Unerfüllte Träume einer jungen Liebe. Marie-Claire de Bergér
Urs begann seinen Kontrollgang im Garten erneut. Danach inspizierte er die Küche, den Vorratsraum, das Musikzimmer und ging sogar in die Kellerräume hinunter. Bei seinem Rundgang hatte er alles in Ordnung vorgefunden. Nun waren alle beruhigt und man konnte sich auf die noch kommenden Ferientage konzentrieren.
*
Vorbereitungen für den Festabend
„Liebe Fee, liebe Freundin meiner Mutz, hast du auch über meine und Diethers Garderobe nachgedacht?“
„Natürlich, meine Kleine, Diether passt in den Smoking meines ersten Mannes Alain, der hatte ungefähr seine Größe. Ich habe alles mitgebracht, du kannst die Abendkleider nacheinander anprobieren.“ Beide gingen in einen kleinen Raum, in dem die Wäsche des Chalets aufbewahrt wurde. Dort hatte die Gräfin acht Gala-Roben auf den Ständer gehängt. Sie war fleißig gewesen und hatte die noch langen Roben auf Ullis Körpergröße kürzen lassen.
„Schau mal, da ist zunächst das royalblaue Kleid, ein himmlisches Etwas, das vorzüglich zu deinen blonden Haaren passt. Hier habe ich eine smaragdgrüne Robe mit Spitzenoberteil, gleichfalls schulterfrei. Ein kleines Schwarzes mit Perlenkette, langen, weißen und schwarzen Handschuhen, das ist très chic. Auch dieses weinrote Samtkleid im Hemdenblusenstil mit Schärpe.“
„Feelein, diese hellblaue Samtbluse mit Stehbundkragen und der schwarze Seidenhosenrock sind wunderbar“, rief Ulli entzückt.
„Dieses Kleid ist was ganz Apartes: ein schwarzes, schulterfreies Abendkleid mit weißem, abgesetzten Seidenoberteil und in Biesen gelegt, sogar mit einer schwarzen Seidenrose zum Anstecken. Nun habe ich hier eine cremefarbene Seidenbluse mit Spitzenstreifen im Tunika-Stil eingefasst, die harmonisiert mit der Seidenhose“, fügte die Gräfin hinzu und lachte über Ursulas erstauntes Gesicht.
„Mein Gott, die sind ja alle so prachtvoll! Wo hast du denn auf die Schnelle all die herrlichen Gesellschaftskleider her?“, fragte Uschi erstaunt.
„Mein liebes Kind, ich war auch einmal so schlank wie du und hatte die gleiche Kleidergröße“, erklärte die Gräfin Bellheim lächelnd. „Doch wenn man älter wird und in die Vierziger kommt, schmeckt das Essen besser und jetzt habe ich leichte Speckröllchen.“
„Aber Felicitas, bei deiner Größe fallen deine gerollten Seitenlendchen gar nicht auf“, sprach Ulli gekonnt entrüstet.
„Du meinst es gut mit mir, chèrie, aber ich bin daran gewöhnt, komme ganz gut damit zurecht“, behauptete Felicitas.
„Sind wir nun fertig?“
„Ich glaube nicht, wir müssen ja noch die Reihenfolge der Abendroben bestimmen. Was für eine Robe du bei welchem Lied anziehen wirst“, bemerkte die Freundin von Ullis Mutter.
Zu jedem Kleid hatte Ulli die passende Stola und lange Abendhandschuhe und zu jedem Lied die passende Garderobe. Es klopfte und Diether trat in die Wäschekammer. Uschi hatte gerade das schulterfreie royalblaue Samtkleid anprobiert. Er erstarrte vor Staunen. „Schatz, in dem Blauen siehst du aus wie ein Engel, das schulterfreie Abendkleid mit der Seidenschärpe und der Stola … darin schaust du einfach umwerfend aus!“, freute sich Diether. In dem Augenblick war er stolz auf seinen kleinen Goldschatz.
Die Gräfin war selbst entzückt über Ursulas Aussehen. „Ich werde dir dann auch beim Make-up behilflich sein“, bemerkte sie.
Ulli probierte der Reihe nach die anderen Roben an und Diether ahnte bereits, wie sehr Uschi in diesen Abendkleidern die Gäste erfreuen würde. Verträumt schaute er sie an und seufzte: „Wie schön du aussiehst!“
„Nun Diether, du musst den Smoking auch anprobieren, damit wir wissen, ob dieser dir auch passt. Sonst müssen wir im Verleih nachfragen. Normalerweise müsste er dich kleiden, Fee meinte ja, der Anzug würde dir passen“, sprach Uschi nachdenklich zu ihm. Er zog den Abendanzug an, die beiden Damen meinten nur: „Superb!“
„Der sitzt gut und ist auch nicht zu eng. Kannst du dich darin bewegen, wenn du am Flügel sitzt und spielst?“, fragte Uschi aufmerksam.
„Alles bestens, sitzt gut und engt auch nicht ein“, meinte er schmunzelnd bei Urschels sorgenvollem Blick.
„Dann haben wir ja alles geklärt“, sagte die Gräfin erleichtert, nahm den Smoking und die dazugehörigen Dinge und begab sich in ihr Boudoir.
Diether und Ulli kleideten sich wieder um und sie fragte: „Meinst du, wir könnten nach dem Abendbrot noch etwas proben? Am besten das Schubertlied, das mir noch nicht so geläufig ist?“
„Warum nicht, je mehr wir üben, desto besser klingt es.“ Nach diesen Worten gingen sie ins Esszimmer. Marie-Theres hatte dort den Tisch für die Abendvesper gedeckt. Jetzt erst bemerkten die zwei, dass ihr Magen knurrte. Sie nahmen das Abendbrot ein und begaben sie sich wieder ins Musikzimmer. „Ihr habt’s aber eilig!“, rief die Baronin hinter ihnen her.
„Ja, liebe Patentante, wir wollen noch etwas üben.“ Und weg waren sie. Diether setzte sich an den Flügel, machte ein paar Fingerübungen und spielte einige Takte des Flohwalzers. Dann spielte er den Schubert an und Uschi sang die Melodie des Ständchens. Dazu schaute sie aufmerksamer in die Noten und merkte sich dadurch die Pausenzeichen. Dadurch verteilte sich der Text, der unter den Noten stand, und so konnte man das Lied besser interpretieren. „So Schatz, du hast jetzt den richtigen Rhythmus des Stückes gefunden. Wahrscheinlich hast du das Ständchen vorher zu langsam gesungen“, lobte Diether sie.
Es klopfte, die Gräfin erschien auf der Bildfläche und erfreute sich sofort an Ursulas Gesang. Freudig klatschte sie Beifall. „Aber warum ich euch störe, ich brauche eine Programmfolge, damit ich weiß, welches Kleid du anziehen musst.“
„Klar, Fee, ich schreibe dir den Ablauf unserer Gesangs- und Klavierdarbietungen auf. Jedes Lied, Klavierstück und Arie, was auch immer, von wem und aus welcher Oper oder Operette, ist dir das recht so?“
„Sehr gut, meine Kleine, wenn du das so für mich auf einen Zettel notierst, dann werde ich bei der Ansage vor dem Mikrofon nichts Falsches ablesen.“
„Wir werden für Ursula und die Gäste auch eine Pause einplanen, und zwar von etwa dreißig Minuten, Frau Gräfin“, betonte Diether. Und während die Gräfin kurz nach draußen entschwand, ergänzte er seine Sorge um Uschi: „Kleines, du musst nämlich an deine Stimme denken, denn die ist ja noch nicht ausgebildet. Dazwischen wirst du immer wieder leichte Stimmübungen einbauen und Flüssigkeit zu dir nehmen. Am besten wäre Champagner, der trocknet den Hals nicht aus.“
„Du sagst es, Schatz, so ein Schluck ist dann auch angebracht“, meinte Ulli schmunzelnd.
„Wäre euch in den kleinen Pausen etwas Champagner recht?“, flötete Fee, die mit einem Tablett in den Musiksalon zurückkehrte.
„Kannst du Gedanken lesen, Fee, darüber haben wir gerade gesprochen, bevor du hereinkamst“, grinste Ulli verschmitzt.
„Eine Frage noch, Frau Gräfin: Haben wir alle Noten?“, ließ Diether verlauten.
„Hier ist der Schlüssel zum Notenschrank, es sind keine Partituren vergessen worden, Diether, die sind alle dort drin.“ Mit diesen Worten überreichte Fee ihm den Schrankschlüssel.
Unterdessen hatte Diether Fee ein großes Blatt gegeben, auf dem er die bereits erwähnten Gesangsstücke notiert hatte. Felicitas warf einen Blick darauf und war begeistert über den Inhalt desselben: „Respekt, mes amies, Respekt, was ihr euch da vorgenommen habt ... Diese Werke sind bemerkenswert und ich glaube, dass der Abend für euch beide unvergesslich werden wird, ebenso für meine Gäste. Aber für Sie, lieber Diether, wird es schwierig, denn Sie haben hier Ihr Herz verloren. Ihre Seele ist halb bei Ulli und halb in Wien. Ich weiß, wovon ich spreche, oh, dieser Herzschmerz! Habe all das selbst erlebt. Wollt ihr überhaupt meine Geschichte hören?“
„Natürlich, Feelein!“, sagte Ulli leise.
„Also, mein Mann Alain war ein Künstler