Unerfüllte Träume einer jungen Liebe. Marie-Claire de Bergér
war schockiert. Dass sie ihn nur auf die Probe stellen wollte, wusste er nicht. Darum antwortete er etwas ärgerlich: „Zweifeln Sie an meiner Ehrlichkeit? Sehe ich aus wie ein Betrüger oder wie ein Schwindler oder vielleicht gar ein Schnorrer, der sich hier nur satt essen wollte? Habe ich mein Wort gebrochen oder habe ich Ulli schlecht behandelt? Bekommen Sie jetzt Gewissensbisse, dass Sie mich eingeladen haben?“
„Sag amoal, Mariele, bist narrisch g’worden, so mit Diether zu reden oder bist du wütend, dass Urs abgehauen ist und zur Einheit zurück musste? Ja Kruzifix, halleluja, was fallt dir denn auf einmal ein, mit meinem zukünftigen Mann so zu reden! Das heißt, wenn er mich nach dieser Anschuldigung überhaupt noch will. Auch wenn ich erst sechzehn Jahre alt bin, weiß ich doch schon, ob ich mit meiner großen Liebe zusammenbleiben will oder net. Du hast wohl vergessen, dass deine liebe Freundin Pia von Hartenstein, meine Mutter, als sie so alt war wie ich jetzt, meinen Vater kennengelernt hat. Das war, so weit ich mich erinnern kann, auch Liebe auf den ersten Blick, das weiß ich von Großmama von Giebel, die mir das alles erzählt hat. Herrschaftszeiten noch amoal, dös musst nun amoal gesagt sein“, schimpfte Uschi empört. Sie stand sogar auf, platzierte sich hinter Diethers Stuhl, legte beide Hände auf seine Schultern und sagte feierlich: „Wir bleiben zusammen, gell, Dietherle, nichts wird uns trennen.“
„Es sei denn, Frau Baronin, mir passiert ein Unglück in den Bergen, dann kann ich mein Versprechen nicht einlösen, denn das ist höhere Gewalt. Mein Wort halte ich trotzdem, wir Bergsteiger haben ja einen besonderen Schutzengel, gell, Schatz“, erklärte er, nahm Ullis Hände und küsste sie zärtlich.
„Ist recht so, das wollte ich nur von euch hören. Ich war nicht besonders nett zu Ihnen, Diether, aber ich habe Sie auf die Probe stellen wollen, um herauszufinden, wie ernst Sie es mit Ursula meinen.“
Diether wurde rot. „S…Sie h…haben mich nur auf die Probe gestellt? Und ich bin darauf reingefallen, dabei hätte ich das eigentlich wissen müssen“, grinste Diether wieder versöhnt. Mariele hatte keinen Zweifel mehr an der Aufrichtigkeit von Diethers Worten.
*
Vorbereitungen fürs Fextal
Die Gräfin von Bellheim war nach Urs Abgang hinauf in ihr Zimmer gegangen. Die Auseinandersetzung mit den jungen Leuten hatte sie nicht mitbekommen, denn in ihrem Boudoir hatte sie etliche Telefonate mit ihrem Hotel geführt. Das Chalet im Fextal musste ja für vier Personen hergerichtet werden. Es konnte nicht alles in letzter Minute geschehen. Doch auf einmal verspürte sie Hungergefühle und bemerkte, dass sie noch nicht gefrühstückt hatte. So ging die Gräfin hinunter und sagte entschuldigend zu Mariele: „Ma chérie, ich wollte nur eine Tasse Kaffee trinken. Habe nur ein paar Telefongespräche geführt wegen des Chalets, es muss ja alles in Ordnung sein, wenn ihr mir die Ehre gebt, in diesem Hause zu wohnen, n’est-ce pas.“
„Fee, du bist und bleibst ein sanftes Lamm, nichts kann dich aus der Ruhe bringen“, lachte Mariele und hatte nichts als die Wahrheit gesagt.
„Oh mon dieu, was habe ich für eine große Freude, dass ihr mitkommt ins Chalet. Und vor allen Dingen können meine kleine Ulli und ihr Freund einen kleinen Urlaub verbringen“, sagte die Gräfin fröhlich. Uschi und Diether kamen von draußen herein.
„Also, ihr zwei Turteltauben, ihr packt eure Siebensachen zusammen, und wenn wir damit fertig sind, wird die Jagdhütte überall verriegelt. Den Schlüssel werde ich gut wegstecken. Zuerst werde ich Klaus Andermatten per Funk benachrichtigen“, sprach die Baronin.
Sie nahm das Funkgerät aus dem Schreibtisch und tippte die Codenummer von Andermatten ein: „Hier von Trostburg, wir verlassen heute die Berghütte. In ein paar Stunden reisen wir mit dem Jeep ins Fextal, doch vorher werden wir noch in Pontresina einkaufen. Wäre es möglich, dass Sie kurz zu uns herüberkommen, den Schuppenschlüssel mitnehmen und ihn an Urs weiterreichen?“
„Sehr wohl, Frau Botschaftsrätin, selbstverständlich, ich komme zu Ihnen und werde das Nötigste veranlassen. Salü!“
Es dauerte keine halbe Stunde und Urs Adjutant stand vor der Haustüre. „Klaus, wie Sie wissen, musste Leutnant Sutter zurück nach Bern. Aber die PKW von Herrn Marchart und mir stehen noch an der Talstation der Rigi Scheidegg Gondelbahn. Ist es möglich, dass die Autos mit dem Heli ins Fextal transportiert werden?“
„Natürlich kann man die Wagen mit einem Hubschrauber hierher fliegen, Frau Baronin.“
„Die Kosten übernehme ich. Bringe Sie bitte zuerst das Gefährt vom Freund meines Mündels und meines etwas später. Das Chalet heißt Paradiso und liegt im hintersten Teil des Tales. Wir markieren die Stelle, wo Uerli landen kann, ist das in Ordnung?“, entgegnete Mariele lächelnd und drückte Klaus dankbar die Hand. „Seid’s alle miteinander bereit und habt’s alles eingepackt?“, fragte die Baronin die drei.
„Wir sind fertig!“, ertönte es im Chor.
„Gut, Klaus, Sie können unser Gepäck in den Jeep einladen!“
„Selbstverständlich, Frau Baronin.“ Der Offizier nahm die Gepäckstücke und verstaute sie im hinteren Bereich des Geländewagens. Marie-Theres schloss die schwere Eichentüre ab und brachte den Schlüssel in den Schuppen, schloss dort ab und übergab den Schlüssel dann dem Adjutanten. Der salutierte zum Abschied und wünschte eine gute Fahrt.
Die Baronin steuerte den Landrover sicher den breiten Forstweg hinunter zur Talstation der Diavolezza-Seilbahn. Dann fuhr sie über den Berninapass herab nach Pontresina. In der Stadt angekommen lenkte Mariele den Wagen auf den Parkplatz eines Kaufhauses, um für die drei Wochen Lebensmittel einzukaufen. „Wollt ihr mitkommen, Ursula und Diether?“
„Ja, liebe Patentante, wir kommen mit, aber wir wissen, dass wir ja nur zum Tragen der Einkaufstaschen mitgenommen werden, oder?“, lachten beide verschmitzt. Diether grinste sich eins. „Du, Fee, bleibst im Wagen und rauchst eine, das verkürzt dir die Zeit ein wenig, meine Liebe. Salü!“
Die drei verschwanden ins Innere des Kaufhauses. Die Baronin hatte sich einen Zettel mitgenommen, auf dem sie alles notiert hatte, um nichts zu vergessen.
Ulli und Diether halfen beim Suchen. „So, nun haben wir alles“, erklärte Marie-Theres und ging mit den zweien zur Kasse. Alles wurde gut in den Einkaufstaschen verstaut. Fröhlich kehrten sie zum Jeep zurück.
„Oh je, Mariele, du hast das Fleisch und den Aufschnitt vergessen“, meinte Ulli.
„Nein, Ullikind, Fee besorgt uns die Wurst und das Wild vom Förster. Felicitas hat auch noch einige Wildstücke, die du und Urs bei der letzten Jagd geschossen habt.“
„Das Fleisch ist auch viel gesünder, weil es mehr Eiweiß hat, weniger Kohlehydrate und kaum Fett“, dozierte Uschi lächelnd. Dann verstauten sie alle Taschen im Wagen. Sie stiegen ein und die Patentante fragte Diether, was er für ein Lieblingsgericht hätte.
„Och, ich esse gerne Nudeln jeglicher Art, überbacken mit Haschee. Oder Kartoffelgratin mit Wildgulasch und Blaukraut. Zu Weihnachten gibt’s Rehbraten oder Ente orange, Herzogin-Kartoffeln und Feldsalat sowie Birnen mit Preiselbeeren. Ostern gibt es dann Lammkoteletts mit Feldsalat und Kroketten.“ Da fing Mariele an zu lachen, Uschi und Fee stimmten mit ein. Marie-Theres startete den Landrover, sie lachten immer noch. Nur Diether wusste nicht, warum. Er sollte es aber bald erfahren.
„Das gibt es nicht.“ Die Baronin prustete immer wieder los. „Habt ihr den gleichen Aszendenten im Sternbild oder seid ihr vielleicht zweieiige Zwillinge? Sie haben gerade die Spezialitäten aufgezählt, die Ursula am liebsten isst.“
„Jetzt wundert mich gar nichts mehr, wir mussten uns kennenlernen, das war so gewollt, Uschilein“, antwortete Diether fröhlich.
„Du sagst es, Bub, das war meine Rede, oder nicht?“, lachte Ulli erneut.
„Welches Gemüsegericht möchtet ihr gerne zur nächsten Mahlzeit haben?“
„Wir essen gerne Brokkoli oder Blumenkohl!“, riefen