Eine Geschichte des Krieges. Группа авторов

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Gruppen, die dem Leben ihrer Kombattant*innen keine große Bedeutung zumessen und die die territorialen Ziele (die militärische Eroberung eines Nachbarlands) ideologischen Zielen (die ethnische oder religiöse Säuberung eines Gebiets) unterordnen. Die Möglichkeit, einen Krieg zu führen, ohne Bodentruppen einzusetzen, hat in den Worten Michael Walzers »eine neue und gefährliche Ungleichheit«18 hervorgebracht. Dieses Auseinanderklaffen kollektiver Einstellungen zur Gewalt, das sich seit dem Golfkrieg, dem Irakkrieg und dem Aufschwung des internationalen Terrorismus verstärkt hat, darf nicht zu dem Irrtum verleiten, es mit zwei radikal getrennten Welten oder gar einem Zusammenprall der Zivilisationen zu tun zu haben. Abgesehen davon, dass die ersten Opfer der Dschihadisten häufig diejenigen sind, die sie gegen den Einfluss der westlichen Welt zu beschützen vorgeben, gibt es noch zahlreiche Indizien einer Globalisierung des Krieges: weltweite Verbreitung von Waffen (wie die AK-47), Finanzierung der Guerillas durch staatliche Gelder und Schmuggel, Bewegungen der Söldner*innen zwischen den Kontinenten, Benutzung moderner Kommunikationssysteme durch bewaffnete Gruppen zur Terrorisierung der westlichen Öffentlichkeit …

      Dieses Buch hat zum Ziel, seinen Leserinnen und Lesern den nötigen Abstand zu verschaffen. Die heutigen Konflikte werfen zahlreiche Fragen insbesondere ethischer Provenienz auf. Doch sind sie wirklich ohne Präzedenz? Die Frage der Guerillas und Guerillabekämpfung, die seit dem Irak- und dem Afghanistankrieg neu diskutiert wurde, hatte im ganzen 19. und 20. Jahrhundert auf der Tagesordnung gestanden. Die »Einsätze ohne Feindberührung« wurden schon direkt nach dem Ersten Weltkrieg theoretisch behandelt. 1911 malte sich ein französischer Journalist bereits den kommenden Krieg aus: »Zweifellos ist die Zeit nicht mehr fern, da unsere Offiziere vom Eiffelturm aus Brücken sprengen und Minen unter dem Schritt marschierender Bataillone explodieren lassen können. […] In dem Moment wird man Aeroplane sehen […] wie sie ihre Bahnen durch den Himmelsraum ziehen und blindlings auf die Befehle des Sendemastes reagieren.« Dazu kommt noch ein weiteres Risiko, nämlich sich auf eine ausschließlich strategische oder taktische Sicht zurückzuziehen und gewissermaßen aus einer Vogelperspektive, die die menschliche Dimension der Kriegserfahrung stillschweigend übergeht, auf die Geschichte zu blicken. Nichts wäre schließlich schlimmer als eine solche Verleugnung in einer Zeit, in der Drohnenpilot*innen von ihren Büros aus anonyme Ziele abschießen – mit dem gefährlichen Gefühl einer Straffreiheit, verursacht durch Tausende Kilometer Distanz.

      Bruno Cabanes ist Inhaber des Donald-G.-&-Mary-A.-Dunn-Lehrstuhls für Kriegsgeschichte an der Ohio State University. Davor lehrte er neun Jahre lang an der Yale University. Er forscht vor allem zur Sozial- und Kulturgeschichte des Ersten Weltkrieges und der direkten Nachkriegszeit und hat darüber zahlreiche Bücher und Aufsätze veröffentlicht – darunter insbesondere La Victoire endeuillée. La sortie de guerre des soldats français (1918–1920) (Paris 2004, Neuauflage »Points Histoire« 2014), The Great War and the Origins of Humanitarianism (1918–1924) (Cambridge 2014) – ausgezeichnet mit dem Paul-Birdsall-Preis der American Historical Association 2016 – und Août 14. La France entre en guerre (Paris 2014).

      1James Sheehan, Where have all the Soldiers gone? The Transformation of Modern Europe, Boston u. a. 2008; auf Deutsch erschienen unter dem Titel: Kontinent der Gewalt. Europas langer Weg zum Frieden, München 2008.

      2Victor Davis Hanson, The Western Way of War. Infantry Battle in Classical Greece, New York 1989.

      3David Bell, The First Total War. Napoleon’s Europe and the Birth of Modern Warfare, London 2007.

      4Carl von Clausewitz, Bekenntnisschrift, in: ders., Ausgewählte militärische Schriften, hrsg. v. Gerhard Förster und Dorothea Schmidt, Berlin 1981, S. 213, 215.

      5Frank Bauer, Napoleon in Berlin. Preußens Hauptstadt unter französischer Besatzung 1806–1808, Berlin 2006, S. 149.

      6Daniel R. Headrick, The Tools of Empire. Technology and European Imperialism in the Nineteenth Century, New York / Oxford 1981, S. 175.

      7Ferdinand Foch, Des Principes de la guerre, Paris 2007 [1903].

      8Joseph Conrad, Das Herz der Finsternis, Berlin 1933.

      9John Dower, War without Mercy. Race and Power in the Pacific War, New York 1986.

      10H. G. Wells, Der Luftkrieg, Frankfurt am Main / Berlin / Wien 1983, S. 177.

      11Marguerite Yourcenar, Liebesläufe. Eine Familiengeschichte, München 2003, S. 247.

      12Louis-Ferdinand Céline, Reise ans Ende der Nacht, Reinbek bei Hamburg 2003, S. 20.

      13George Orwell, 1984, Berlin 2007, S. 10.

      14Henry Kissinger, Detente with the Soviet Union: The Reality of Competition and the Imperative of Cooperation, in: The Department of State Bulletin, Bd. LXXI, Nr. 1842, 14. Oktober 1974, S. 505.

      15John Gaddis, The Long Peace. Inquiries into the History of the Cold War, New York u. a. 1987.

      16Charles Tilly, The Formation of National States in Western Europe, Princeton 1975, S. 42.

      17Edward Luttwak, »Toward Post-Heroic Warfare«, in: Foreign Affairs, Mai / Juni 1995.

      18Michael Walzer, Arguing about War, New Haven / London 2004, S. 101.

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       Der moderne Krieg

      Aus dem Französischen von Daniel Fastner

      David A. Bell

       Einleitung

      »Was ist der moderne Krieg?« Kaum eine andere Frage ist unter Kriegshistoriker*innen so sehr diskutiert worden wie diese. Sie hat freilich etwas Trügerisches: Der Ausdruck »moderner Krieg« unterstellt ja, dass zu allen Zeiten ein als »Krieg« bezeichnetes Phänomen identifiziert und abgegrenzt werden könne, welches beim Überschreiten einer eindeutig bestimmten Schwelle zur »Moderne« einen grundlegenden Wandel erfahren habe. Unter dieser Voraussetzung können dann Chronologie und Natur dieser Veränderung debattiert werden. Hat sich dieser Übergang aber nun im 16. oder 17. Jahrhundert mit der sogenannten militärischen Revolution vollzogen (die mit neuen Infanterie-Taktiken und neuen Befestigungstechniken verbunden ist)? In der Zeit der Französischen Revolution mit der Masseneinberufung? Im 19. Jahrhundert nach der industriellen Revolution? Im 19. und 20. Jahrhundert mit dem »totalen Krieg«? Zu welchem Zeitpunkt wir diese Schwelle auch ansetzen und welches Kriterium wir auch anlegen, in jedem Fall trennen wir dadurch in der Geschichte des Krieges ein »Davor« von einem »Danach«, welches sich implizit bis in unsere Gegenwart erstreckt.

      Doch wie die Kapitel des ersten Teils dieses Buches zeigen, liegt der bedeutendste Bruch in der Geschichte des Krieges wahrscheinlich nicht in der Unterscheidung zwischen einer »vormodernen« und einer »modernen« Form. Wir finden ihn stattdessen in dem unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg eingetretenen Umbruch, der eine lange, bis weit vor den Beginn der Moderne zurückreichende Geschichte des Krieges von jenen bewaffneten Konflikten trennt, die wir heute kennen. Ich bin versucht, für die gegenwärtige Epoche leicht ironisch von »postmodernem Krieg« zu sprechen. Zwar hat es über diese Zäsur der Mitte des 20. Jahrhunderts hinweg auch Kontinuitäten gegeben. Dies betrifft aber vor allem die sogenannten sekundären Formen des Krieges.

      Ab dem Mittelalter und mindestens bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges sprach man in der westlichen Welt von »Krieg« (war, guerre, voyna, etc.) prinzipiell dann, wenn es um eine formalisierte und symmetrische Auseinandersetzung zwischen souveränen Staaten mittels ihrer Streitkräfte ging. Um sich dies zu vergegenwärtigen, genügt ein Blick auf die Definitionen von »Krieg« in alten Wörterbüchern. Entsprechendes lässt sich übrigens auch heute noch finden: Das Oxford English Dictionary etwa erklärt, bei Krieg handle es sich um eine »feindliche Auseinandersetzung


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