Eine Blau-Weisse Autobiografie "5:04" – Es ist niemals zu früh, um Schalke zu leben. Rolf Rojek

Eine Blau-Weisse Autobiografie


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Also ging es schnell ins Auto und zum einzigen Blumenladen, der genau in der Dorfmitte lag, um wenigsten einen Blumenstrauß mitzubringen. Die Verkäuferin war sehr freundlich und gemeinsam stellten wir einen bunten Strauß Blumen zusammen. Danach fragte sie mich, ob ich noch einen Wunsch hätte. Und so wie ich bin, äußerte ich meinen Wunsch, wenn auch nur aus Spaß.

      »Ja, du kannst mir das Haus einpacken, ich suche noch eins.« Sie guckte mich an, lachte und antwortete genau so locker wie ich. »Super, wir wollen unser Haus verkaufen. Soll ich es in Papier oder Folie einwickeln?« Ich bekam große Augen und in meinem Kopf fing es sofort an zu arbeiten. »Ein Haus mit einem Ladenlokal mitten im Dorf, das wäre doch was.« Ich sagte ihr, dass ich jetzt leider keine Zeit hätte, aber ich mich gleich morgen früh bei ihr melden würde.

      In Albachten schauten Gudrun und ich uns gemeinsam mit Hans-Jürgen und seiner Frau das Spiel an. Deutschland gewann 4:1. Aber das war für mich jetzt unwichtig, mir ging das Gespräch im Blumenladen nicht mehr aus dem Kopf. Direkt am Montagmorgen saß ich früh am Schreibtisch und machte Pläne, falls das mit dem Hauskauf funktionieren würde. Ein Blumenladen käme auf alle Fälle nicht mehr da rein. Auch nicht mein Versicherungsbüro, denn das hatte ich ja in Greven. Aber ich wusste durch mein gut funktionierendes Netzwerk, dass die beiden älteren Betreiber des einzigen Lottoladens in Saerbeck in Kürze schließen wollten. Lotto, das wäre was für mich, dachte ich. Und Gudrun ist außerdem eine fleißige Sammelbestellerin bei Quelle. Warum nicht auch eine Quelle-Agentur, überlegte ich. Das wären gleich zwei Gewerbe mit minimalem finanziellen Eigenaufwand. Ich nahm mir also vor, sofort nach dem Gespräch mit der Laden- und Hausbesitzerin, bei Lotto und Quelle anzurufen. Ja, ich war schon immer spontan. Ein paar Stunden später saß ich mit meiner Gudrun und den beiden Besitzern der Immobilie bei einem Kaffee zusammen. Wir machten eine Hausbesichtigung von maximal 15 Minuten, danach stand für uns fest: Wenn der Preis stimmt, schlagen wir zu.

      Das Haus war zwar bedeutend kleiner als unsere Doppelhaushälfte und hatte nur knappe 110 qm Wohnfläche, dafür aber einen sehr schön angelegten Garten. Damit lässt es sich doch erst einmal leben, dachte ich. Gleichzeitig hatte ich aber schon andere Pläne im Kopf. Typisch für mich, den Kaufpreis kannten wir noch nicht, aber ich war gedanklich schon im Umbau.

      Nun ja, mit 305.000 DM war das Objekt schon ziemlich nahe an unserer oberen Schmerzgrenze. Aber die Lage und meine Pläne glichen das wieder aus. So ging dann auch alles ganz schnell: Die Finanzierung über meinen Arbeitgeber war überhaupt kein Problem. Von der Lottozentrale aus Münster lag das OK für die Übernahme der alten Lottoannahmestelle vor und auch Quelle hatte bereits zugesagt. Ich denke, das war schon eine starke Aktion. Ein Haus mit Ladenlokal zu kaufen, dazu eine Lotto- und Quelle-Agentur übernehmen und das alles ohne Eigenkapital. Schon sechs Wochen später sind wir umgezogen und zwei weitere Wochen später gab es in Saerbeck eine große Neueröffnung zu feiern …

      Es war ein schönes Ladenlokal. Die Lottoannahmestelle wurde durch Zeitschriften und Tabakwaren ergänzt und durch den Kontakt zu Rosi-Reisen in Marl haben wir zusätzlich ein „Mini-Reisebüro“ im Laden intrigiert. Ach ja, über Quelle bekamen wir auch noch eine Reinigungsannahmestelle. Ich habe es doch gleich gesagt, der Laden ist zu klein. Gudrun, als Besitzerin der Geschäfte, stöhnte über die viele Arbeit. Das hielt mich aber nicht davon ab, eine Kartenvorverkaufsstelle von Schalke und einige Fan-Artikel in den Laden zu holen….

      Im laufenden und darauffolgenden Jahr erreichten wir so gute Umsätze, dass einem Ausbau des Objektes nichts mehr im Wege stand. Unser Architekt in Saerbeck war gut, aber auch teuer. Schnell hatte er die Pläne für die Vergrößerung des Ladenlokals fertig. Aber das war nicht alles. Ich wollte an dem kleinen Haus ein weiteres Haus anbauen lassen. Beide Häuser sollten bautechnisch als ein Wohnhaus bei der Gemeinde durchgehen, aber es sollte sich trotzdem um zwei verschieden Objekte handeln. Eine schwierige Aufgabe, aber für unseren guten Architekten kein Problem. So sah dann aber auch seine Rechnung aus. Mit der vom Architekten kalkulierten Bausumme inklusive aller Nebengebäude musste ich bei der Hausbank noch einmal 320.000 DM finanzieren …

      Im Frühjahr sollte der Umbau beginnen, aber ich hatte noch gar keine Baufirma. Zum „Glück“ stellte mir mein damaliger Organisationsleiter meiner Versicherung einen Kontakt zu seinem guten Freund her, mit dem er in den letzten zwei Jahren vier Häuser gebaut hatte. Ich dachte, eine bessere Referenz kann es für mich nicht geben. Und mein Gespräch mit dem Bauunternehmer verlief durchweg positiv. Vielleicht lag es auch daran, dass ich noch nie ein Haus gebaut habe, denn ansonsten wäre mir vielleicht der günstige Preis aufgefallen. Aber so habe ich dann den Vertrag mit ruhigem Gewissen unterschrieben und damit begann das Unheil …

      Ein paar Tage später standen Baukran und einige andere Geräte und Werkzeuge bei uns vor der Tür. Es wurde zügig und sauber gearbeitet, sodass mein Architekt zufrieden war. Und da ich ein guter Bauherr war, versorgte ich die Arbeiter und ihren Chef mit Kaffee und Brötchen oder manchmal auch mit einer leckeren Pizza. Schneller als geplant konnten wir das Richtfest feiern. Eines Tages kam der Bauunternehmer zu mir und meinte, ob ich vielleicht ein paar Helfer besorgen könnte, damit es noch schneller vorangehen würde. Na ja, er sah täglich meinen Schwager, meinen Bruder oder meinen Neffen bei uns herumlaufen. Ich sah daher keinen Grund, warum ich meine Verwandtschaft nicht ansprechen sollte. Was sollte dagegen sprechen sie zu fragen, ob sie helfen wollen? Schließlich könnte ich so viel Zeit und Geld sparen. Und natürlich packte meine Verwandtschaft mit an.

      Trotz einer mehrwöchigen Sommerpause, die Mitarbeiter des Bauunternehmers mussten schließlich auch in den Urlaub gehen, ging es meines Erachtens gut voran. Das mein Architekt, der auch die Bauaufsicht hatte, sich öfters mit dem Bauunternehmer besprach, sollte eigentlich normal sein. Das sagten zumindest viele, die schon einmal selbst gebaut haben. Also machte ich mir da keine weiteren Gedanken.

      Eines Tages nahm mich mein Bauunternehmer zur Seite und meinte, ich könnte über 5.000 DM sparen, wenn ich ihm die Bauaufsicht übertragen würde. Schließlich hätte er die Lizenz dazu. Natürlich war das anschließende Gespräch mit dem Architekten nicht so schön. Er fragte mich allen Ernstes, ob ich einen an der Waffel hätte, einem Bauunternehmer die Kontrolle für seine eigene Arbeit zu geben, nur um ein bisschen Geld zu sparen. Aber ich sagte ihm, dass mein Organisationsleiter, zu dem ich volles Vertrauen hatte, schon mehrere Häuser mit dem Bauunternehmer gebaut hat. Was soll da schon schiefgehen?

      Noch heute habe ich seine Worte im Ohr: »Bitte schön, Herr Rojek. Ich habe Sie gewarnt. Hoffen wir, dass alles gut geht.« Aber es ging alles gut, zumindest bis die nächste Teilzahlung für die Bauleistung fällig war. Da kam der Bauunternehmer mit dem nächsten Verbesserungsvorschlag zu mir. Die ganze Arbeit würde noch effizienter laufen, wenn ich ihm eine Bankvollmacht über das Baukonto geben würde. Er bräuchte dann nicht mehr mit jeder einzelnen Rechnung, sei es vom Elektriker oder Installateur, zu mir kommen. Ich könnte damit Zeit und Geld sparen. Ja, dass die Bauaufsicht auch die Kontogewalt hatte, war nicht unüblich. Aber auch nur dann, wenn die Bauaufsicht nicht auch der Bauunternehmer war. Aber ich dachte, ich kann Geld sparen. Ihr wisst, was jetzt kommt. Eines Morgens stand ich auf, schaute aus dem Fenster und erstarrte. Der Baukran war weg!

      Sofort rannte ich zum Telefon und rief den Bauunternehmer an, da ich glaubte, jemand hätte den Kran gestohlen. Er beruhigte mich und sagte nur, er hätte einen wichtigen Auftrag in Rheine dazwischen bekommen, dafür bräuchte er den Kran. Bei uns am Haus seien wir eh schon weiter als geplant und es würden noch irgendwelche Formsteine für die Außenverkleidung fehlen. Daher dachte er, ich hätte nichts dagegen, wenn er für ein paar Tage die Arbeit bei uns liegen lassen würde. Ich habe vom Hausbau keine Ahnung. Und auch wenn es mir nicht unbedingt gefallen hat, stimmte ich der kurzen Unterbrechung zu. Ich erinnerte ihn aber noch einmal an das Loch im Dach, das schon lange von ihm abgedichtet werden sollte. Das Loch behinderte zurzeit noch nicht den Kundenverkehr in unserem Laden, deshalb ließ ich mich auch vertrösten. Er wollte in den nächsten Tagen vorbeikommen, um das Loch notdürftig abzudichten.

      Aus ein paar Tagen wurde eine Woche, ein Monat und es wurde letztendlich Winter. Das Loch in der Decke war noch da, die Heizung im Ladenlokal ging nicht mehr, die Textilien im Geschäft waren klamm und schimmelten und auch die Elektroteile waren genauso feucht wie die Lottoscheine, die damals noch in der Maschine registriert wurden. Nichts ging mehr, nichts war mehr zu gebrauchen. Seltsamerweise


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