Die Chiemsee Elfen. Yvonne Elisabeth Reiter

Die Chiemsee Elfen - Yvonne Elisabeth Reiter


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Ni­mue. Dazu ha­ben wir spä­ter auch noch Zeit.«

      Ni­mue nick­te zu­stim­mend. Zur glei­chen Zeit sah sie eine Frau aus dem Stall her­aus­ge­hen, ge­folgt von ih­rer Groß­mut­ter. Ka­tar dreh­te sich nach ih­nen um. »Ni­mue, das ist mei­ne Frau Léa.«

      »Wie schön, ein ech­ter Mensch bei uns auf dem Schloss. Wie geht es dir bei uns hier un­ten?«

      Léa be­kam kei­ne Zeit für eine Ant­wort, da Oona so­gleich er­klär­te: »Mae­ve hat ihr einen Kräu­ter­zau­ber­trank zu­be­rei­tet, mit dem sie ohne Wei­te­res für meh­re­re Wo­chen hier un­ten an­ge­nehm le­ben kann.«

      »Und der hat so­gar gut ge­schmeckt«, warf Léa ein, »ich freue mich sehr, bei euch zu sein.«

      Da­nach gin­gen die Her­ren in Aars Büro und die Da­men in das Ge­wächs­haus, da Oona Léa die Blu­men und Kräu­ter zei­gen woll­te.

      Ni­mue schlen­der­te der­wei­len durch die gro­ße Ein­gangs­hal­le in Rich­tung ih­res Zim­mers.

      »Ni­mue, da bist du ja! In der Kü­che war­tet eine See­jung­frau auf dich«, rief ihr Uhri­lia ent­ge­gen.

      »In der Kü­che?«, frag­te Ni­mue über­rascht.

      »Ich wuss­te nicht, wo ich sie sonst hin­schi­cken soll. Viel­leicht in dein Zim­mer? Die kommt hier ein­fach her­ein und will mit dir spre­chen!«

      »Okay«, be­ru­hig­te Ni­mue die auf­ge­reg­te Uhri­lia, »ich gehe sie su­chen.«

      In der Kü­che an­ge­kom­men, sah Ni­mue vie­le Hein­zel­chen ei­lig um­her­lau­fen. Sie steck­ten mit­ten in den Vor­be­rei­tun­gen für das Abend­es­sen, und das soll­te an die­sem Tag be­son­ders glatt ver­lau­fen. Ni­mue ging lang­sam an den vie­len ver­schie­de­nen Hol­z­ö­fen vor­bei. Dort stan­den gro­ße und klei­ne Töp­fe, aus de­nen Was­ser bro­del­te. Gleich­zei­tig spra­chen ei­ni­ge Stim­men wirr durch­ein­an­der und ver­mit­tel­ten ihr ein Ge­fühl von Hek­tik. Dar­un­ter hör­te Ni­mue einen Hein­zel­chen-Koch sei­ne Hel­fe­rin­nen an­schrei­en. Sie wand­te sich ihm ent­setzt zu. So­gleich ver­stumm­te er mit­ten in ei­nem Satz, als ob er ihre Bli­cke auf sei­nem Rü­cken hät­te spü­ren kön­nen. Zor­nig wid­me­te er dar­auf­hin sei­ne gan­ze Auf­merk­sam­keit ei­nem über­gro­ßen Koch­topf, aus dem hei­ßer Dampf ent­wich.

      Ni­mue ging wei­ter in die Kü­che hin­ein und ent­deck­te vie­le gro­ße Holz­ti­sche, an de­nen ver­ein­zelt ein Hein­zel­chen saß, das Ge­mü­se oder Fleisch zu­be­rei­te­te oder eine Kraft­mahl­zeit zu sich nahm. Auf ei­nem an­de­ren Tisch stan­den meh­re­re Ku­chen und Pra­li­nen. Als Ni­mue ge­ra­de eine sti­bit­zen woll­te, hör­te sie die See­jung­frau mit ei­nem jun­gen Hein­zel­chen-Koch am hin­te­ren Ende des Rau­mes über das Le­ben und den Tod dis­ku­tie­ren.

      »Ihr müsst sie doch fra­gen?«, bat die See­jung­frau den Koch ver­zwei­felt.

      Doch die­ser schüt­tel­te sei­nen Kopf.

      Ni­mue ver­zich­te­te auf die Pra­li­ne und steu­er­te auf die bei­den zu. Sie warf dem Hein­zel­chen-Koch einen vor­wurfs­vol­len Blick zu, wäh­rend sie sag­te: »Na­tür­lich ma­chen wir das! Mei­ne Gro­ß­el­tern ha­ben es zur höchs­ten Re­gel ge­macht, dass kein Le­be­we­sen ohne ihre Zu­stim­mung ge­tö­tet oder ver­zerrt wer­den darf. Da­für gibt es ein wich­ti­ges Ri­tu­al im Reich Shen­ja, das zwi­schen Koch und Tier statt­fin­det. An­sons­ten dürf­ten wir es nicht es­sen. Er will dich nur är­gern.« Sie wand­te sich dem jun­gen Koch zu. »So frech sind die Hein­zel­chen nur bei uns hier im Land Shen­ja!«

      Die Wan­gen des Hein­zel­chens rö­te­ten sich. Er senk­te sei­nen Kopf und ging zu sei­nem Ar­beits­platz zu­rück.

      »Oh, da bin ich aber froh«, er­wi­der­te die See­jung­frau er­leich­tert, denn in der Zau­ber­welt war es von be­son­de­rer Be­deu­tung, dass kein Le­be­we­sen ohne sei­ne Zu­stim­mung rein für den Ver­zehr ge­tö­tet wur­de.

      »Hal­lo, ich bin Pie­ra«, stell­te sie sich so­gleich vor und reich­te Ni­mue ihre rech­te Hand.

      Ni­mue nahm sie an. »Hal­lo, ich bin …«

      »Das weiß ich doch.« Pie­ra lä­chel­te vor Freu­de, Ni­mue end­lich ken­nen­zu­ler­nen. »Darf ich dich fra­gen, ob wir zu dei­ner Ge­burts­tags­fei­er kom­men dür­fen?«

      Ni­mue war er­staunt über die er­neu­te An­fra­ge ei­nes ihr un­be­kann­ten We­sens. »Hmm, ich ken­ne dich doch gar nicht, wer bist du?«

      »Ich bin eine See­jung­frau und lebe haupt­säch­lich im Starn­ber­ger See.«

      Ni­mue spür­te die vor Neu­gier ste­chen­den Bli­cke der Hein­zel­chen auf ih­rem Kör­per. Da deu­te­te sie der See­jung­frau mit ei­ner Hand­be­we­gung an, ihr zu fol­gen. Kurz dar­auf schweb­ten bei­de aus der Kü­che in den Hof­gar­ten hin­aus. Sie setz­ten sich auf eine Bank di­rekt vor ei­nem Strauch mit ro­ten und gel­ben Ro­sen. Die­se blüh­ten be­son­ders herr­lich und so be­merk­te Pie­ra: »Schön habt ihr es hier!«

      »Ja, Oma ist eine wah­re Gar­ten­künst­le­rin.«

      Als sie zur Ruhe ka­men, er­klär­te die See­jung­frau: »Un­se­re Hei­mat ist im Was­ser. Wir kön­nen aber auch auf dem Land le­ben. Dort ver­wan­delt sich un­se­re Flos­se zu zwei mensch­li­chen Bei­nen. Aus die­sem Grund le­ben ei­ni­ge aus mei­ner Fa­mi­lie un­ter Was­ser und an­de­re auf dem Land.«

      »Ihr lebt in­mit­ten der Men­schen?«

      »Ja, das tun wir. Un­se­re Kör­per glei­chen den ih­ren, was un­se­re wah­re Iden­ti­tät ver­steckt. Nur sehr fein­füh­li­ge Men­schen spü­ren un­se­re rei­ne Ener­gie. Sie füh­len sich von uns an­ge­zo­gen, ver­ste­hen je­doch nicht, wo­her die­se An­zie­hung kommt.« – Pie­ra lach­te kurz auf – »Man­che glau­ben, dass sie sich un­s­terb­lich in uns ver­liebt ha­ben. Doch meis­tens sind es nur die Ener­gi­en, auf die sie re­a­gie­ren.«

      »So habt ihr vie­le Ver­eh­rer?«

      Pie­ra sah Ni­mue fra­gend an.

      »So sagt man doch, Ver­eh­rer, oder nicht?«, war sich Ni­mue plötz­lich un­si­cher.

      »Wir ha­ben vie­le Ver­eh­rer, ja, das stimmt. Aber wir spü­ren ganz deut­lich, ob es die wah­re Lie­be oder nur eine An­zie­hung aus er­wähn­ten Grün­den ist. So­mit wer­den es schon be­deu­tend we­ni­ger.«

      »Wie vie­le seid ihr?«

      »Wir sind 16 und wür­den uns alle über eine Ein­la­dung sehr freu­en.«

      Ni­mue moch­te die­ses schö­ne We­sen, das in der ma­gi­schen Was­se­r­ener­gie des Rei­ches Shen­ja leicht gol­den schim­mer­te. Aus die­sem Grund fiel es ihr nicht schwer, zu­zu­sa­gen. »Gut, ich freue mich auf euer Kom­men.«

      Pie­ra be­dank­te und ver­ab­schie­de­te sich.

      Ni­mue blieb zu­rück und be­ob­ach­te­te ihre schö­nen, wei­chen Schwün­ge, wäh­rend sie in Rich­tung Wald schweb­te. Sie war eine wun­der­schö­ne See­jung­frau mit hell­blon­den, fast wei­ßen Haa­ren. Ihre Flos­se war kö­nigs­blau und von fei­ner Sta­tur. Ihre Brust war durch ein gleich­fa­r­bi­ges Ober­teil be­deckt, das durch dün­ne Trä­ger rund­um ver­bun­den war. Es sah aus, als ob es ein Spin­nen­netz wäre, wel­ches sich über ih­ren Ober­kör­per


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