Unerfüllte Träume einer jungen Liebe. Marie-Claire de Bergér
komische Wort?“, fragte Fee lachend.
„Tja, das sind Spezialausdrücke in der Schweiz, ma chère Fee, die kann man nicht übersetzen. Das heißt so viel wie: Den zweien schmeckt es immer! Hast du das verstanden?“, meinte Mariele verschmitzt.
„Ja, so ungefähr“, erwiderte die Gräfin und musste wieder lachen.
Inzwischen fuhr Marie-Theres am Silvaplaner-See entlang und bog dann an der Kreuzung bei Baselgia nach Sils-Maria ein. Noch ein kurzes Stück auf der Hauptstraße und die Waldstraße entlang, und sie wären beim Hotel Splendid der Gräfin gewesen, wenn Mariele nicht plötzlich gebremst hätte. „Felicitas, was ist das für eine schwarze Limousine bei dir am Hotel?“
„Aber Marie-Theres, du kennst das Auto deines Chefs nicht?“
„Was tut der in deinem Hotel?“
„Nun beruhige dich, der kommt nur zum Angeln her!“, erklärte die Gräfin belustigt. „Komm Mariele, du fährst jetzt auf den Parkplatz hinter dem Hotel, nun fahr los, zack, zack!“ Die Botschaftsrätin ließ den Wagen auf den Hotelparkplatz ausrollen, die Gräfin stieg als Erste aus, Mariele gab Diether einen Wink und der verließ ebenso den Landrover, um der Gräfin beim Gepäck zu helfen. Die winkte bereits dem Pagen, der nahm die Koffer und trug sie ins Haus. Sie zog Diether näher zu sich heran und flüsterte ihm zu: „In einer Stunde bin ich ebenfalls im Chalet, es ist dort alles hergerichtet. Ihr beiden habt die nebeneinanderliegenden Suiten auf der linken Seite des Flures und Mariele die auf der rechten. Sie hat auch den Schlüssel. Noch etwas, Diether, mon chèr, ich möchte für Sie und Ulli einen Abschiedsabend organisieren und Sie als Pianist gewinnen. Uschi soll für Sie singen. Aber nicht im Chalet, sondern in meine Hotel, oui, im großen Ballsaal.“
„Frau Gräfin, es ist für uns eine Ehre, wir werden ein tolles Programm aufsetzen!“, freute sich Diether, dabei küsste er der Gräfin die Hand. Ja, er wusste sich zu benehmen, der junge Mann aus Wien. Die Gräfin sah es mit Wohlwollen. Sie verabschiedete sich von ihm, winkte den andern zu und ging durch die Pendeltür in ihr Hotel hinein. Diether kehrte zum Auto zurück. „Ich soll Ihnen Folgendes berichten …“ Und er berichtete, was ihm aufgetragen worden war.
„Hast du eigentlich eine Ahnung, was sie mit dem großen Saal gemeint hat, Diether?“, fragte Mariele.
„Nein, Näheres hat sie nicht verraten.“
„Dieser Musiksaal ist fast so groß wie der Spiegelsaal des Schlosses Herrenchiemsee. Dorthin lädt sie, um den Gästen ihres Hotels eine Freude zu machen, Künstler und Stars ein. Möchtest du vor so vielen Fremden einen Abschiedsabend gestalten?“
„Um Himmels willen, nein!“, rief Diether hastig aus und zur Baronin hingewandt: „Marie-Theres, das müssen wir verhindern, tun Sie etwas für uns, ja? Wenn es nicht anders geht, nun, die Hausgäste kann ich noch verschmerzen, aber nicht dieses ganze Tamtam!“
„Ich mache das schon, versprechen kann ich nichts, aber jetzt fahren wir erst einmal los.“ Mariele startete Urs Wagen, aber es passierte nichts. Diether stieg aus und schaute nach. Vorsichtig öffnete er die Motorhaube und befestigte sie. Was er da sah, ließ ihn erblassen. Er winkte den beiden Frauen zu, damit sie ausstiegen.
Die Damen schauten ihn ganz verwundert an, denn Diether war alle Farbe aus dem Gesicht gewichen. Er konnte kaum sprechen und stotterte: „Ei…eine Bombe ist unter der Haube!“ Dann kam Leben in ihn und er schnappte sich Ulli, fasste sie um die Taille und die Baronin ebenso und lief mit ihnen in den Hoteleingang hinein, hinter die Glastüre. Da knallte es auch schon und eine Stichflamme schoss in die Luft. Geistesgegenwärtig riss der Page den Feuerlöscher im Flur von der Wand und lief damit zum Jeep. Blitzschnell drückte er aufs Ventil und richtete die Schaumspritze auf den Brand.
Vorsichtig näherte sich der junge Mann der geöffneten Haube, aus der die Flammen loderten, aber die Spritze mit dem Schaum löschte das Feuer aus. Die Bombe hatte zum Glück nicht gezündet, trotz der Flammen. Wahrscheinlich sollte sie eine Warnung sein? Die letzte? Marie-Theres zitterte am ganzen Körper. Sie ließ sich im Foyer des Hotels in einen Sessel sinken. Die Baronin war schreckensbleich und die Tränen liefen ihr übers Gesicht. Aufgeregt kam Fee angelaufen und fragte besorgt: „Seid ihr verletzt?“
„Nein, Liebes. Fee, ich muss Urs benachrichtigen!“ Die Gräfin nahm ihre Freundin, deren Mündel und Ullis Freund mit an die Rezeption und meldete ein Gespräch zur Deutschen Botschaft nach Bern an. Uschi und ihr Freund Diether waren ebenfalls blass.
„Uschilein, ist das mit deiner Familie immer so aufregend oder hat das dieses Mal etwas mit Urs zu tun?“
„Ich glaube, ja! Oh mein Gott, meine Beine zittern. Diether, halte mich nur fest!“
Es verging ungefähr eine Viertelstunde, dann kam Mariele zu ihnen und teilte den beiden mit: „Der Heli ist in fünfundzwanzig Minuten hier und bringt uns ins Fextal.“
*
Der Flug ins Fextal
Es dauerte ungefähr eine halbe Stunde, bis sie den Helikopter hörten. Uerli setzte mit dem Hubschrauber auf den Parkplatz auf. Er stieg in gebückter Haltung aus dem Heli und lief in das Hotel. Dort wandte er sich an die Baronin: „Frau Botschaftsrätin, wo steht Urs Wagen?“ Mariele war noch nicht ansprechbar, deshalb ging der Page mit und zeigte dem Piloten, wohin man den zerstörten Landrover gebracht hatte. Uerli begab sich dorthin und sah, dass der Landrover noch leicht qualmte. Aber sonst schien die Gefahr vorüber zu sein. Leutnant Unterwalden näherte sich vorsichtig dem angeschmorten Wrack, sperrte die Motorhaube auf und besah sich den Schaden. Dann entdeckte er die kleine Schachtel, die nur so groß wie eine flache Batterie war. Geistesgegenwärtig zog er die Gummihandschuhe über, damit er keine Fingerabdrücke hinterließ oder die andern verwischte. Vorsichtig entfernte er das Corpus Delicti und versenkte es in einem Plastikbeutel. Gut verschlossen verwahrte er dieses Utensil in der Tasche seines Fliegeroveralls. Dann verschloss er die Motorhaube und öffnete die hintere Türe des Jeeps. Er entnahm zuerst das Reisegepäck, dann die Einkaufstaschen und die kleineren Reiseutensilien. Der Hotelpage, der auf Befehl seiner Chefin dastand, nahm die Koffer der drei und brachte diese zum Heli. Uerli nahm dann die Beutel mit den Lebensmitteln und stellte sie neben die Gepäckstücke. Dann teilte der Pilot dem Pagen mit, dass alles für den Abflug bereit wäre.
Die Baronin, Ulli und Diether verabschiedeten sich von der Gräfin von Bellheim, sie dankte ihnen und küsste alle drei auf die Wangen. Marie-Theres stieg mithilfe des Piloten zuerst ein, dann half Diether Uschi. Er selbst kletterte als Letzter ins Cockpit. Uerli schloss die Türe von außen hinter Diether, nahm Platz im Innern der Maschine, verriegelte die Türe an seiner Seite und drückte auf den Startknopf. Dann meldete er sich über das Helm-Mikro: „Delta Tango 00 77, ready for take-off.“ Der Tower funkte sein Okay und schon flog Uerli eine Schleife über den Wald hinüber nach Sils und weiter hinauf ins Fextal.
Ganze fünfzehn Minuten dauerte der Flug. Mariele hatte dem Leutnant von oben gezeigt, wie er fliegen musste. Der Pilot drehte eine Schleife über der Villa und setzte den Heli genau in dem vorbereiteten Rondell auf. Der Leutnant Unterwalden verließ als Erster den Hubschrauber. Er entriegelte die Türe und half der Baronin beim Aussteigen, ebenso Diether seiner Uschi, da das Mädel immer noch zitterte. Der Leutnant nahm alle Dinge aus der Maschine. Mariele zog den Schlüssel aus ihrer Handtasche und sperrte die schwere Türe auf.
Es empfing sie eine angenehme Kühle, der Pilot half ihnen, die Koffer und Reisetaschen ins Haus zu tragen. Diether nahm die Einkaufstaschen in die linke Hand, um mit dem rechten Arm Ulli zu stützen. Das funktionierte auch recht gut. Die Baronin bedankte sich ganz herzlich bei Uerli und sagte: „Herr Leutnant, grüßen Sie bitte Urs und teilen Sie ihm mit, dass unsere Autos noch an der Talstation der Rigi Scheidegg-Bahn stehen. Er möchte doch dringend mein Anliegen ausführen. Der Freund meines Mündels benötigt seinen PKW in Kürze, um damit nach Wien zurückzufahren. Klaus Andermatten ist deswegen schon informiert worden. Der meinte nämlich, dass dies kein Problem sei.“
„Das werde ich ausrichten, Frau Botschaftsrätin, wird sofort erledigt, auf Wiederluege. Salü!“