Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic

Feuerjäger: Sammelband - Susanne Pavlovic


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      »Selbstverständlich«, sagte Lomir. »Eine gemeinsame Schlägerei verbindet ungemein.«

      »Dann hast du also eine Ernte gekauft, die noch nicht einmal gewachsen ist, für einen Lebensmittelladen, der noch nicht einmal gebaut ist«, fasste Nardon zusammen.

      »Vorausschauendes Handeln ist der halbe Erfolg in dem Geschäft«, erklärte Lomir, der den Kampf gegen seine Stiefel endlich gewonnen hatte und mühsam seinen Rucksack auf den Rücken wuchtete. »Außerdem, um genau zu sein, habe ich nicht die Ernte gekauft, sondern eine Option auf den Erwerb der Ernte.«

      »Tu’s nicht«, sagte Nardon kopfschüttelnd. »Erkläre es mir nicht. Ich will den Unterschied gar nicht wissen.«

      »Der Unterschied ist, das eine ist klug, das andere nicht«, sagte Lomir und grinste schon wieder. »Das versteht sogar jemand, der so wenig Geschäftssinn hat wie du. Und jetzt lass uns endlich aufbrechen.«

      »Endlich?!«, beklagte sich Nardon, während er die Zimmertür hinter sich zuzog. »Seit Stunden bin ich bereits wach, habe das Zimmer bezahlt und unsere Ausrüstung in Ordnung gebracht und warte nur darauf, dass du aus dem Bett kriechst, und du sagst endlich zu mir?!«

      »Frech, nicht?«, sagte Lomir und ging fröhlich pfeifend die Treppe zur Gaststube hinunter.

      Fünf Tage später erreichten sie nach mühsamer Reise über schlechte Straßen endlich Halmesholm. Es war gegen Mittag, und seit dem frühen Morgen begleitete sie ein feiner, kalter, durchdringender Nieselregen. Wie graues, schweres Blei schwappte das Grünmeer gegen das befestigte Ufer und ließ nicht erahnen, warum es seinen Namen trug. Die Wachen am Stadttor mit ihren Hellebarden waren durchnässt und missmutig, die Federbüsche an ihren Helmen hingen traurig herunter.

      »Schönen guten Tag«, strahlte Lomir. »Was für ein scheußliches Wetter, nicht wahr?«

      »Name«, sagte die Wache links vom Tor unwirsch.

      »Lomir Feuerbeil und Nardon Haltir«, sagte Lomir mit einer höflichen kleinen Verbeugung.

      »Grund des Aufenthaltes?«

      »Wir sind hier, um einen gewissen … wie hieß er noch gleich?«

      »Mikan Markholt«, half Nardon aus.

      »… Markholt zu treffen«, vollendete Lomir seinen Satz.

      Die Wachen wechselten einen langen, vielsagenden Blick.

      »Was habt Ihr mit den Markholts zu schaffen?«, fragte die Wache.

      »Das muss ich Euch ja wohl kaum auf die Nase binden, oder?« Lomirs Ton wurde eine Spur schärfer.

      »Ist ja gut«, lenkte die Wache ein. »Verzeiht mir. Es gab nur einige höchst seltsame Vorfälle in letzter Zeit, rund um die Markholts.«

      »Tatsächlich?«

      Nardons Interesse war schlagartig geweckt. »Welche denn?«

      »Ich weiß nicht, ob ich Euch das mitteilen darf«, sagte der Wachmann zögernd.

      »Dafür haben wir vollstes Verständnis«, sagte Lomir. »Ihr seid ein Beamter dieser angesehenen Stadt und als solcher eine moralische Stütze der Gesellschaft.« Während er sprach, ergriff er die Hand des Wachmannes und drückte sie mit warmer Geste. Es klimperte leise, und der Wachmann löste sich aus Lomirs Griff und steckte die Hand in die Tasche seiner Uniform.

      »Mikan Markholt ist schon lange tot«, erklärte er mit gesenkter Stimme. »Auf völlig natürlichem Wege, was man, nebenbei bemerkt, von den anderen Markholts nicht unbedingt behaupten kann. Er war der Gründer des Markholt-Handelshauses. Mein Großvater war gut mit ihm bekannt.«

      Lomir sah Nardon an. Der hob die Schultern. »Blakkurs Informationen waren wohl nicht ganz aktuell.«

      »Mandor Markholt hättet Ihr vor einigen Wochen noch antreffen können«, fuhr der Wachmann fort, »aber leider ist auch er verstorben. War nicht mehr der Jüngste, aber ein paar Jährchen hätte er es schon noch machen können. Zunächst hielt man seinen Tod für natürlich, Herzversagen oder Ähnliches, er hatte immer gut gelebt, Ihr wisst schon, Frauen und Wein und reichlich gutes Essen …«

      »Wünsche ich mir auch als Todesursache«, grinste Lomir. »In dieser Reihenfolge.«

      »Lass den Mann weiter sprechen«, tadelte Nardon. »Wo er sich gerade ein Herz gefasst hat.«

      »Wo war ich?«, fragte der Wachmann irritiert.

      »Ihr sagtet, man hätte Mandor Markholts Tod zunächst für natürlich gehalten«, erinnerte ihn Nardon. »Wollt Ihr damit andeuten, dass man mittlerweile von dieser Einschätzung abgerückt ist?«

      »Nun ja«, sagte der Wachmann, »die seltsamen Ereignisse begannen, kaum dass er unter der Erde war. Es gab eine Erbin, Jerina Markholt. Die Tochter seines verstorbenen Bruders, die er großgezogen hatte. Die ließ sich nach Markholts Tod mit komischen Leuten ein. So mancher behauptet, diese Leute hätten auch schon Mandors Tod verschuldet. So plötzlich, wie der kam, und alles.«

      »Komische Leute?«, hakte Nardon nach.

      »Obdachlose«, verdeutlichte der Wachmann. »Von ziemlich weit her, wenn Ihr mich fragt. Ein Zauberkünstler, so erzählt man sich, und ein Waldläufer, und eine Soldatenfrau als Letztes. Ich sage Euch etwas«, kündigte er an und beugte sich zu Lomir hinunter. »Frauen sollten nicht zum Militärdienst zugelassen werden. Bringt alles nur durcheinander. Ich spreche aus Erfahrung.«

      »Eine Menge liegt im Argen in diesem Königreich, weil man zu den Entscheidungen nicht die Leute aus der Praxis befragt«, bestätigte Lomir mitfühlend.

      »Was war nun mit diesen Fremden?«, hakte Nardon nach.

      »Jerina Markholt heuerte sie an, um irgendetwas für sie zu erledigen. Am gleichen Morgen, als die Fremden die Stadt verließen, brannte das Anwesen der Markholts bis auf die Grundmauern nieder. Man sagt, Jerina sei im Feuer umgekommen, aber ihre Leiche wurde bisher nicht gefunden.«

      »Kein Wunder«, warf Nardon ein, der plötzlich blass und elend aussah. »Ein Feuer dieser Größe entwickelt genug Hitze, um einen menschlichen Körper restlos zu verbrennen.«

      »Woher wollt Ihr wissen, wie groß das Feuer gewesen ist?«, fragte der Wachmann in einem Anflug von Misstrauen.

      »Eure Formulierung bis auf die Grundmauern weckte in mir gewisse Erinnerungen«, erklärte Nardon niedergeschlagen.

      »Gibt es denn schon einen Verdächtigen?«, fragte Lomir.

      »Sie haben die Soldatin eingesperrt, als sie dreist genug war, sich noch einmal in der Stadt blicken zu lassen«, berichtete der Wachmann. »Es heißt, sie hat das Mädchen ermordet, um sich in den Besitz des Erbes zu bringen, und vielleicht auch den alten Markholt. Das Haus hat sie angezündet, um ihre Spuren zu verwischen.«

      »Ist das erwiesen?«

      »Keine Ahnung«, sagte der Wachmann kopfschüttelnd. »Ich glaube, dass sie es getan hat. Hättet Ihr sie mal gesehen, wüsstet Ihr, was ich meine. Frauen sollten nicht Stiefel und Schwerter tragen. Das führt zu nichts Gutem, wie man sieht.«

      »Was wird mit ihr geschehen?«

      »Man wird ihr den Prozess machen und sie hinrichten. Allein auf Brandstiftung steht der Strick, von ihren übrigen Verbrechen gar nicht zu reden.«

      »Ihr meint, sobald ihre Schuld erwiesen ist«, ergänzte Lomir.

      »Na, das ist ja wohl nur eine Frage der Zeit«, sagte der Wachmann voller Überzeugung. »Kann doch gar nicht anders sein.«

      »Natürlich«, sagte Lomir. »Ich danke Euch für Eure Offenheit.«

      »Immer hilfsbereit.« Der Wachmann tippte grinsend an seinen Hut.

      Von einem kalten, nassen Windstoß angeschoben, passierten die Zwerge das Außentor, dann den Mauerring und schließlich das offene Innentor.

      »Menschen!«, empörte sich Lomir. »Wie rückständig!


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