Der neue Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman. Michaela Dornberg

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ansehen wollen, um ein wenig herunterzukommen und sich zu entspannen.

      Das war Wunschdenken gewesen, denn das für einen ­kurzen Augenblick die Augen schließen zu wollen, hatte dafür geführt, dass sie eingeschlafen war.

      Sie wachte auf, als sie sanft berührt wurde und eine wohlklingende Männerstimme sagte: »Du siehst wunderschön aus, wenn du schläfst.«

      Was war das jetzt gewesen?

      Ein Traum?

      Sie öffnete blinzelnd die Augen, und da wusste sie, dass es kein Traum war, Lars war gekommen, und er sah wieder einmal unverschämt gut aus. Sein Gesicht war braun gebrannt, was seine Augen noch mehr leuchten ließ. Er hatte sich einen Bart wachsen lassen, die Haare waren länger geworden. So, wie er jetzt ­aussah, stellte man sich sei­nen­ norwegischen Urgroßvater vor.

      Sie richtete sich ein wenig mühsam auf, sie war in einer nicht unbedingt bequemen Lage eingeschlafen, dann wisperte sie: »Lars«, und ihre Stimme klang so, als habe sie Angst, etwas zu zerstören, was eigentlich nicht sein konnte. Lars hatte mit keiner einzigen Silbe erwähnt, dass er kommen würde, und sie hatten sich erst gestern lange unterhalten.

      Er war es, daran gab es keinen Zweifel, denn er nahm sie fest in seine Arme, und ehe er sie leidenschaftlich küsste, sagte er: »Ich habe dich so sehr vermisst …«

      Wenn sie sich sahen, wenn sie sich berührten, dann waren alle Zweifel verwischt, dann gab es nur noch Sonnenschein, keinen Regen, dann gab es nur noch Freude, nichts Negatives. Das war nicht normal, doch es stimmte. Und das lag daran, dass sie keinen gemeinsamen Alltag hatten.

      Und das war beinahe tragisch, denn das Leben bestand nicht nur aus eitel Sonnenschein, der Alltag war es, der ihm Substanz gab.

      Derartige Gedanken gingen Roberta durch den Kopf, wenn sie allein war.

      War sie mit Lars zusammen, dann genoss sie nur noch seine Nähe und badete in einem Meer von Liebe.

      Die Intensität ihrer Gefühle ließ sich nicht beschreiben, sie waren wie ein Topf mit dem passenden Deckel, sie waren die zwei Menschen, die so eng miteinander waren, dass zwischen sie kein Blatt Papier passte. Es gab noch so viele Beispiele, die alle zutreffend waren.

      Sie waren füreinander bestimmt!

      Nein!

      Sie wollte jetzt nicht darüber nachdenken, warum sie bei all diesen Voraussetzungen nicht ihren Alltag gemeinsam leben konnten.

      Nicht jetzt!

      Sie genoss seine Küsse, seine Nähe, sie fühlte sich so unendlich geborgen, und in diesem Augenblick hatte sie das Gefühl, hatte sie den Wunsch, dass alles für immer so bleiben möge.

      Jetzt, da er da war, wollte sie nicht denken, da wollte sie nur fühlen, da wollte sie, dass die Wogen der Leidenschaft über ihnen zusammenschlugen, da wollte sie mit ihm lachen, sich mit ihm freuen. Da wollte sie ein Gefühl wie das mit der Wolke Sieben, von dem Nicki immer schwärmte, was sie nie wollte. Doch jetzt gefiel es ihr, und das kam wohl daher, weil sie eh keinen Alltag hatten, da konnte man sich auf einer Wolke austoben.

      Lars war gekommen …

      Wenn man seinen Verstand ausschaltete, wenn man sich im Hier und Jetzt aufhielt, dann war das Leben wunderschön …

      So zu denken war trügerisch, Roberta wusste es, doch jetzt war ihr alles egal.

      Die Zeit blieb für einen Moment stehen, und in diesem Augenblick war er deutlich zu spüren, der Flügelschlag einer großen Liebe …

      Alle Geräusche schienen verschluckt, man hörte nicht einmal das unermüdliche Ticken der Uhr.

      Sie hörte seinen Herzschlag, und es machte sie geradezu atemlos zu wissen, dass dieses Herz für sie schlug …

      *

      Zwischen ihr und Lars, das war Magie.

      Daran dachte Roberta, als sie in der Nacht neben Lars im Bett lag und seinen gleichmäßigen Atemzügen lauschte.

      Er schlief, doch daran war bei ihr nicht zu denken. Sie war aufgewühlt, und zum ersten Male wurde ihr bewusst, dass sie das mit der Magie fortspann, und dann wurde ihr unweigerlich bewusst, dass Magie ein Zauber war, der irgendwann verflog, der der Realität nicht standhielt.

      Sie war beinahe entsetzt, dass sie so dachte. Sie konnte nicht anders. Lag es an den vielen Tagen, Wochen, Monaten der Einsamkeit, in denen sie sich nach ihm gesehnt hatte, in denen sie mehr an ihn gedacht hatte, als gut für sie war? Sie wusste es nicht, und am liebsten hätte sie alles wieder beiseitegeschoben, doch es ging nicht. Es ging nicht, weil es unbefriedigend war, zu denken, als sei ihr Leben normal.

      Es war nicht normal, sie lebte auf Pump!

      Das erschreckte sie so sehr, dass sie einen leisen Aufschrei nicht verhindern konnte, und das weckte Lars auf. Vermutlich waren seine Sinne so geschärft, weil es lebensnotwendig war, achtsam zu sein, wenn man beispielsweise den Eisbären ganz nahe war.

      Sein Arm schob sich zu ihr hinüber, umfasste sie zärtlich. »Kannst du nicht schlafen, mein Herz?«, erkundigte er sich mit noch schlaftrunkener Stimme.

      Sie kämpfte mit sich.

      Und vielleicht war es jetzt überhaupt nicht klug, diese Frage jetzt zu stellen, zu einer Zeit zwischen Nacht und Morgen.

      »Weswegen bist du hier?«, erkundigte sie sich.

      Diese Frage hatte eine Signalwirkung, sofort war er wach, richtig wach, richtete sich ein wenig auf, blickte zu ihr hinüber.

      »Wie kommst du denn jetzt darauf?«, wollte er wissen. »Hat das nicht Zeit bis morgen?«

      Normalerweise wäre es so, doch bei ihnen war nichts normal. »Du kannst mir die Frage jetzt beantworten«, sagte sie beinahe trotzig.

      »Wie du willst«, antwortete er. »Es hat sich zufällig ergeben, weil ich dummerweise einen Stick bei mir im Haus am See vergessen habe, den ich übermorgen brauche. Es wäre zu riskant gewesen, dich zu bitten, ihn mir zu schicken. Deswegen bin ich lieber selbst gekommen.« Er lächelte sie an. »Und ich habe es nicht einen Augenblick lang bereut. Ich hatte schon ganz vergessen, wie schön das Beisammensein mit dir immer ist.«

      Schöne Worte, doch die hinterließen bei Roberta ein schales Gefühl. Er war nicht ihretwegen gekommen, ihn hatte nicht die Sehnsucht hergetrieben. Er war gekommen, um einen Stick zu holen, den er für seine Arbeit benötigte. Und wenn er schon mal da war, dann war sie so etwas wie eine Zugabe, sie war wie ein Dekor auf einer Torte.

      Es war sicher verkehrt, jetzt so zu denken. Aber Roberta konnte nicht anders. Sie war enttäuscht, und sie war auch verletzt. Sie wollte etwas wert sein!

      Sie sagte nichts, und er erkundigte sich ein wenig verunsichert: »Bist du jetzt sauer? Habe ich etwas Verkehrtes gesagt?«

      Sie konnte noch immer nichts sagen, schüttelte, weil er eine Antwort erwartete, den Kopf.

      Er rückte näher an sie heran, nahm sie ganz fest in seine Arme. Das war etwas, was ihr normalerweise Herzklopfen verursachte. Diesmal war es nicht so.

      »Roberta, mein Liebes. Wir sind uns doch klar darüber, dass wir beide unser eigenes Leben haben, das uns erfüllt, und dann gibt es noch eines, das gemeinsame Leben, das uns, wenn wir zusammen sind, bis hinauf zu den Sternen trägt.«

      Sie fiel nicht mehr darauf herein!

      Sie wollte mehr als Worte. Es hatte sich etwas zwischen ihnen verändert, und das, was es war, verunsicherte Roberta sehr.

      Sie wollte nicht zu den Sternen getragen werden, sie wollte ein ganz banales Leben auf Erden haben, eines, in dem man gemeinsame Urlaube plante, in


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