Eine Blau-Weisse Autobiografie "5:04" – Es ist niemals zu früh, um Schalke zu leben. Rolf Rojek
das eine oder andere Bier getrunken. Auf den restlichen 3 Kilometern von der Braukämperstraße bis zum Parkplatz am Stadion habe ich den Fans noch die Geschichte erzählt, als der kleine Olaf früher meine Riesenfahne schwenken wollte.
Zum Spiel gegen die Bayern gibt es nicht viel zu sagen, wir haben 1:1 gespielt …
Während heute die meisten Fan-Clubs so schnell wie möglich vom Busparkplatz verschwinden wollen und teilweise sogar richtig böse werden, wenn es einmal länger dauert, war das früher noch ein bisschen anders. Man hat sich mit den anderen Fan-Clubs an den Bussen unterhalten und noch gemeinsam ein Bierchen getrunken. Oft wurden auf dem Busparkplatz auch Fahrgemeinschaften zum nächsten Auswärtsspiel gebildet. Es wurde noch viel miteinander gesprochen, vielleicht, weil es WhatsApp oder E-Mail noch nicht gab.
Wir waren mit unserem Bus aus Saerbeck häufig unter den letzten, die vom Parkplatz rollten. Diesmal drängte ich jedoch auf eine schnellere Rückfahrt, da ich mit Grauen an die zahlreichen Pinkelpausen dachte, die uns auf der Rückfahrt nicht erspart bleiben würden. Also ging es nach dem Spiel gegen Bayern schnell wieder in Richtung Braukämperstraße, um unsere beiden Töchter einzusammeln. Opa Franz wartete bestimmt schon ungeduldig auf uns. Und ja, vom weiten sahen wir schon meinen Vater mit den beiden Mädels auf der Straße stehen. Meine Anweisung an unsere Mitglieder, dass alle im Bus bleiben, um sofort weiterzufahren, hätte ich mir sparen können. Denn auch wenn die Fahrt vom Parkstadion bis zur Braukämperstraße nur knapp sieben Minuten dauert, mussten die ersten schon wieder pinkeln.
Während auf der einen Seite der Straße die Wohnblocks lagen, befanden sich auf der anderen Seite die Felder von Bauer Holz. Natürlich haben die Wiesen förmlich zur Pinkelpause eingeladen. Und jetzt stellt euch bildlich vor, wenn 70 nicht mehr nüchterne Fans auf der Braukämperstraße aussteigen, ihre Bierdosen in den Händen halten und sich dabei laut grölend oder singend in den Armen liegen. Wer gerade keine Bierdose in den Händen hielt, stand pinkelnd am Ackerfeld. Dieses Treiben führte dazu, dass immer mehr Menschen auf die Balkone strömten. Die Wohnsiedlung wurde damals von der GGW gebaut und allein in dem Haus, in dem meine Eltern und Olaf Thon wohnten, hatten 16 Familien ihr Zuhause. In den Häusern links und rechts nebendran wohnten nochmals 52 weitere Familien. Die meisten hatten ihren Balkon zur Straße, auf der unser Bus stand. Und wer von den Anwohnern nicht auf dem Balkon war, schaute aus einem der zahlreichen Fenster dem bunten Treiben zu.
Während ich die Zeit nutzte, um noch ein paar Worte mit meinem Vater zu wechseln, kamen die ersten Fans auf die Idee, zu Olafs Wohnung zu gehen. Mit wedelnden Schals und Fahnen in der Hand zogen die Jungs und Mädels von der Hauptstraße bis zur Eingangstür und grölten unaufhörlich „Olaf Thon, Olaf Thon, Olaf Thon!“ Inge, die Mutter von Olaf, schaute zuerst aus dem Fenster. Als sie dann aber unsere singenden Fans auf sich zukommen sah, zog sie sich ganz schnell zurück. Ich hätte gern gewusst, was sie in diesem Augenblick von uns dachte. Das Spektakel ging jetzt schon 10 Minuten und ein Ende war noch immer nicht abzusehen. Ich musste mich also ordentlich ins Zeug legen, um meine Mitglieder wieder in den Bus zu bekommen. Immer wieder fing einer an zu singen und alle anderen stimmten ein. Sie lagen sich in den Armen und posierten für die Nachbarn auf den Balkonen, die mit ihren Pocket-Kameras Fotos machten. Zum Glück gab es damals noch keine Handys.
Nach weiteren 20 Minuten hatte ich es endlich geschafft und alle, bis auf drei Leute, saßen wieder im Bus. Und wie das so ist, einer von den Dreien wollte unbedingt noch einmal seine Blase entleeren. Kurz bevor die letzten Tropfen fielen, hörte ich meinen Bruder Uwe aus dem Bus schreien: »Dahinten kommt der Olaf!« Tatsächlich, in dem Wagen, der gerade um die Ecke kam, saß Olaf Thon. Wie ein Bienenschwarm stürzten alle wieder aus dem Bus. Meine Mitglieder überrannten mich, stürmten über die Straße und folgten dem Wagen. Und wieder hallte ein schaurig schönes „Olaf Thon, Olaf Thon, Olaf Thon“ über die Braukämperstraße.
Trotz des Unentschiedens gegen die Bayern hatte Olaf gute Laune, denn so viel Zuspruch vor seiner Haustür hat er an diesem Tag nicht mehr erwartet. Ihr könnt euch vorstellen wie lange es nun dauerte, bis der letzte Fan endlich sein Autogramm bekommen hat. Auch als Olaf schon lange in seiner Wohnung verschwunden war, standen die Fans noch immer mit Tränen in den Augen vor der Wohnung und feierten Olaf weiter. Für mich fing nun mein Job wieder von vorne an. Ich glaube es war schon weit nach 20:00 Uhr, als ich endlich alle Mitreisenden im Bus hatte und wir die Fahrt nach Saerbeck fortsetzen konnten.
Ich bin mit Olaf auf der Braukämperstraße großgeworden und habe zahlreiche schöne Momente auf dieser Straße erlebt. Das war meine Heimat. Und jedes Mal, wenn ich heute noch an der ehemaligen Wohnung meiner mittlerweile verstorbenen Eltern vorbeikomme, sehe ich den Gelenkbus auf der Straße und die 70 Fans vor der verschlossenen Tür stehen. Und ein „Olaf Thon, Olaf Thon, Olaf Thon“ ertönt immer wieder in meinen Ohren …
»Das Leben ist nicht immer perfekt, aber es gibt Momente, die machen die Situation perfekt.«
1988 – Mein geheimes Konto in Österreich.
Ach, was hätte ich doch nur für ein tolles Leben, wenn nur die Hälfte von dem stimmen würde, was einige Fans sich so erzählen. Über mich und meine „angeblichen“ Vermögensverhältnisse gibt es ja die tollsten Geschichten. Hinter vorgehaltener Hand und aus natürlich wasserdichter Quelle wird erzählt, dass ich mehrere Häuser im Sauerland besitze und auch Ferienwohnungen in Bayern und auf Sylt sind meins. Natürlich nicht zu vergessen die (vielen) Häuser in Gelsenkirchen und die mehreren Eigentumswohnungen im Ruhrpott.
Diese Schlauköpfe haben immer geglaubt, dass alles, was ich im Schalker Fan-Club Verband an Einnahmen erwirtschafte, sei es durch Kartenvorverkauf, Fan-Kneipe oder Fan-Shop, mir persönlich gehörten. Das ich aber auch nur ein Angestellter des Verbandes war, haben, oder wollten, diese Schlauköpfe trotz mehrfachen Erklärungen nicht verstehen oder glauben. So habe ich dann irgendwann aufgehört, mich zu rechtfertigen. Aber immer, wenn dieses Thema irgendwo wiederaufkam, habe ich, ernsthaft mit einem Grinsen, behauptet, dass ich jetzt nur noch ein bisschen Geld sparen müsste, um mir dann die Berliner Brücke an der Schalker Meile in Gelsenkirchen kaufen zu können. Danach würde ich von allen eine Mautgebühr für die Berliner Brücke verlangen, dann hätte ich es geschafft …
Nur mal so nebenbei bemerkt: Ich habe keine Reichtümer und erwarte auch keine. Das Einzige, was ich gemeinsam mit meiner Gudrun besitze, ist mit ein altes Zechenhaus von 1904 in Gelsenkirchen-Erle. Für dieses Objekt zahlen wir eine monatliche Erbpacht und natürlich auch die Kosten für Strom, Heizung, Wasser und was sonst noch so anfällt. Und nein, wir haben weder Aktien noch Sparbücher und unsere Konten sind auch nicht prall gefüllt, sondern „nur“ ausgeglichen. Und wenn ich mich jetzt schon so „nackig“ mache: Gudrun und ich leben zusammen von 1.500 Euro Rente, aber damit sind wir glücklich und zufrieden.
Na gut, jetzt habe ich doch ein wenig geschwindelt, ich besitze ja noch ein geheimes Konto. Zwar nicht in der Schweiz, aber in Österreich. Und da ist auch noch ein „dickes“ Guthaben drauf. Wie ich zu diesem Konto kam, ich erzähle es euch.
Wie schon erwähnt, habe ich früher bei der Versicherung gutes Geld verdient. So konnten wir es uns leisten, mit unseren drei Kindern mindestens zweimal im Jahr für 14 Tage in den Urlaub zu fahren.
Im Jahr 1988 waren wir im Winterurlaub im Allgäu. Als ich irgendwann im August des Jahres am Abend vor dem Fernseher saß und durch die Programme zappte, bin ich bei einem Bericht über eine Bank in Österreich gelandet. Diese Bank war nur von deutscher Seite aus erreichbar. Ich glaube sogar, dass es da noch ein oder zwei andere Banken gibt. Aber die Bank, von der gerade im Fernsehen berichtet wurde, lag in Reutte, einem Ort, der nicht sehr weit von unserem Urlaubsort entfernt war. In diesem Fernsehbericht wurde erwähnt, dass unheimlich viele deutsche Geschäftsleute mit ihren dicken Autos hierhinfahren, um ganz viel Schwarzgeld einzuzahlen. Denn die österreichische Bank gibt scheinbar keine Daten an die deutschen Finanzbehörden weiter.
Mal ehrlich, wer von uns ist nicht gerne einmal ein Träumer? Ich war in diesem Augenblick nicht nur ein Träumer, sondern auch reichlich naiv. Ich war fasziniert von dem Bericht über ein „Geheimkonto im Ausland“ mit einem millionenschweren Guthaben. Und ja, ich verdiente damals wirklich gutes Geld. Aber es ist nicht möglich, vor allem bei einer großen Versicherung,