Der neue Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman - Michaela Dornberg


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      »Sie sind weg, Frau Doktor. Und das werden sie auch ­hoffentlich bleiben. Es ist doch­ ­alles in Ordnung bei uns?«, ­erkundigte sie sich vorsichtshalber und auch ein bisschen ängstlich. Denn das, was ge­rade geschehen war, hätte sie niemals für möglich gehalten. Eine Praxisdurchsuchung, doch nicht bei ihnen!«

      Die Anteilnahme von Ursel Hellenbrink tat gut.

      Roberta war zu Tränen gerührt, doch die hielt sie zurück, denn denen würden dann auch Tränen des Zorns, der Enttäuschung folgen.

      »Mein Exmann hat mich wegen eines Arzneimittelmissbrauchs angezeigt. Er wollte mir Ärger machen.«

      Es stand Ursel jetzt nicht zu, sich jetzt dazu zu äußern, sie hatte schon ein paar passende Worte parat. So sagte sie nur: »Ich gehe dann jetzt auch, ich habe die Patienten für heute Nachmittag bestellt, die heute früh nicht behandelt werden konnten. Der erste Patient kommt um halb drei.«

      »Danke, Ursel, aber Sie müssen wirklich nicht kommen. Ich schaffe das allein.«

      »Das weiß ich, Frau Doktor. Aber dennoch werde ich kommen. Gemeinsam schaffen wir es schneller.«

      Roberta bedankte sich noch einmal. Ursel Hellenbrink war nicht in Gold aufzuwiegen. Ursel wurde zwar sehr gut von ihr bezahlt, doch die nächste Gehaltserhöhung war spätestens jetzt fällig. Ein solcher Einsatz musste einfach belohnt werden.

      Ursel ging nach Hause, Roberta nach nebenan in die Wohnung, und sie war froh, dass Alma jetzt nicht da war, dass sie ihr einen Salat mit gebratener Putenbrust hingestellt hatte, den sie gleich essen würde … vielleicht essen würde. Ihr war ganz schön flau zumute. Auch wenn sie von Anfang an gewusst hatte, dass sie sich nichts vorzuwerfen hatte, dass bei ihr wirklich alles korrekt war, verursachte es einem schon ein ganz schön flaues Gefühl, wenn da plötzlich Männer in grauen Anzügen dastanden und alles durchsuchen wollten.

      Dass jemand von der Ärztekammer kam, das hatte Roberta vorher noch nie erlebt, auch nicht davon gehört. Ursel hatte recht, so etwas hörte man nur von der Steuerfahndung, die plötzlich kam, um Unrechtmäßigkeiten aufzudecken.

      Max!

      Der Teufel sollte ihn holen. Durch seine Verhaltensweise zerstörte er noch den Rest schöner Erinnerungen, die sie von der Ehe mit ihm noch hatte. In ihr war nur noch Enttäuschung, ja, und da war auch noch ein tiefer Schmerz.

      Sie hatten sich doch einmal geliebt …

      *

      Inge beruhigte sich allmählich, denn Werner verhielt sich liebevoll und nett wie immer. Und das tat doch kein Mann, der Dreck am Stecken hatte, der sich heimlich nach einer anderen Frau, wohlgemerkt einer jüngeren, sehr attraktiven Frau, sehnte.

      Jetzt ärgerte sie sich, es nicht angesprochen zu haben, und noch mehr ärgerte sie, dass sie nicht einfach auf ihn und diese Frau zugegangen war, als sie die beiden in dem beliebten Café-Haus entdeckt hatte.

      Das hätte ihr so manch schlaflose Nacht erspart, und sie hätte Gewissheit, so oder so.

      Inge war fest entschlossen, keinen einzigen Gedanken mehr an ›das‹ zu verschwenden, und sie würde sich auch keine Gedanken mehr machen, wenn Werner ihr Blumen mitbrachte. Statt sich zu freuen, war da sofort die Stimme in ihr, die ihr zuflüsterte, dass er das doch nur tat, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen.

      Was für ein Unsinn!

      Werner war ein aufmerksamer Ehemann, der immer wieder Blumen mitbrachte, ohne dass es einen Anlass dazu gab.

      Schluss!

      Ab sofort würde sie ihm offen und ohne Misstrauen begegnen.

      Das bedeutete nämlich auch, dass sie sich die sinnlosen, klammheimlichen Fahrten nach Hohenborn ersparen konnte, die sie immer unternahm, wenn Werner das Haus verließ. Er hatte auch früher nicht immer gesagt, wohin er dann ging oder fuhr. Warum also sollte er jetzt damit anfangen?

      Inge lief um den See, nun ja, um den halben See, das war auch schon eine ganz schöne Strecke. Es tat gut, sie entspannte sich immer mehr. Hin und wieder blieb sie entzückt stehen, um Enten zu beobachten, die sich schnatternd zankten, um sich Schwäne anzusehen, die ruhig und geradezu majestätisch dahinschwammen. Sie waren auf dem Wasser so wundervoll anzusehen, eigentlich war es unvorstellbar, dass sie an Land so plump und ungelenk erschienen. Möwen kreischten, und auf dem Wasser waren Paddler und Ruderer unterwegs. Segelboote sah man keine, was auch nicht verwunderlich war, es herrschte Flaute. Der See war beinahe spiegelglatt, nur hier und da kräuselten sich ein paar kleine Wellen, die es gemächlich zum Ufer trieb.

      Inge hatte ganz vergessen, wie wunderschön es hier war und wie privilegiert sie doch waren, hier wohnen zu dürfen. Wenn man diese herrlichen Bilder ständig sah, dann wurden sie zur Selbstverständlichkeit, der man kaum noch Beachtung schenkte, und das war sehr schade.

      Sie hätte Luna mitnehmen sollen, mit der würde sie nicht so herumtrödeln, sondern wäre gezwungen gewesen, schneller zu laufen. Doch die hielt sich gern nebenan bei ihren Eltern auf, wenn Pamela in der Schule war. Und Inge war sich sicher, dass das in erster Linie geschah, weil sie dort nach Strich und Faden verwöhnt wurde. Es konnte aber auch durchaus daher rühren, dass Luna sich meistens bei ihren Eltern aufgehalten hatte, als Pamela nach Australien zu Hannes geflohen war und sie und Werner große Ängste ausgestanden hatten, sie könnten ihre geliebte Jüngste für immer verloren haben. Welch ein Glück, dass das vorbei war. Pamela war wieder daheim, und es war beinahe wieder so wie früher. Nicht ganz, denn jetzt sprachen sie, wenn Pamela es wollte, und das kam zwischendurch vor, auch über deren leibliche Eltern, die verunglückt waren, als Pamela noch ein Kleinkind gewesen war.

      Es hatte ihrer Liebe keinen Abbruch getan, und sie hätten sich wirklich eine ganze Menge an Kummer, Sorgen und seelischem Leid erspart, wenn sie Pamela, ihr Bambi, wie sie die Kleine liebevoll genannt hatten, beizeiten die Wahrheit gesagt hätten.

      Man stand sich wirklich manchmal unnötigerweise selbst im Weg. Wenn Hannes nicht gewesen wäre …

      Hannes …

      Bei dem Gedanken an ihn war es mit der trägen Beschaulichkeit bei Inge vorbei. Der See, die Tiere darauf, die Bäume, Sträucher, die wilden Blumen, die am Ufer wuchsen, das alles hatte von einem Moment auf den anderen seinen Zauber verloren.

      Sie fröstelte, obwohl es warm war.

      Wie es Hannes wohl ging? Seit er weg war, hatten sie nichts mehr von ihm gehört, und er hatte sich auch nicht bei Ricky und Jörg gemeldet.

      Eigentlich sollte Inge jetzt nicht beunruhigt sein, denn das hatten sie so vereinbart. Nachdem sein Lebenstraum in Australien sich für ihn von einem Tag auf den anderen zerschlagen hatte, hatte er sich entschlossen, den Jakobsweg zu gehen, nicht die letzten hundert Kilometer, um in Santiago de Compostela die begehrte Pilgerurkunde zu bekommen. Nein, darum war es Hannes nicht gegangen. Und er lief den ganzen beschwerlichen Weg von Frankreich aus, allein. Ihr brach fast das Mutterherz, wenn sie daran dachte, dabei musste man sich um Hannes wirklich keine Sorgen machen.

      Auf jeden Fall hatte Inge jetzt keine Lust mehr, um den See zu laufen, und auch wenn sie die Hälfte ihres Weges noch nicht zurückgelegt hatte, kehrte sie um.

      Außerdem hatte sie sich vertrödelt, es wurde Zeit, sich um das Mittagessen zu kümmern. Pamela hatte immer einen Bärenhunger, wenn sie aus der Schule kam, und Inge wunderte sich immer wieder, was Pamela in sich hineinstopfen konnte, ohne zuzunehmen. Sie war groß und schlank, wie Ricky, dabei waren die beiden keine leiblichen Geschwister.

      Sie traf noch ihre Nachbarn, die den schönen Tag ebenfalls nutzen wollten, sich die Beine ein wenig zu vertreten.

      »Frau Auerbach, hat es Sie auch nicht daheim gehalten?«

      »Nein, das schöne Wetter muss man nutzen. Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei Ihrem Spaziergang.«


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