Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic

Feuerjäger: Sammelband - Susanne Pavlovic


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zum Verständnis - was wäre denn so schlimm an einem solchen Tor?«

      »Je nachdem, wohin das Tor geöffnet würde, könnte das unterschiedliche Folgen haben. Viele Ebenen sind von Unwesen bewohnt, die untereinander Krieg führen. Die wären nur zu glücklich, ein neues Schlachtfeld für ihre Kämpfe zu finden. Dann gibt es noch die Ebenen der Verbannten. Seelen, Geister oder Ähnliches, auf denen ein Fluch liegt. Die würden die Gelegenheit, hierher zu kommen und sich zu rächen, sicher nicht ungenutzt verstreichen lassen. Und jede Menge Ebenen, die sich unserem Verständnis völlig entziehen. Wir würden vielleicht gar nicht begreifen, welches Übel von dort zu uns hinüberschwappt ...«

      »In Ordnung. Ich habe verstanden. Es klingt wirklich, als würden wir es besser verhindern.«

      »Dir muss allerdings klar sein, dass unsere Chancen nicht sehr gut stehen. Sich mit einem Elementarwesen anzulegen, grenzt an Irrsinn.«

      »Du kennst mich«, sagte Lomir mit einem Grinsen. »Ich bin ein Spezialist für Unmögliches.«

      Nardon lächelte schwach. Der Optimismus seines Freundes tröstete ihn, wenn er auch nicht wirklich auf ihn übergriff.

      »Hast du noch Kontakt zu den anderen?«, fragte er.

      »Aus der Shakh-Unternehmung?«, fragte Lomir. »Nein, und zum Teil bin ich auch nicht traurig deshalb. Hatan ist nach Zentallo zurückgekehrt, das ist zumindest das Letzte, was ich über ihn hörte. Glander habe ich vor drei Jahren in Dalen getroffen, ich weiß nicht, wo er jetzt ist. Nun, und unsere langfingrige Diebin sitzt vermutlich irgendwo hinter Gittern.«

      »Schade. Ich hatte gehofft, zumindest Glander …«

      »Tut mir leid. Aber mach dir nichts draus. Eine Reise nach Halmesholm und ein bisschen Recherche meistern wir auch zu zweit. Und sollte die Aufgabe größer werden, finden sich auch neue Mitstreiter.«

      »Das heißt also, du wirst mir helfen?«

      »Soll das ein Witz sein? Daran wirst du doch wohl keinen Augenblick gezweifelt haben, oder?«

      »Na ja ... Jetzt, wo du ein erfolgreicher Geschäftsmann bist …«

      »Kein Wort mehr«, drohte Lomir, »sonst müsste ich mich in meiner Ehre verletzt fühlen und dir etwas Schreckliches antun. Dir zumindest diesen Schinken wegnehmen, den du in aller Ruhe verspeist, während du solche Unterstellungen von dir gibst!«

      »Entschuldige, Lomir. So war’s nicht gemeint.«

      »Gib mir ein paar Stunden«, sagte Lomir besänftigt. »Ich muss Regar benachrichtigen, ein paar Sachen packen, meinen Stellvertreter einweisen, die Nachbarin bitten, auf mein Haus aufzupassen … mich außerdem von ihr verabschieden …« Ein breites Grinsen erschien auf seinem Gesicht. »Gib mir vielleicht lieber den Rest des Tages. Gerade das Verabschieden könnte länger dauern.«

      »Es gibt doch Dinge, die ändern sich nie«, sagte Nardon kopfschüttelnd.

      »Und das ist auch gut so«, bestätigte Lomir, immer noch grinsend. »Ruh dich einstweilen aus und fühle dich wie zu Hause. Morgen brechen wir in aller Frühe auf.«

      In Lomirs komfortabel eingerichtetem Gästezimmer verbrachte Nardon eine äußerst angenehme Nacht, die fast zu lange andauerte, wie er feststellte, als er zum Frühstück herunter kam und Lomir marschbereit, quasi auf gepackten Taschen sitzend, vorfand.

      »Guten Morgen«, sagte Nardon. »Bin ich zu spät? Du hättest mich wecken können.«

      »Nur keine Eile«, sagte Lomir. »Wir sind gut in der Zeit. Ich hatte ohnehin noch dies und jenes zu erledigen.« Nardon folgte dem Blick seines Freundes bis hin zu einer jungen, blonden Zwergin, die am Tisch saß und offenbar soeben ihr Frühstück beendet hatte.

      »Das ist Daria«, sagte Lomir und hatte wieder dieses breite Grinsen. »Meine, äh … Nachbarin.«

      »Guten Morgen«, sagte Nardon förmlich.

      »Guten Morgen!« Daria schenkte Nardon ein herzliches Lächeln. »Ihr seid der Gelehrte? Lomir hat schon viel von Euch erzählt. Tee?«

      »Ähem … Ja. Bitte. Danke.«

      »Setzt Euch.« Daria machte eine entsprechende Handbewegung. Nardon kam der Aufforderung nach und nahm eine Tasse in Empfang, aus der es dampfte.

      »Ich habe mir zwischenzeitlich einmal die Wegstrecke angesehen«, sagte Lomir und entrollte ein abgegriffenes Stück Pergament, das eine Karte der Insel Bergen trug. »Viele Möglichkeiten haben wir nicht. Wir werden bis Wiesenheim die von dir so hoch gelobte Königsstraße benutzen, und dann hier auf dieser kleinen Straße«, – er deutete mit dem Finger – »direkt von Wiesenheim nach Halmesholm gehen. Die Königsstraße ist nicht so viel besser, als dass wir dafür den Umweg über Dalen in Kauf nehmen müssten. Ich rechne nicht mehr als zehn Tagesreisen für die gesamte Strecke – das heißt, wenn du nicht zu viel von deiner früheren Form verloren hast«, fügte er grinsend hinzu.

      »Meine Form hat sich auf dem Weg hierher zur Genüge aufgefrischt«, erwiderte Nardon ungerührt. »Dich allerdings hole ich direkt aus einem sehr bequemen Sessel. Wir werden sehen, wer zuerst Probleme mit der Form entwickelt.«

      »Keine Sorge«, sagte Lomir, immer noch grinsend. »Ich hatte mein regelmäßiges Training.«

      Nardon tauchte unter den vielsagenden Blicken weg, die Lomir mit Daria wechselte, indem er sich über die Karte beugte.

      »Was ist das?«, fragte er und deutete auf einen von mehreren roten Punkten, die in die Karte eingetragen waren. »Hat das etwas mit deinen Niederlassungen zu tun?«

      »Ja«, sagte Lomir stolz. »Das sind alle Lebensmittelgeschäfte, die bisher eröffnet haben. Und hier, die Kringel, sind Standorte in Arbeit. Sie warten nur darauf, dass ich einen roten Punkt daraus mache.«

      »Und was machst du mit dem roten Punkt, wenn eine deiner Niederlassungen wieder schließen muss?«

      »Die schließen nicht«, sagte Lomir empört. »Das ist ein konkurrenzloses Erfolgskonzept. Schließen! Pah! In hundert Jahren vielleicht, aber bis dahin habe ich eine neue Karte.«

      »Na schön.« Nardon leerte seine Tasse. »Vielleicht sollten wir trotzdem aufbrechen.«

      »Aber du hast noch gar nichts gegessen!«

      »Kann ich unterwegs.« Nardon griff sich eine Scheibe Brot und einen Apfel und erhob sich. »Komm schon. Mich treibt es auf die Straße.«

      »Schon gut«, sagte Lomir. »Von mir aus können wir sofort los. Wie sieht es übrigens bei dir mit Bewaffnung aus? Ich sehe so gar nichts.«

      »Ich habe meinen Dolch«, sagte Nardon und zeigte auf seinen Gürtel.

      »Das ist keine Waffe. Ein Essmesser, höchstens.«

      »Und meine Armbrust. Ich habe versucht, die letzten Jahre über im Training zu bleiben. Ich würde sagen, meine Trefferquote ist ganz gut.«

      »Wenn du meinst, dass es eine gute Klinge ersetzt …«

      »Und ich habe dich, nicht zu vergessen«, sagte Nardon mit einem Lächeln.

      »Klar«, sagte Lomir und grinste. »Zu irgendetwas muss ich ja gut sein.«

      Sofort erwies sich als dehnbarer Begriff, wie Nardon feststellen musste, während er im Vorgarten wartete, bis Lomir sich von Daria verabschiedet hatte, doch dann waren sie endlich unterwegs. Sie verließen Neuhafen und bogen auf die Königsstraße ein, die sie zwischen satt braunen, umgebrochenen Feldern und Hainen von Obstbäumen, deren Früchte die Straße sprenkelten, südwärts führte. Sie kamen gut voran, das Wetter war kühl, aber trocken, genau richtig, um eine lange Wegstrecke zurückzulegen. Nardons Sorge um Lomirs Form erwies sich als unbegründet, denn obwohl er sein altes Kettenhemd unter dem Mantel trug und sich seine mächtige Streitaxt zu seinem Rucksack auf den Rücken geschnallt hatte, zeigte er keine Anzeichen von Ermüdung.

      Nach einigen Stunden wurde das Ackerland weniger und wich weiten, hügeligen Wiesen, die hoch standen und schon die


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