Eine Blau-Weisse Autobiografie "5:04" – Es ist niemals zu früh, um Schalke zu leben. Rolf Rojek

Eine Blau-Weisse Autobiografie


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überrascht. Mit der dunklen Holzverkleidung wirkte der Raum zwar etwas bedrückend und die spärlichen Tiergeweihe an den Wänden änderten das auch nicht. Aber so wurden viele Kneipen in den 70ern gebaut und eingerichtet. Und immerhin war ich ja im „Jägerhof“. In der Mitte des Schankraumes stand ein großer Billardtisch, der fest am Boden verschraubt war. An der langen Theke hatten gut und gerne 30 Personen Platz, um ihr Bier zu trinken. Zudem rundeten sechs Tische das Mobiliar in der Gaststätte ab. An einem dieser Tische saß Wilfried mit fünf weiteren Personen, die sofort ihre angeregte Unterhaltung abbrachen, als ich den Raum betrat. Ich ging auf sie zu, begrüßte alle freundlich und machte gleich einen lustigen Spruch.

      Natürlich flachsten wir sofort ein bisschen über unseren S04 und Wilfried eröffnete die Diskussionsrunde mit den Worten, dass ich hier mit meinen Fan-Clubs ungestört über die Niederlagen unseres Clubs diskutieren könnte. Ich nahm den Ball gekonnt auf und gab zurück, dass bei diesem giftgrünen Anstrich sicherlich keine ruhigen Diskussionen zustande kommen könnten. Alle lachten. »Kein Problem, dann streiche doch einfach alles in blau-weiß an«, meinte Wilfried. Und wieder lachten alle und ich dachte direkt, was für eine coole Wirtin, jetzt braucht sie nur noch das Geld für den Anstrich rausrücken.

      Mit wurden alle Räume der Gaststätte gezeigt, darunter eine verdammt kleine Küche und ein mickriger Personalraum sowie ein riesiger Saal und natürlich die Toiletten. Für mich war das keine Gaststätte, wie ich sie mir wünschen würde. Aber mit ein paar Schalke-Bildern und Fan-Artikeln an den Wänden kann man aus dem Laden schon etwas machen. Und da ich mich hier nur mit den Fan-Clubs treffen will und anschließend wieder nach Hause fahre, sollte das passen.

      Um mich zu vergewissern, fragte ich die Wirtin direkt. »Ich kann hier wirklich Schalke-Bilder aufhängen und auch der Außenanstrich wird geändert?« Der Vertreter der Krombacher Brauerei fiel ins Wort und sagte, dass es sogar eine Bezuschussung geben würde, wenn wir das Logo von Schalke oder dem Schalker Fan-Club Verband anbringen wollten. Alle nickten und ich fand dieses viele Entgegenkommen schon sehr komisch. Daher fragte ich nach, wie denn wohl die anderen Gäste reagieren, wenn der „Jägerhof“ plötzlich zu einer Fußballkneipe wird. »Werden die Stammgäste diese Veränderung akzeptieren?«, fragte ich. Und jetzt lachten alle noch mehr. »Rolf, das ist doch deine Sache. Als Pächter kannst du machen, was du willst!«, gab Wilfried zu erklären.

      Pächter? Ich bin fast umgefallen, ich suchte doch nur eine Kneipe, in der ich mich mit meinen Fan-Clubs zurückziehen konnte, um meine Besprechungen abzuhalten. Ich wollte doch keine Kneipe pachten! Das teilte ich allen sofort mit und merkte dabei mit jedem Wort, wie sehr sie enttäuscht waren. Und dann redeten sie auf mich ein, was für einen Fehler ich machen würde. Die Unabhängigkeit bei Versammlungen, die eigenen Fan-Club Partys und natürlich die guten Verdienstmöglichkeiten. Es wäre so viel möglich, wenn ich ja sagen würde. Als ich dann den Pachtpreis erfahren habe, war ich doch ein wenig überrascht, wie günstig die Pacht für eine so große Kneipe war. Ich bat also um ein paar Tage Bedenkzeit und fuhr nachdenklich nach Hause ins Münsterland.

      Im Auto gingen mir 1904 Gedanken durch den Kopf und eine Idee jagte die andere. In einer großen Kneipe, da könnte ich einiges machen: Fan-Partys und Diskussionsrunden mit Schalke-Promis am Spieltag, Treffen zwischen Schalke-Vorstand und Fan-Clubs und noch viel mehr. Und wenn der „Jägerhof“ den richtigen blau-weißen Anstrich bekommt, das könnte eigentlich doch etwas für uns sein. Zu Hause angekommen merkte Gudrun sofort, dass mich etwas beschäftigte. Natürlich wollte sie wissen, was los war und auch, wie das Gespräch in der Kneipe verlief. Ich redete nicht lange um den heißen Brei herum und ließ die Katze sofort aus dem Sack. »Was hältst du davon, wenn wir wieder eine eigene Fan-Kneipe aufmachen?«, fragte ich sie. Nein, Gudrun hat mich weder geschlagen noch rausgeschmissen. Immerhin war sie selbst früher Vereinswirtin, sogar meine. Daher kannte sie die harte Arbeit im Gaststättengewerbe nur zu gut. Was soll ich sagen? Ich war so begeistert von der Idee, eine eigene Fan-Kneipe zu haben – und wenn ich begeistert bin, kann ich jeden davon überzeugen: Gudrun sagte ja, der Vorstand und der Beirat des Schalker Fan-Club Verbandes sagten ja und auch die Brauerei sagte ja. Und schon hatte der Schalker Fan-Club Verband seine eigene Fan-Kneipe mit dem Namen „Auf Schalke“.

      Ach ja, der giftgrüne Anstrich wurde bereits eine Woche später von einem Graffiti-Künstler übermalt, und zwar in einen blau-weißen Tempel …

      »Man geht leichtfertig in die Fan-Kneipe und kommt leicht fertig wieder raus.«

      Es muss im Jahr 1990 gewesen sein, als ich einen Anruf von einem Schalke-Mitglied aus Luxemburg bekam. Er wollte einen Schalke Fan-Club gründen und ich sollte ihn dabei unterstützen. Damals war ich richtig heiß darauf, Fan-Clubs im Ausland für den FC Schalke 04 oder den Fan-Club Verband zu gewinnen. Also sagte ich ihm, dass ich zur Gründungsversammlung nach Luxemburg kommen würde.

      Nach mehreren Telefonaten stimmten wir einen Termin und den Versammlungsort ab. Ich fragte nach einer Übernachtungsmöglichkeit vor Ort, da die Anreise ja schon etwas weiter sei. Sofort haben mir mehrere Mitglieder aus dem Fan-Club angeboten, bei ihnen zu Hause zu übernachten. Das war sehr lieb gemeint, aber ich gehöre zu den Menschen, die ziemlich wenig Schlaf brauchen und deshalb immer früh aufstehen. Und ehrlich gesagt habe ich keine Lust und keine Ruhe, morgens um 5.04 Uhr wachzuwerden und dann solange im Bett liegen zu bleiben, bis auch meine Gastgeber wach werden. Deshalb bevorzuge ich lieber ein Hotelzimmer, auch wenn mir dadurch Übernachtungskosten entstehen.

      Die Versammlung sollte etwa 30 km hinter Luxemburg-Stadt stattfinden. Ich machte mich also an einem Freitagabend auf den Weg ins schöne Luxemburg und fand auch ziemlich problemlos den kleinen Ort und das Vereinslokal. Wenn ich sonst zu Versammlungen ging, war das Vereinsheim meist mit Fahnen geschmückt und überall hingen Wimpel und Poster von Schalke an den Wänden. Hier war davon gar nichts zu sehen. Zuerst dachte ich, dass ich an der falschen Gaststätte sei, bis mich der Wirt ansprach. »Du bist doch Rolf Rojek, oder? Wir warten alle auf dich im hinteren Zimmer.« Erleichtert, doch richtig zu sein, ging ich mit dem Wirt in das hintere Zimmer, in dem rund 20 Personen auf mich warteten. Auch in hier gab es nichts blau-weißes zu sehen, lediglich zwei Personen hatten einen Schalke-Schal um den Hals. Dafür schwebte eine dicke Rauchwolke in der Luft, denn damals gab es noch keine Rauchverbote. Die Luft war stickig und die Atmosphäre etwas kühl.

      Nach der Begrüßung erklärte ich den Fans, wie ein Schalke-Fan-Club gegründet wird und welche Vorteile die Mitgliedschaft im Schalker Fan-Club Verband bietet. Die Fragen der anwesenden Fans waren gering und ich hatte schon Zweifel, ob sich die Fahrt hierher für den Verband gelohnt hat. Aber wie es manchmal so ist, mit einigen Witzen, mit meinen Geschichten und mit meiner Begeisterung, warum und wieso es geil sei, einen Schalke-Fan-Club zu gründen, wurde das Eis gebrochen und es kam eine wirklich gute Stimmung auf. Es wurde viel gelacht und das Formelle war schnell zu Ende. Kurz danach wurde der erste Schalke-Fan-Club in Luxemburg gegründet …

      Bevor wir zum gemütlichen Teil übergingen, fragte ich nach meinem Zimmer, da ich wenigstens noch meine Tasche auspacken wollte. Die Jungs erklärten mir, dass mein Hotelzimmer im etwa 9 km entfernten Ort sei, denn hier in dem Dorf gab es kein Hotel. Damit war klar: Heute gibt’s nur Cola, schließlich musste ich ja noch fahren. Es sei denn, es gibt ein Taxi. Aber auch hier bekam ich die Antwort, dass ein Taxi zu später Stunde unmöglich zu bekommen sei. Na toll, jetzt bist du bis nach Luxemburg gefahren und kannst nicht einmal ein Bier mit den Jungs und Mädels trinken, dachte ich. Aber alle redeten auf mich ein und überzeugten mich letztendlich, dass sie mich schon heil und unversehrt in mein Zimmer bringen würden. Und so gab es dann doch Bier für mich.

      Als Andenken an den Abend in Luxemburg holte ich mir beim Wirt einen 0,5 Liter Bierkrug aus Ton, auf dem ich alle Gründungsmitglieder unterschreiben ließ. Und es war wirklich ein schöner Abend, ich habe viele und lustige Geschichten aus meinem Schalke-Leben erzählt, bis ich gegen 1:00 Uhr in der Nacht langsam ins Hotelzimmer wollte. Immerhin musste ich um 6.00 Uhr in der Früh wieder raus, damit ich rechtzeitig wieder auf Schalke bin. Ich fragte also, wer mich zum Hotel fahren könnte und einer der Fans meinte, dass ich zu meinen Wagen gehen und hinter den anderen herfahren sollte. Ich lachte und fragte ihn, ob ich direkt zur Polizeiwache


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