Der neue Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman - Michaela Dornberg


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einige Zeit zusammen, doch auch in den Werbewochen hatte er niemals den Wunsch verspürt, unentwegt mit ihr zusammen sein zu wollen. Gut, weil er an seinem Buch über die Eisbären geschrieben hatte, waren sie längere Zeit nicht getrennt gewesen, doch auch da hatte er die meiste Zeit nicht bei ihr verbracht, sondern in seinem kleinen Haus am See.

      Sie würde sich wohl damit abfinden müssen, dass Lars ein Einzelkämpfer war, ein einsamer Bär. Damit kannte er sich aus, darüber hatte er ein erfolgreiches Buch verfasst.

      Sie war traurig, und jetzt war es ihr vollkommen egal, ob sie jemand sah, sie ließ ihren Tränen freien Lauf.

      *

      Inge hatte Werner nichts vorzuwerfen. Er war nett wie immer, und wenn sie das in dem Café nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, dann würde sie nicht glauben, dass es in seinem Leben eine andere gab.

      Was Inge besonders schlimm fand, dass sie gleich die allerschlimmsten Gedanken hatte, wenn Werner unterwegs war, und das war er nun mal von Zeit zu Zeit. Ganz aufgegeben hatte er seine Reisen nicht, dazu war er viel zu umtriebig, und dazu war er auch als Redner, als Gesprächspartner, als Ratgeber viel zu begehrt. Er war wer, und das wollten viele für sich nutzen.

      Bislang war Inge stolz auf ihren Werner gewesen, doch jetzt nagte die bohrende Frage in ihr, ob er allein unterwegs war, oder ob er seine Gespielin mitgenommen hatte. Es gab viele Stunden, in denen er nicht gefragt war, zumindest nicht von seinen Wissenschaftskollegen.

      Warum fuhr sie nicht einfach mit?

      Das wäre jetzt komisch, denn ihren Mann zu begleiten, damit hatte sie vor vielen Jahren aufgehört, und ehrlich gesagt, fand sie das auch zu strapaziös, diese langen Flüge, diese unpersönlichen Hotelzimmer. Die nahm man nicht bewusst wahr, wenn man in heißer Liebe zu jemandem entbrannt war, wenn einem die Umgebung gleichgültig war, wenn man nur den Menschen sah, zu dem man in Leidenschaft entbrannt war.

      Inge wusste, dass sie sich mit solchen Gedanken nur selbst quälte, und sie ärgerte sich auch über sich selbst, dass sie wie Vogel Strauß den Kopf in den Sand steckte, statt Werner mit ihrem Wissen zu konfrontieren.

      Hatte sie nicht am eigenen Leib erfahren, welch bittere Folgen es haben konnte, wenn man zu feige war, die Wahrheit auszusprechen?

      Sie und Werner hatten es immer wieder hinausgeschoben, Pamela zu sagen, dass sie keine echte Auerbach war, dass man sie adoptiert hatte, dass sie aber das Kind ihrer Herzen war.

      Es war ihnen um die Ohren geflogen, denn unglücklicherweise hatte es Pamela in der Eisdiele, ausgerechnet dort, durch einen dummen Zufall durch das zufällig gehörte Gespräch von zwei schwatzsüchtigen Frauen erfahren.

      Hatte sie nichts daraus gelernt? Wollte sie warten, bis Werner zu ihr kam, um sie um die Scheidung zu bitten, weil er mit dieser anderen Frau den Rest seines Lebens verbringen wollte?

      Sie bekam eine Gänsehaut, war wie gelähmt, sie vergaß vor lauter Entsetzen sogar für einen Moment zu atmen.

      Werner und eine andere Frau!

      Das war so unvorstellbar, dass es ihr körperlich wehtat.

      Inge zuckte zusammen, als es an der Haustür Sturm klingelte. Sie riss sich zusammen, lief zur Tür, um zu öffnen, ehe jemand, der es eilig zu haben schien, noch die Klingel abriss.

      Vor der Tür stand Rosmarie Rückert, mit der hätte sie nun überhaupt nicht gerechnet, doch sie freute sich.

      Rosmarie fiel ihr um den Hals.

      »Ich wollte schon wieder gehen, hast du mein Klingeln nicht gehört? Ich habe mir schon den Finger plattgedrückt.«

      Sie hatte es nicht gehört, weil sie in ihre düsteren Gedanken versunken gewesen war.

      »Rosmarie, schön, dass du da bist. Wann seid ihr zurückgekommen? Und lass dich mal ansehen, du siehst ganz anders aus. Aber das gefällt mir.«

      Rosmarie lachte.

      »Wir kamen gestern am Abend zurück, und ja, ich sehe anders aus, beinahe so wie du, ich meine, was die Kleidung anbelangt. Von all meinen Sachen konnte ich natürlich nichts gebrauchen für unser Leben im Wohnwagen. Da muss alles bequem sein, leicht zu waschen, unempfindlich. Bekomme ich einen Kaffee, Inge?«

      »Ja klar, und wie du weißt, brauchst du auf den bei mir nicht zu warten, der steht immer da.«

      Rosmarie hatte ihre Haare ganz kurz schneiden lassen, sie trug eine ein wenig ausgebleichte Jeans, ein kariertes Hemd und Turnschuhe, statt einer ihrer Designeruhren hatte sie an ihrem Handgelenk eine preiswerte No-Name-Uhr. Früher wäre das für Rosmarie undenkbar gewesen, so wäre sie auch nicht unter einer Strafandrohung aus dem Haus gegangen. Jetzt war es für sie eine Selbstverständlichkeit.

      Es war unglaublich, wie sehr Rosmarie sich verändert hatte.

      Sie gingen in die gemütliche Wohnküche, Rosmarie ließ sich auf einen Stuhl fallen und sagte: »Hast du zum Kaffee vielleicht auch etwas Süßes? Kekse, Kuchen, am liebsten beides. All diese Köstlichkeiten, die du da so zauberst, die habe ich unterwegs sehr vermisst.«

      Inge servierte den Kaffee, stellte Kuchen und Kekse hin, was Rosmarie sehr erfreute, dann setzte sie sich ebenfalls und betrachtete ihr Gegenüber erst einmal.

      Rosmaries Haut war, bedingt durch das Leben mehr oder weniger im Freien, tiefbraun. Es hatten sich allerdings auch einigen Falten darin eingegraben, was Rosmarie nichts auszumachen schien. Die andere Rosmarie, die von früher, die wäre jetzt entsetzt und würde sofort den nächsten Termin für ein Lifting bei einem Schönheitsdoktor machen. Da war sie Stammgast gewesen, und Inge konnte sich noch sehr gut daran erinnern, wie ihre Mutter Teresa einmal ironisch gesagt hatte, dass Rosmarie aufpassen müsse, sonst habe sie irgendwann den Bauchnabel mitten im Gesicht.

      Wie sich die Zeiten geändert hatten, es war schon ganz unglaublich.

      Rosmarie stopfte wahllos Kuchen und Kekse in sich hinein, und als sie sich entspannt zurücklehnte, forderte Inge sie auf: »Los, und nun erzähl mal, wie es war.«

      Sie war so froh, dass Rosmarie gekommen war, denn sie war nun von ihren eigenen Problemen abgelenkt, über die sie natürlich jetzt nicht sprechen würde. Das hatte Zeit. Jetzt war Rosmarie erst einmal an der Reihe.

      »Ach weißt du, Inge, wir waren so heiß auf das Reisen mit Jeep und Wohnwagen, dass wir am liebsten durch ganz Europa gekurvt wären. Dann haben wir uns dazu entschlossen, es langsam angehen zu lassen. Wir wollten es genießen, und dennoch haben wir viele Kilometer heruntergeschrubbt auf unserer Fahrt durch Frankreich, Italien, Spanien und Portugal. Wir wollten Land und Leute kennenlernen, das haben wir ein wenig geschafft.« Ihre Stimme wurde leiser, sie blickte nachdenklich auf ihren Teller, auf dem nur noch ein paar Kuchenkrümel lagen, die sie jetzt mit dem Finger auftippte. »Inge, es ist etwas ganz Unglaubliches geschehen, Heinz und ich sind dabei, uns kennenzulernen. Wir waren auf einem guten Weg, aber leider mussten wir zurückkommen, weil es in seinem Notariat um einen ganz großen Fall geht, den man nur von Heinz beurkunden lassen will. Sonst wären wir jetzt auf dem Weg in ein anderes Land. Aber, aufgeschoben, das ist nicht aufgehoben.«

      Inge schwirrte ein wenig der Kopf von allem, was Rosmarie da gesagt hatte. Eines allerdings interessierte sie so sehr, dass sie es hinterfragen musste. »Rosmarie, was meinst du damit, dass ihr auf dem Weg seid, euch kennenzulernen.«

      Rosmarie antwortete nicht sofort, sie nahm sich erst einmal ein weiteres Stück Kuchen, und nachdem sie etwas davon gegessen hatte, sagte sie leise: »Inge, Heinz ist ganz anders. Er ist unternehmungslustig, witzig, zärtlich, mit ihm kann man lachen. Ich konnte es nie verstehen, doch jetzt begreife ich es allmählich, warum sich Adrienne Raymond, eine Tochter aus reichem Hause, in ihn verliebt hat und warum es für sie nach Heinz keinen anderen Mann gegeben hat. Es war sehr tragisch, dass das Schicksal sie getrennt hat, und nicht nur sie scheint unter der Trennung gelitten zu haben, auch


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