Der neue Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman - Michaela Dornberg


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und wieder verirrte sich auch einer im Sonnenwinkel. Und das besonders dann, wenn sie etwas anpreisen wollten, was sich nicht jeder normale Sterbliche erlauben konnte. Im Sonnenwinkel vermutete man Geld. Das wäre den Bewohnern beinahe schon einmal zum Verhängnis geworden, eine dreiste Einbrecherbande hatte sie ausgespäht, und ohne das mutige Eingreifen von Inge Auerbach, ohne deren Couragiertheit wäre es nicht so glimpflich abgegangen. Aber sie musste sich jetzt wohl keine Sorgen machen, dass ein Einbrecher vor der Tür stand, die klingelten nicht und stellten sich vor.

      »Danke, Alma, ich werde mit dem Mann reden, und dann fahre ich auch gleich los. Ich bin spät dran. Wir sehen uns dann später.«

      Jetzt griff Roberta wirklich nach ihrem Arztkoffer, dann verließ sie den Raum, ging zur Tür, öffnete sie.

      Sie kannte den Mann nicht, der davorstand.

      Es war ein Mann mittleren Alters im Businessanzug, mit Krawatte, er hatte ein forsches Auftreten …

      »Frau Dr. Steinfeld?«, erkundigte er sich, und als ­Roberta das bestätigte, stellte er sich seinerseits vor: »Rüdiger Schmidt … Autohaus Schmidt … das sagt Ihnen vermutlich etwas.« Roberta schüttelte den Kopf.

      »Tut mir leid, es sagt mir nichts. Und wenn Sie jetzt hier sind, um mir ein Auto verkaufen zu wollen, dann haben Sie sich umsonst herbemüht. Ich plane nicht, mir ein neues Fahrzeug zuzulegen. So, und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich muss zu Patienten, die auf mich warten.«

      Nach diesen Worten wollte sie sich an dem Mann vorbeischieben und die Haustür schließen. Doch sie hatte nicht mit seiner Beharrlichkeit gerechnet.

      »Entschuldigen Sie bitte, ich bin nicht hergekommen, um Ihnen ein Auto zu verkaufen. Es geht um das Auto Ihres Mannes.« Was redete der Mann da.

      »Das Auto meines Mannes? Ich glaube, Sie haben sich an der Tür geirrt. Ich habe keinen Mann.«

      Der Mann war nicht abzuwimmeln. Er wurde jetzt allerdings ein wenig lauter, was Roberta ein wenig unangenehm war.

      »Was soll das denn? Ihr Mann hat mir die Adresse gegeben, Herr Dr. Max Steinfeld.«

      Roberta hätte mit allem gerechnet, damit nicht.

      Max?

      Sie versuchte ihrer Stimme einen festen Klang zu geben, als sie sagte: »Ach so, Max. Tut mir leid, er hat wohl vergessen zu erwähnen, dass wir geschieden sind, und dass das Scheidungsurteil seit Jahren rechtskräftig ist. Ich habe mit meinem geschiedenen Mann nichts mehr zu tun.«

      Damit hatte der Mann offensichtlich nicht gerechnet, aber er war einer, der so leicht nicht aufgab. Schließlich ging es um seine Interessen.

      »Wollen Sie nicht wissen, warum Ihr Mann … äh, Herr Dr. Max Steinfeld mich zu Ihnen geschickt hat?«

      »Nein, das möchte ich nicht, und jetzt muss ich wirklich los.«

      Er ignorierte das einfach, und als Roberta gehen wollte, rief er ihr laut hinterher: »Herr Dr. Steinfeld ist mit dem Auto, äh, mit den Leasingraten für das Auto hinterher. Er hat seit ein paar Monaten die Rate nicht mehr gezahlt. Er sagt, dass Sie immerfort Forderungen an ihn stellen und den Hals nicht vollbekommen. Können Sie das nicht mal für eine Weile lassen, damit Ihr Mann … Exmann sich finanziell wieder erholen kann. Es wäre schade, wenn wir ihm das Auto wegnehmen müssten, es wäre ein großer Verlust für ihn, und wie er sagt, ist er auf das Auto angewiesen. Die Forderung beläuft sich auf exakt …«

      Roberta ließ ihn nicht aussprechen. Sie war so aufgebracht, dass ihr Zorn größer war als ihr Schmerz, ihre Enttäuschung. Hörte es denn niemals auf? Wozu war Max eigentlich noch fähig?

      »Es interessiert mich nicht. Mein Exmann ist ein Geschichtenerzähler, und er hat Ihnen einen ganz schönen Bären aufgebunden. Wenn man überhaupt von so etwas sprechen kann, hat er bei unserer Scheidung ein richtig gutes Geschäft gemacht, es ist ihm beinahe alles geblieben, besonders eine große, gut gehende Praxis, mit der er sehr viel Geld verdienen konnte, doch dazu hätte er sich bemühen müssen. Es tut mir leid für Sie, dass Sie auf ihn, seine zur Schau getragene charmante Art hereingefallen sind.« Am liebsten hätte sie jetzt hinzugefügt, dass auch sie auf ihn hereingefallen war, doch das ging diesen Mann nichts an. »Von mir bekommen Sie keinen Cent, Max muss endlich begreifen, dass ich nicht die Kuh bin, die er bis an sein Lebensende melken kann.«

      Es war alles gesagt, eigentlich wollte Roberta jetzt gehen, doch der Autoverkäufer hielt sie am Ärmel zurück.

      »Es ist ein schönes Auto.«

      »Dann werden Sie es, wenn Sie es zurückgenommen haben, auch gut verkaufen können, bitte gehen Sie jetzt.«

      Roberta merkte, dass sie mit ihren Kräften am Ende war.

      Und weil er noch immer auf sie einreden wollte, lief sie einfach ins Haus zurück, und das war auch gut so, sie zitterte am ganzen Körper, und sie hätte jetzt ohnehin nicht mit dem Auto losfahren können.

      Alma kam in die Diele, sah die kreidebleiche Chefin, die ganz offensichtlich am Ende ihrer Kräfte war.

      »Frau Doktor, was ist los?«, erkundigte sie sich besorgt.

      »Man sollte den Vertretern verbieten, Menschen an ihren eigenen Haustüren zu bedrängen. Was wollte der Mann?«

      Roberta stellte ihre Tasche weg, dann setzte sie sich auf den Rand der Truhe, die in der Diele stand.

      »Max hat ihn hergeschickt. Ich sollte für ihn die Leasingraten bezahlen, die er dem Autohändler schuldig ist. Das war der Autohändler.«

      Dann erzählte sie Alma, was der Autohändler noch gesagt hatte.

      »Frau Doktor, hören Sie auf damit, noch weiter Rücksicht auf diesen Menschen zu nehmen, sonst hört es niemals auf. Was soll denn noch passieren? Er stalkt Sie, steigt ein, kassiert Schmuck und Bilder. Erinnern Sie sich noch daran, wie es damals bei mir war, als ich ganz tief unten am Boden lag? Als mein Exmann, der mir einen Schuldenberg hinterlassen hatte, ganz dreist herkam, um noch mehr aus mir herauszuholen? Sie haben da etwas ganz Kluges gesagt, nämlich, dass man einen Riegel vorschieben muss, weil es sonst niemals aufhört, und Sie haben darauf bestanden, dass ich ihn anzeige. Seitdem ist Ruhe, zum Glück. Denn an das ganze Elend mit Achim möchte ich niemals mehr erinnert werden. Ohne Sie gäbe es mich ja überhaupt nicht mehr. Warum können Sie für sich das nicht tun, was Sie anderen Menschen anraten? Sie lieben ihn doch überhaupt nicht mehr, und mehr kann man einem Menschen auch nicht antun als das, was dieser Mensch Ihnen angetan hat. Diese Dreistigkeit jetzt schlägt dem Fass wirklich den Boden aus. Überlegen Sie doch mal, was er als Nächstes anrichten wird.«

      Alma hatte so recht mit allem. Und sie wusste nicht, warum es ihr so unendlich schwerfiel, gegen Max vorzugehen. Er wurde immer dreister, und die letzten Jahre an seiner Seite waren wirklich kein Honigschlecken gewesen, er hatte sie betrogen, und es hatte ihm nicht einmal etwas ausgemacht, dass sie es mitbekam. Weil Roberta nicht sofort etwas sagte, wiederholte Alma ganz eindringlich: »Frau Doktor, zeigen Sie ihn an. Halten Sie sich diesen Menschen vom Hals.«

      Roberta war jetzt nicht in der Lage, ein Versprechen abzugeben, sie wollte jetzt nichts sagen, was sie nicht halten konnte.

      Ganz tief in ihrem Inneren sagte sie sich, dass man einen Menschen doch nicht anzeigen konnte, mit dem man mal verheiratet gewesen war und mit dem man eigentlich den Rest seines Lebens hatte verbringen wollen. Dass es letztlich nur noch eine einzige Enttäuschung gewesen war, änderte nichts an der Tatsache, dass sie irgendwann einmal geschworen hatte, mit diesem Mann in guten wie in schlechten Tagen zusammenbleiben zu wollen.

      Galt das nicht auch bis über die Scheidung hinaus?

      Roberta stand von der Truhe auf, sie fühlte sich müde und erschöpft, dieser Besuch des Autohändlers hatte sie tief getroffen, und sie stellte sich die bange Frage, was wohl noch kommen würde.


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