftig. Warum den Bürger zur Kasse bitten, wenn man andere Quellen öffnen kann.«

      »Wir hörten, es gebe eine Tatverdächtige«, sagte Nardon. »Wisst Ihr Genaueres?«

      »Sie sitzt im Stadtgefängnis und wartet auf ihren Prozess«, sagte der Glatzkopf. »Wie ich hörte, ist sie kein unbeschriebenes Blatt. Hat schon einige andere Verbrechen auf ihrer Liste. Körperverletzung, Unruhestiftung, Diebstahl, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Beamtenbeleidigung …«

      »Meine Güte«, sagte Lomir. »Dann ist es Zeit, dass sie von der Straße kommt, was?«

      »Ja«, sagte der Glatzkopf. »Leute wie diese können wir wirklich nicht brauchen in unserer Stadt.«

      »Wisst Ihr, ob sie Komplizen hatte?«, fragte Nardon, der sich erbarmte und dem Glatzkopf mit den Verschlüssen seiner Lederhülle half.

      »Ist mir nicht bekannt«, sagte der Glatzkopf. »Eingesperrt haben sie, soweit ich weiß, nur diese eine.«

      »Habt vielen Dank«, sagte Nardon. »Ihr habt uns wirklich weiter geholfen. Wie ist Euer werter Name?«

      »Stützel«, sagte der Glatzkopf. »Silum Stützel, Beauftragter des Stadtbauamtes.«

      »Wenn es gestattet ist, werden wir Euch aufsuchen, falls wir weitere Fragen haben«, sagte Nardon.

      »Sofern es meine Zeit zulässt, gerne«, sagte der Glatzkopf mit einem plötzlichen Gebaren von Wichtigkeit, das Nardon zum Lachen reizte.

      »Natürlich«, sagte er und schaffte es, ernst zu bleiben. »Ich wünsche Euch noch einen erfolgreichen Tag.«

      »Lagerhäuser«, sagte er zu Lomir, als sie in die Seitenstraße einbogen, die sie wieder zur Stadtmitte bringen sollte. »Setz es auf die Liste der Halmesholmer Sehenswürdigkeiten, die wir aufsuchen werden.«

      »Zuerst würde ich mir gerne diese Tatverdächtige ansehen«, sagte Lomir. »Das heißt, falls sie hier ein Gefängnis mit Besuchsmöglichkeiten haben.«

      »Ist gut«, sagte Nardon. »Die Reihenfolge ist mir egal.«

      Drei Stunden später waren die Zwerge in ihrem Tatendrang gehörig gebremst. Zumindest hatte es aufgehört zu regnen, als sie auf den Stufen des Marktbrunnens Platz nahmen, um sich ein verspätetes Mittagessen zu genehmigen.

      »Das gibt es doch nicht«, sagte Lomir zum wiederholten Mal und zog seinen Dolch, um dicke Stücke von dem Brotlaib abzusäbeln, den sie in der Bäckerei gegenüber erstanden hatten. »Alle Beamten sind bestechlich. Ich habe es noch nie zuvor erlebt, dass sich einer nicht bestechen ließ.«

      »Bis heute«, sagte Nardon und nahm ein Stück Brot entgegen. »Diese sind offenbar von hoher Moral. Kaum zu glauben, in einer solchen Stadt.«

      »Vielleicht haben wir nicht genug geboten.«

      »Unsere finanziellen Mittel sind endlich«, betonte Nardon.

      »Wahrscheinlicher ist, dass wir es an der falschen Stelle versucht haben«, grübelte Lomir weiter. »Diese kleinen Gefängniswärter haben zu viel Angst vor ihren Vorgesetzten und vertrauen sich untereinander ebenso wenig. Wir sollten versuchen, einen der Entscheider zu bestechen, der dann die Weisung gibt, dass man uns vorlässt. Wo hast du den Käse?«

      »Hier.« Nardon reichte Lomir ein in feuchtes Tuch gewickeltes Päckchen.

      »Könnte es nicht sein, dass sie es einfach nicht tun?«, fragte er, während Lomir den Käse zerteilte. »Sie lassen keine Besucher in diesen Teil des Gefängnisses. Es ist eine Sicherheitsfrage, wie du gehört hast.«

      »Das ist ein Vorwand«, sagte Lomir voller Überzeugung. »Sie sitzt in der Abteilung für Härtefälle. Die Gefangenen werden sich darin wohl kaum frei bewegen, so dass die Gefahr bestünde, dass sie einfach davonlaufen, wenn man die Tür


Скачать книгу