Der neue Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman. Michaela Dornberg
du?«
Er blickte sie an.
»Ganz einfach, ich will dich zurück. Es war ein großer Fehler von mir, dich gehen zu lassen. Du siehst übrigens sehr hübsch aus, die neue Frisur steht dir.«
Angela stand immer noch mitten im Raum, sie hielt den Blumenstrauß in der Hand. Sophia war geistesgegenwärtig genug, jetzt aufzustehen, ihr den Blumenstrauß abzunehmen.
»Mama, bitte bleib. Ich habe mir mit Herrn Halbach nichts mehr zu sagen.«
»Ich will doch bloß diese wunderschönen Blumen ins Wasser stellen«, sagte Sophia beinahe ein wenig kleinlaut. Das war vorgeschoben, Angela kannte ihre Mutter. Die war ein höflicher Mensch und hatte längst bereut, ihren ehemaligen Schwiegersohn aus lauter Höflichkeit ins Haus zu lassen.
Sie hatten sich nichts zu sagen, hatten sich noch niemals etwas zu sagen gehabt. Und Sophia hatte nie verstanden, warum ihr einziges Kind ausgerechnet diesen Menschen geheiratet hatte.
Sophia verschwand, und Angela war sich sicher, dass sie auch nicht zurückkommen würde, solange der ungebetene Besucher im Haus war.
Wim Halbach stand auf, wollte auf Angela zugehen, doch die wich aus.
»Bitte geh jetzt und komme niemals mehr hierher.«
Er ignorierte es.
»Mein Gott, ja, ich habe Fehler gemacht. Es war nicht sehr gentlemanlike, wie ich mich verhalten habe. Das gebe ich ja zu. Aber ich war verletzt, weil du mich verlassen hast.«
Damit sollte er erst überhaupt nicht anfangen.
»Und warum habe ich dich verlassen? Weil in der riesigen Villa, in der man sich aus dem Weg hätte gehen können, für meine Mutter nach deren Unfall kein Platz war. Ich werde niemals vergessen, wie du eiskalt sagtest, in deinem Haus sei für Krüppel kein Platz.«
»Herrgott, leg nicht jedes Wort auf die Goldwaage, es tut mir leid. Auch die Scheidung, es war dumm von mir, das übereilt durchzuziehen. Ich möchte, dass du zu mir zurückkommst.«
Sie schenkte ihm einen verächtlichen Blick.
Er hatte ihr so viel angetan, wie hatte sie unter ihm und seiner Hartherzigkeit gelitten. In ein Heim hatte er ihre Mutter abschieben wollen, und dort wäre sie seelisch und körperlich verkümmert.
»Ich möchte aber nicht zu dir zurück, Wim. Niemals, durch dein Verhalten hast du alle Türen zugeschlagen. Und jetzt bitte ich dich zum letzten Male zu gehen.«
War er taub?
»Deine Mutter ist ja wieder ganz gut zurecht, meinetwegen kann die mitkommen, so ist sie ja nett. Du hast kein Geld, einen Job wirst du nicht mehr finden. Willst du irgendwann mal ein Sozialfall werden, und das nur aus falsch verstandenem Stolz? Angela, besinn dich. Wir hatten doch eine gute Zeit miteinander, ich war großzügig, und sei doch jetzt nicht nachtragend. Mehr als entschuldigen kann ich mich nicht. Wenn du willst, dann kaufe ich dir ein neues Auto, du bekommst den Schmuck, den du willst, du kannst …«
Sie ging zur Tür, öffnete die, dann sagte sie mit eiskalter Stimme: »Wenn du jetzt nicht gehst, dann hole ich die Polizei, verschwinde, und lass dich hier niemals mehr blicken.«
Er konnte es nicht fassen. Er hatte so fest damit gerechnet, dass sie zurückkommen würde. Sie hatte perfekt seine Geschäftsfreunde bewirtet, war die richtige Frau an seiner Seite gewesen, auch wenn der Adel abgeschafft worden war, ein Titel nur noch Bestandteil eines Namens war. Es hatte ihm gefallen, eine ›von‹ geheiratet zu haben, und das hatte seine Geschäftsfreunde beeindruckt, nicht nur das, durch ihr gutes Benehmen, ihren Stil, ihre Fremdsprachen, die sie fließend beherrschte, war sie etwas Besonderes.
»Verflixt noch mal, Angela. Was soll ich denn jetzt noch tun?«, begehrte er auf. »Einen Stepptanz machen? Vor dir auf die Knie fallen? Sag, was du willst, und ich werde alles tun, um dich zu besänftigen.«
»Ich sag dir, was du jetzt tun sollst, Wim«, sagte Angela leise, und sie wunderte sich selbst, wie ruhig ihre Stimme klang. Innerlich sah es ganz anders aus. Sie war zwar längst fertig mit ihrem Ex, doch wenn sie ihn sah, dann kam alles wieder hoch, was er ihr angetan, wie er mit ihr umgegangen war. Ganz so, als sei sie seine Sklavin gewesen, mit der man tun konnte, was man wollte. »Geh jetzt, sofort, und das sage ich jetzt wirklich zum allerletzten Male.«
Sie meinte es ernst, denn jetzt öffnete sie auch noch die Haustür. Er hatte keine andere Wahl, wusste, dass er jetzt nichts anderes machen konnte, als sich ihrer Aufforderung zu beugen. So, wie Angela jetzt drauf war, würde sie es zu einem Eklat kommen lassen. Sie würde ihre Drohung wahr machen und die Polizei rufen.
Und seinen Namen in einer Polizeiakte zu finden, das ging überhaupt nicht. Mit seinen Geschäften bewegte er sich häufig am Rande der Legalität, da verhielt man sich ruhig. Da machte man nicht auf sich aufmerksam. Er konnte nur froh sein, dass von diesen Geschäften Angela nichts wusste. Wie hätte er ihr es denn auch sagen können, die hätte ihm doch das Leben zur Hölle gemacht, und vielleicht würde sie es jetzt gegen ihn verwenden. Er hätte es zumindest getan. Er war immer auf seinen Vorteil bedacht, und er bekam, was er wollte. Es wurmte ihn deswegen sehr, dass er bei seiner Exfrau einfach nicht zum Zuge kam.
Warum war er auch so blöd gewesen!
Angela war der seriöse Part in seinem Leben gewesen. Mit ihr an seiner Seite wäre niemand auf den Gedanken gekommen, dass es nicht immer alles ganz koscher war, was er da so tat, um ein Geschäft für sich zu machen, das viel Geld einbrachte.
Er ärgerte sich maßlos über sich selbst. Er hatte alles vermasselt. Doch hätte er denn damit rechnen können, dass die Alte sich wieder so gut erholen würde?
Als er an Angela vorbeiging, trat sie einen Schritt zurück und blickte angestrengt zur Seite.
»Ich warne dich. Wenn du hier noch einmal auftauchst, dann wird es Konsequenzen für dich haben. Das ist jetzt keine leere Drohung, sondern es ist mein voller Ernst. Verschwinde aus meinem Leben.«
Dann knallte sie hinter ihm die Haustür zu, und ehe sie wieder ins Wohnzimmer ging, hörte sie, wie er mit seinem Auto davonbrauste, das sie vorher im Überschwang ihrer Gefühle überhaupt nicht wahrgenommen hatte. Wie hatte sie auch damit rechnen können, dass ihr Exmann erneut auftauchen würde? Bei seinem letzten Versuch, sie wieder an seine Seite zu bekommen, hatte sie ihm deutlich gemacht, dass sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Aber er gehörte halt zu den Menschen, die glaubten, sich mit ihrem Geld alles erkaufen zu können. Sie nicht, sie war nicht käuflich.
Als sie ins Wohnzimmer kam, stand ihre Mutter mitten im Raum, sie hielt die Vase mit den Blumen noch immer in der Hand und sagte: »Es tut mir ja so leid, mein Kind. Irgendwie hat er mich überrumpelt, und ich konnte ihn doch auch nicht vor der Haustür stehen lassen. So etwas gehört sich nicht.«
So war sie, ihre Mutter, sie würde auch noch ihren ärgsten Feind ins Haus lassen, weil es Umgangsformen gab, die man nicht brechen durfte.
»Ist schon gut, Mama. Ich hoffe, er hat dich nicht allzu sehr belästigt.«
»Nein, er war ja nicht lange hier, und eigentlich haben wir kaum miteinander gesprochen. Wir hatten uns ja nie viel zu sagen. Zum Glück ist er jetzt weg. Sag mal, Kind, wohin soll ich denn diese wunderschönen Blumen stellen?«
»Mama, das musst du selbst entscheiden, denn die sind für dich. Ich hatte mir alles ganz anders vorgestellt. Dieser Mann hat alles durcheinandergebracht. Es gibt nämlich einen Grund zur Freude. Ich kann für den Kleve-Verlag als Übersetzerin arbeiten, und ich habe sogar schon den ersten Auftrag in der Tasche.«
Sophia von Bergen begann zu strahlen. Sie hatte sich solche Sorgen gemacht, seit sie ihren Posten als Eventmanagerin bei Mathias von Hilgenberg verloren hatte.
»Das ist wunderbar, Angela.«