Der neue Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman - Michaela Dornberg


Скачать книгу
als du ihm begegnet bist, konntest du das Eis nicht zum Schmelzen bringen?«

      Rosmarie wurde rot.

      »Ach, Inge, daran war ich doch überhaupt nicht interessiert. Heinz passte nicht in mein Beuteschema, ich war nur an dem Geld interessiert, das er in reichem Maße besaß, und ich fand ihn nett. Oberflächlich gesehen hat unsere Ehe ja auch funktioniert, wir waren ein gutes Team, das nebeneinander perfekt funktionierte. Ich, die früher mit jedem Cent rechnen musste, genoss es, eine reiche Frau zu sein, die sich keine Gedanken darüber machen musste, woher das Geld kam. Heinz ist ein großzügiger Mann. Bei mir hat sich angefangen etwas zu verändern, als Cecile in unser Leben trat, Adriennes und Heinz’ Tochter, von der er keine Ahnung hatte. Die ist, trotz ihres vielen Geldes, im Grunde genommen ein einfacher Mensch, sie trägt ihren Reichtum nicht nach außen, prahlt nicht damit. Das hat mich beschämt. Auch du und Teresa, ihr habt sehr dazu beigetragen, dass ich mich verändert habe. Heinz hat es erschreckt, weil er auf einmal mit Geld nicht mehr alles regeln konnte, und er hatte keine Ahnung, wie ich mich verhalten würde, ließe er mich in sein Herz blicken.«

      Sie war still, vergaß sogar, weiter ihren Kuchen zu essen, auch Inge hing ihren Gedanken nach. Sie war es schließlich, die wieder das Wort ergriff.

      »Wenn du ihm nicht gesagt hättest, dass du allein verreisen wolltest, dann wäre nichts anders geworden. Ihr hättet weiterhin nebeneinander hergelebt.«

      »Und wir hätten nichts voneinander gewusst. Sieh mal, das mit dem Jeep und dem Wohnwagen, das war seine Idee. Hättest du ihm so etwas zugetraut?«

      »Nein, nie«, antwortete Inge ganz spontan, und das stimmte ja auch. Er war der Schwiegervater von Ricky, der Ex-Schwiegervater von Jörg. Sie hatten sich sehr häufig getroffen, doch in Heinz hatte Inge immer nur den langweiligen Notar gesehen.

      Ja, es war so zutreffend, dass man Menschen immer nur vor den Kopf gucken sollte. Und, ehrlich gesagt, hatte ihr das auch gereicht. Heinz Rückert war klug, aber durch und durch dröge, so hatte sie ihn zumindest gesehen, und da schien sie sich, wie alle anderen, gründlich getäuscht zu haben.

      »Wir sind uns ganz allmählich und auch sehr vorsichtig nähergekommen, und entscheidend war ein Abend in einem Fadolokal in Lissabon. Wir hatten einen sehr schönen Tag, haben wunderbaren Eintopf gegessen, eine Cata Plana, das ist ein Gericht mit Fisch, Fleisch, Kartoffeln, herrlichen Gewürzen, auch Wurst. Früher war es so etwas wie ein Armeleuteessen, in das man alles hineinschnitt, was man im Hause hatte. Mittlerweile ist es eine köstliche Spezialität mit den erlesensten Zutaten. Wir haben Wein getrunken, und dann hatte Heinz die Idee mit dem Fado. Es war ein schlichtes Lokal, doch es war rappelvoll, weil die Sängerin wohl sehr bekannt und beliebt war. Ich verstehe kein Portugiesisch, doch neben uns saß eine Frau, die ihrem Begleiter den Text übersetzt hat. Es handelte von einer verlorenen Liebe, die über den Tod hinaus hielt, von einer Frau, die mit ihrem Kind allein war, das doch die Tränen eines zerbrochenen Herzens nicht löschen konnte, von der Hoffnung, dem Geliebten unter den Farben des Regenbogens wieder zu begegnen.«

      »Mein Gott, es ist die Geschichte von Heinz und Adrienne«, entfuhr es Inge.

      Rosmarie nickte.

      »Ja, und ich habe Heinz bei diesem Lied auch zum ersten Mal im Leben weinen gesehen«, sagte sie und hatte bei diesen Worten selbst Tränen in den Augen. »Heinz hat mich ungewollt in seine Seele blicken lassen, doch danach hat es sich zwischen uns verändert. Wir wurden offener zueinander, und die viele Zeit, die wir miteinander allein verbracht haben, hat ebenfalls dazu beigetragen, dass wir uns näherkamen. Stell dir das mal vor, wir waren mitten in der Einsamkeit, ohne Fernsehen, ohne Ablenkung, es gab nur Heinz und mich. Es war ringsum so still, dass wir hören konnten, wie die Fische im Wasser an die Oberfläche kamen und nach Luft schnappten.«

      »Rosmarie, jetzt übertreibst du, doch um eine Situation zu schildern, lasse ich es gelten. Es fällt mir schwerer, dich und Heinz so zu erleben.«

      »Inge, das hätte ich ebenfalls nicht für möglich gehalten, aber du glaubst überhaupt nicht, was passiert, wenn man dem anderen gegenüber offen ist, ihn in seine Seele blicken lässt, in sein Herz … es entsteht eine Nähe, die man überall an seinem Körper spürt … es ist ein Wunder, es ist wie ein kleines Pflänzchen, das man vor dem Frost schützen muss, damit es nicht eingeht … das hat Heinz gesagt.«

      Es wurde immer unglaublicher, Inge glaubte, sich verhört zu haben, deswegen hinterfragte sie es und bekam erneut die Bestätigung.

      Rosmarie blickte Inge an.

      »Weißt du, Inge, für dich ist das wahrscheinlich nicht nachvollziehbar. Werner und du, ihr seid eine unzerstörbare Einheit, ihr habt euch immer geliebt. Bei euch war es von Anfang an anders als bei Heinz und mir. Bei euch war es so, wie man es sich wünscht, aber nur selten in der reinen Form bekommt, wie Werner und du es vorlebt. Aber Heinz und ich bemühen uns, wir haben uns fest versprochen, miteinander ehrlich zu sein, und wir werden wieder auf Reisen gehen. Aber vorerst bin ich wieder in sein Schlafzimmer eingezogen, und das fühlt sich so gut an. Inge, ich kann es selbst noch nicht glauben, aber ich liebe meinen Mann, und ich weiß, dass auch er mich liebt. Anders als damals Adrienne. Man kann Menschen auf unterschiedlichste Weise lieben, es muss nur das Herz dabei sein.«

      Warum musste Inge bloß immer an Werner und diese Frau denken? Hatte er ihr sein Herz geschenkt? Ein furchtbarer Gedanke. Es zerriss sie beinahe, und nun war es auch mit ihrer Selbstbeherrschung vorbei, sie konnte die Tränen nicht verhindern, die ihr jetzt in die Augen schossen, über ihr Gesicht rollten.

      »Inge, was ist geschehen? Warum weinst du denn?«, erkundigte Rosmarie sich ganz erschrocken.

      Sie konnte ihr jetzt nicht die Wahrheit sagen, sie war sehr froh, jetzt einen Vorwand zu haben. Das, was Rosmarie und Heinz miteinander erlebt hatten, noch erlebten, das war wunderschön. Das konnte sie jetzt nicht damit zerstören, dass ihr Mann sie betrog.

      »Ich … ach … ich freue mich so sehr für dich und Heinz«, stammelte sie, und das nahm Rosmarie ihr ab, die auch gleich noch ein paar andere, sehr gefühlvolle Geschichten parat hatte, die sie Inge unbedingt erzählen musste. Und dabei warf sie hier und da ein paar französische Worte ein.

      »Inge, ich bin ja so froh, dass ich in die Sprachenschule ging, und das werde ich auch beibehalten, und noch mehr danke ich dir dafür, dass du mit mir so fleißig geübt hast. Mit der französischen Sprache geht es schon ganz gut, ich überlege, ob ich nicht nebenbei noch einen Sprachkurs besuchen soll, ich weiß nur noch nicht, was. Wusstest du, dass Heinz nahezu perfekt Portugiesisch, Spanisch und Italienisch spricht? Neben ihm komme ich mir ganz schön dämlich vor. Dass mit Französisch, das wusste ich, er hat schließlich als Student in Paris gelebt, sonst hätte er ja auch nicht Adrienne kennengelernt.«

      »Bist du eigentlich eifersüchtig auf sie? Sie war schließlich seine große Liebe.«

      »Nein, Inge, das war vor meiner Zeit, man soll sich nicht mit der Vergangenheit aufhalten, sonst müssten wir ja auch über all die verlorenen Jahre nachdenken, in denen wir aneinander vorbeigelebt hatten. Ich möchte mit Heinz neu anfangen, er will es mit mir, und das ist aufregend. Und wenn wir dann auch noch die Herzen unserer Kinder gewinnen könnten, das wäre ein ganz großes Geschenk.«

      »Mit Fabian und dir, das klappt doch schon sehr gut, und er wird sich ganz gewiss auch seinem Vater zuwenden, wenn er erst einmal sieht, dass er in Wirklichkeit ganz anders ist.«

      »Es ist zu hoffen«, sagte Rosmarie leise. »Und Stella … hat Jörg noch etwas von ihr gehört? Weiß er, wie es ihr und den Kindern geht?«

      Inge schüttelte den Kopf.

      »Sie will keinen Kontakt, und sie möchte auch nicht, dass Jörg sich bei ihnen meldet.«

      »Aber er ist der Vater.«

      »Ja, das ist er, aber soll er eine Vaterschaftsklage nach Brasilien schicken? Soll er ein Sorgerecht einklagen, das über diese Distanz überhaupt nicht


Скачать книгу