Knochenfeuer. Jenny Pieper
lockerte ihre Umklammerung und sah mir in die Augen. »Armes Ding«, sagte sie. »Aber für dich kriegen wir viel Geld.«
Mit schnellen Schritten zog sie mich zu der Wanne, die gefüllt war mit dampfendem Wasser. Nachdem sie mich meiner Kleidung entledigt hatte, drückte sie mich hinein – sie ließ mich dabei nicht einen Moment lang los. Grob wusch sie mir das Haar und zerrte mich anschließend wieder aus dem Wasser. Dann schrubbte sie meinen Körper ab und übergoss mich zum Schluss mit kaltem Wasser aus einem Trog. Der Schaum wanderte an mir hinab und bildete einen Kranz um meine Füße. Sie trocknete mich ab, zog mich durch den Raum und warf mir ein sauberes goldenes Kleid mit langen Ärmeln über.
Als sie mit mir fertig war, grinste sie. »Ich wäre an deiner Stelle wohl genauso stur.«
Vom Badehaus aus war es nur noch ein kleines Stück, das ich mit Augenbinde in einer Kutsche verbrachte. Dieses Mal war ich die einzige menschliche Ware, lag nicht zusammengekauert auf einer Ladefläche, sondern saß im Innenraum der Kutsche.
Gedämpft drangen die Stimmen der Diener zu mir.
»Seine Majestät war außer sich, als die Goldmagier ohne sie heimgekehrt sind.«
»Und dann noch mit diesen Verlusten.«
Kurzes Schweigen erfüllte die Luft und die Erinnerungen an den Überfall drängten sich in den Vordergrund. Trotzdem überschlugen sich die Neuigkeiten in meinen Gedanken – es hatte Verluste gegeben? Was war passiert, nachdem ich ins Wasser gestürzt war? Ich verschränkte die Finger ineinander, doch das Zittern ließ sich nicht unterdrücken.
»Er will sie sofort sehen«, raunte einer. »Angeblich wartet er im Thronsaal.«
Beim Gedanken daran, dem Herrscher der Eisenmänner gegenüberzustehen, wurden meine Hände feucht. Fahrig rieb ich mir die Handflächen an meinem Kleid ab. Zwar waren meine Gelenke nun mit Metallketten festgebunden, doch blieb mir dafür genug Bewegungsfreiheit.
Die Diener führten mich weniger grob von der Kutsche zu einem Raum, in dem sie mir die Augenbinde abnahmen. Nach der langen Zeit unter dem Tuch stach das Licht in meinen Augen. Doch war es wesentlich angenehmer als zuvor im Badehaus. Ein Feuer brannte im Kamin, erhellte in gemütlichem Schein Bilder, die in schimmernden Rahmen über Bücherregalen hingen. Vor einer weiteren Tür am anderen Ende stand eine Wache in silbrig schwarzer Rüstung. Das Metall schimmerte im Feuerschein und erinnerte mich an die Männer, die Grünfrey überfallen hatten. Ein Stich durchfuhr meine Brust und ich wandte mich ab.
In der Mitte stand ein wuchtiger Sessel auf einem roten Teppich. Zögernd ging ich darauf zu. Die beschwerliche Reise hatte an meinen Kräften gezehrt und ich unterdrückte ein Gähnen. Doch bevor ich mich in dem Sessel niederlassen konnte, der mich magisch anzuziehen schien, wurde ich zur Audienz gerufen.
Meine Muskeln versteiften sich und meine Erschöpfung war wie weggeblasen. Stattdessen dröhnte mir der Herzschlag in den Ohren und alle Geräusche wirkten weit entfernt.
Die Wache trat zur Seite und öffnete die Tür. Durch sie führten mich die Diener von hinten in den Thronsaal. Einige Stufen führten nach oben zum König, ließen ihn dadurch noch größer und erhabener wirken. Sonnenstrahlen fielen hinter ihm durch große Fenster und zeichneten Streifen auf den marmornen Boden.
Erst vor dem Thron, am Fuß der Treppe, hielten die Diener an und zwangen mich gewaltsam auf die Knie. Ich wehrte mich gegen die Hände, die mich niederdrückten, doch mir blieb keine Wahl. Kniend legte ich den Kopf in den Nacken und sah zum König empor, dessen Silhouette sich vor den silbrigen Vorhängen abzeichnete.
»Sieh nur, Jaden, sie ist in deinem Alter. Ihre Ernte wird sicherlich ergiebig sein!« Er lehnte sich auf dem Thron vor, der unter ihm wie ein Spielzeug wirkte. Das Blut gefror mir bei seinem Anblick in den Adern. Zwar hatte ich mir den Herrscher der Eisenmänner kalt und grausam vorgestellt – aber niemals so gigantisch. Wie groß war er? Acht Fuß? Zehn Fuß? Er wirkte nicht wie ein Mensch.
Der Umhang um seine Schultern war beinahe so breit wie einer der Vorhänge hinter ihm.
Meine Schultern bebten vor Wut und Angst. Diese Stärke hatte er sich gewaltsam einverleibt. Mir wurde schwindelig, als ich begriff, dass das meine Zukunft war: Eine Ernte, in der sie mich als weitere Energiequelle für die Goldmagier nutzten, die sie für ihre pure Kraft oder herrschende Magie einsetzten. Der König zeigte mir zu deutlich, wie die Kraft einen Goldmagier veränderte. Wie sie seine Größe beeinflusste und seine Muskeln wachsen ließ.
Er war der lebende Beweis. Ein gigantisches Monster.
Der Prinz reichte im Stehen nur annähernd an die sitzende Größe des Königs heran. Seine Augen waren so dunkel, dass sie mich an Kohle erinnerten. Die schwarzen Haare fielen ihm wellig über die Ohren und glänzten gepflegt. Er zuckte mit den Schultern und würdigte mich nur eines kurzen, abschätzigen Blickes. »Und wenn schon«, antwortete er. Auch um seine Schultern lag ein Umhang, doch dieser war kürzer und an einer Rüstung befestigt. Der Stoff und seine Rüstung waren schwarz und silbern – die Farben der Eisendynastie.
»Das ist doch wundervoll!«, rief der König aus und klatschte in die Hände. »Sie ist so jung!«
»Kann ich gehen?«, fragte Jaden. Seine Schultern waren sichtbar angespannt und er schielte zur Tür. Offensichtlich missfiel es ihm, bei der Begrüßung der neuen Gefangenen des Königs dabei zu sein.
Der König schüttelte den Kopf und seufzte. »Ein bisschen mehr Begeisterung über unsere neueste Errungenschaft, mein Sohn.«
Auf Befehl seines Vaters wandte sich der Prinz mir zu und schenkte mir die Aufmerksamkeit, die der König für angemessen hielt. Er rümpfte die Nase, als sein Blick über meinen Körper glitt. Auf seine Stirn trat eine tiefe Falte.
»Die sehen doch alle gleich aus.«
Der König brummte zustimmend, wirkte aber verärgert über die Reaktion seines Sohnes. »Bring sie zu ihren Gemächern. Ich spreche mit dem Medi über alles Weitere.«
Der König erhob sich und sah aus wie ein lebender Berg. Sein Sohn reichte ihm lediglich bis zur Taille. Das war doch nicht möglich! Ich biss die Zähne zusammen, erschauderte aufgrund der Erscheinung des Königs. Wie sollte ich meinen Feind, dieses Monster einschätzen können? Wie sollte ich entkommen?
Jaden schritt die Stufen hinunter und trat neben mich. Er überragte mich um einige Zoll, was mir die Größe seines Vaters nur deutlicher vor Augen hielt. Schnaubend packte mich der Prinz am Kragen. Er sah mir in die Augen und grinste. »Und wie lautet dein merkwürdiger Name?«
Ich biss mir auf die Lippen und schluckte meinen Ärger hinunter. Auf meiner Zunge brannten alle möglichen Antworten, doch sosehr ich ihn beleidigen wollte, meine Kehle war wie zugeschnürt. Sie hatten mich gefangen. Ich saß fest und die Aussichtslosigkeit meiner Lage erdrückte mich fast.
»Traust du dich nicht, mit uns zu sprechen? Machst du dich vor Angst gleich nass?«
»Jaden!«, donnerte die Stimme des Königs. »Sei höflich.«
Der Blick des Prinzen wanderte ein weiteres Mal über mein Gesicht, musterte jeden Zoll. Er kommentierte seinen Eindruck von mir mit einem gehässigen Schnauben, ehe er mich losließ und an den Ketten mit sich zog. Wir verließen den Thronsaal, links und rechts von uns positionierten sich Wachen und begleiteten uns durch lange, pompöse Gänge. Kerzen in unzähligen silbernen Haltern erhellten die Wände, spiegelten sich auf dem glänzenden Boden wider, der nicht von den aufwendig verzierten Teppichen bedeckt war. Wir begegneten Patrouillen und Soldaten, die Kreuzungen oder Türen bewachten.
Der Prinz ging voraus. Sein Haar ringelte sich schwarz und wellig in seinem Nacken. Vereinzelte Schweißperlen glänzten auf seiner Haut. Der Schulterpanzer besaß einschüchternde Stacheln, die an Krallen erinnerten. Mit silbernen Schnallen war ein Umhang daran befestigt. Auf dem Stoff wand sich ein Drache aus silbrigen Fäden um eine Spirale. Ich stockte, stolperte durch den Zug meiner Ketten.
Er