Der neue Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman - Michaela Dornberg


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die soll mir ein Attest ausstellen.«

      Inge kommentierte das jetzt nicht, weil sie genau wusste, dass Pamela es nicht tun würde. Sie war impulsiv, aber sie konnte auch sehr schnell wieder verzeihen, und sie würde spätestens in einer Woche wieder mit Jennifer reden als sei nichts geschehen.

      »Mami, ich brauche jetzt unbedingt eine heiße Schokolade mit ganz viel Sahne, ich brauche Kekse, und dann brauche ich unbedingt noch etwas zum Freuen.«

      Insgeheim atmete Inge erleichtert auf, als wenn sie es geahnt hätte. Es war ihr tatsächlich gelungen, das rote Kleid zu nähen.

      Inge strich ihrer Jüngsten über die wilden braunen Locken, drückte sie fest an sich.

      »Mein Liebes, dann lauf mal rasch hinauf in dein Zimmer, ich glaube, dort ist etwas, worüber du dich freuen wirst, und ich kümmere mich derweil um die heiße Schokolade.«

      Die schlechte Laune war wie weggeweht.

      »In meinem Zimmer? Dort gibt es etwas, worüber ich mich freuen werde?«

      Inge nickte, Pamela befreite sich aus der Umarmung ihrer Mutter, stürmte aus der Küche, und Luna hechelte ihr, wie konnte es auch anders sein, hinterher.

      Inge blickte ihnen lächelnd hinterher, dann kümmerte sie sich um die heiße Schokolade, das war wirklich etwas, was alle Kinder gern mochten, auch dann, wenn sie nicht mehr klein waren und sich längst im Teenageralter befanden. Kekse stellte sie ebenfalls auf den Tisch.

      Doch wo blieb Pamela?

      Die hätte längst wieder in der Küche sein müssen.

      Gefiel ihr das Kleid nicht? Entsprach es nicht ihren Vorstellungen?

      Schon wollte Inge hinaufgehen und nachsehen, als Pamela die Treppe heruntergepoltert kam. Es hatte so lange gedauert, weil sie das Kleid direkt angezogen hatte.

      »Mami, Mami, es ist ein Traum, und sieh nur mal, wie perfekt es passt! Genau so habe ich es mir gewünscht. Du bist so lieb, die bist die Beste. Doch ich kann dich jetzt nicht umarmen, ich möchte nicht, dass mein Traumkleid zerknautscht.«

      Sie war aufgeregt, hochrot im Gesicht und diese Farbe wetteiferte beinahe mit der des Kleides.

      Luna bellte vor lauter Begeisterung mit, und Inge strahlte.

      Durch das Gebelle und Pamelas Kreischen angelockt, kam Professor Auerbach in die Küche. Er wollte seine Tochter umarmen, doch die wich zurück. »Papi, umarmen müssen wir uns später. Ich möchte nicht, dass an mein schönes neues Kleid etwas drankommt. Ist es nicht wundervoll? Und es passt haargenau. Die Mami ist eine Künstlerin, und ich habe jetzt auch wieder gute Laune und ärgere mich überhaupt nicht mehr über die dumme Jennifer.«

      Professor Auerbach war ein wenig ratlos. Er hatte ja vorher nichts mitbekommen.

      Pamela drehte sich vor ihrem Vater um ihre eigene Achse, lief auf und ab.

      »Und, Papi, wie findest du es? Ist das Kleid nicht ein Traum? Ich könnte wetten, dass so ein schönes rotes Kleid sonst niemand hat.«

      Pamela war wirklich außer Rand und Band, der Professor fühlte sich ein wenig überfordert.

      »Willst du nicht erst einmal deinen Kakao trinken, ehe er kalt wird?«, erkundigte er sich.

      »Papi, das ist kein Kakao, das ist eine heiße Schokolade, das ist ein gewaltiger Unterschied. Und weißt du was, so gut bereitet sie auch nur die Mami zu.«

      »Ja, mein Kind, das glaube ich dir sogar. Aber du, pass jetzt mal auf, dass du vorsichtig trinkst, damit dein schönes neues Kleid keine Flecken bekommt.«

      Pamela überlegte einen Augenblick, blickte verlangend zu ihrer Trinkschokolade und den verlockend aussehenden Keksen, dann traf sie eine Entscheidung.

      »Ich ziehe mich ganz schnell um, und dann kann ich dich auch umarmen, Papi.«

      Sie rannte hinaus, natürlich Luna auch diesmal hinterher, Professor Auerbach blickte seine Frau an.

      »Was ist denn mit unserer Tochter los?«, wollte er wissen.

      Inge lachte.

      »Sie freut sich, mein Lieber. So ein rotes Kleid war ihr Traum.«

      »Den du ihr natürlich sofort erfüllt hast. Das Kleid ist ja wirklich schön, wie du das wieder gemacht hast. Aber weißt du, was ich mir wünsche?«

      »Du wirst es mir sagen.«

      »Dass unsere Kleine auch einmal so quietscht, wenn sie etwas von mir bekommt.«

      »Werner, das heißt ja jetzt wohl nicht, dass du eifersüchtig auf mich bist, oder?«

      Werner Auerbach ging auf seine Frau zu, nahm sie in seine Arme, blickte sie zärtlich an.

      »Liebes, das versuche ich erst überhaupt nicht. Gegen dich hätte ich überhaupt keine Chance.«

      Nach diesen Worten küsste er sie.

      Pamela hatte sich erstaunlich schnell umgezogen. Sie kam in die Küche gestürzt, Luna ihr natürlich hinterher.

      Mitten im Raum blieb sie ganz verblüfft stehen, ehe sie ausrief: »Mami, Papi, ihr seid ja noch immer verliebt.«

      Der Professor ließ seine Frau los, lachte, ehe er sagte: »Ja, mein Kind, das sind wir, und so soll es auch bleiben.«

      Inge war verlegen und voller Freude zugleich, Werner war vergnügt, und Pamela stürzte sich auf ihre heiße Schokolade, und die Keksschale war erstaunlich schnell leer.

      Ja, es war wieder schön bei den Auerbachs, alle dunklen Wolken hatten sich verzogen. Nun ja, nicht ganz, da gab es ja noch Jörg, der gerade dabei war, die Scherben seiner Vergangenheit aufzuheben. Doch mit seiner Charlotte hatte er eine Chance. Und Hannes? Eigentlich musste man sich um den keine Sorgen machen, Hannes würde seinen Weg immer gehen. Doch er war ihr Kind, und um seine Kinder machte man sich immer Sorgen, egal, wie alt sie waren.

      Pamela begann über ihren Aufenthalt im Schullandheim zu reden, und auf einmal war alles überhaupt nicht mehr so schlimm, auch nicht die Tatsache, dass man die schreckliche Jennifer in ihrem Zimmer einquartiert hatte. Lag das alles an dem neuen roten Kleid?

      Nun, wenn das so war, wenn man so schnell Probleme lösen, Ärgernisse beseitigen konnte, dann würde Inge ihre Nähmaschine häufiger anschmeißen.

      *

      Es war ganz schön viel passiert. Bis zuletzt hätte Roberta nicht für möglich gehalten, dass ihre Freundin Nicki tatsächlich ihren ein wenig wahnwitzigen Plan in die Tat umsetzen würde, den Jakobsweg zu gehen, angefangen in Frankreich, und enden sollte er, wie bei allen Pilgern, in Santiago de Compostela. Eine solche Konsequenz hätte Roberta ihrer Freundin nicht zugetraut. Sie hatte ein Ziel, und Nickis letzte Worte klangen noch immer in ihr nach: »Ich gehe diesen Weg, um zu begreifen, wer ich bin und was ich will.«

      Würde sie es herausfinden?

      Es war ihr zu wünschen, doch Nicki war kaum unterwegs, als sie Roberta bereits fehlte. Vielleicht traf das augenblicklich besonders zu, weil sie von Lars derzeit nicht viel hörte. Es war typisch für ihn, einfach abzutauchen und zu erwarten, dass es für alle okay war.

      Die so verschwenderische Pracht der roten Rosen war längst verwelkt, und der Brief war in einer Schublade verschwunden. Aus einer Sentimentalität heraus, hatte sie wenigstens eine Rosen trocknen wollen und die als Erinnerung aufbewahren. Sie hatte sich dagegen entschieden, Erinnerungen bewahrte man im Herzen auf, und Briefe, waren sie noch so gefühlvoll, verloren ein wenig ihren Zauber, wenn ihnen nichts folgte.

      Im Grunde genommen war es wie immer. Eines hatte sich allerdings verändert.


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