Der neue Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman - Michaela Dornberg


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Ja, das würde sie tun.

      *

      Als Maren Bredenbrock aus der Schule kam, fand sie ihren Vater in der Küche. Er rührte in einem Topf herum, und es roch köstlich.

      Ihr Papa …

      »Da bist du ja schon, mein Kind. Das ist fein, dann können wir gleich essen.«

      Das bedeutete für Maren, dass sie gleich den Tisch decken würde, das hatte sich bei ihnen so eingebürgert, und sie murrte deswegen auch nicht. Die Zeiten, in denen sie und Tim ihren Vater für das Leben im Sonnenwinkel verantwortlich gemacht hatten, die waren längst vorbei. Mittlerweile wohnten sie sehr gern hier, hatten Freunde gefunden, sie war besonders gut mit Pamela Auerbach befreundet, und Tim, der hatte mehrere Kumpel, mit denen er Fußball spielte und dabei ganz cool war, oder sie fuhren mit ihren Fahrrädern durch die Gegend und lieferten sich Wettfahrten. Tim unternahm halt alles, was man machte, um sich selbst etwas zu beweisen, wenn man auf der Schwelle zwischen Kindheit und Erwachsenwerden stand. Außerdem war Tim sehr glücklich mit Sophia und Angela von Bergen, ganz besonders mit Angela, und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Mit Angela war er auch heute unterwegs, weil bei ihm der Unterricht ausgefallen war, und Angela hatte ihren Job beim Grafen ja verloren.

      Alles war gut.

      Wirklich alles … nun ja, nicht alles.

      Maren rannte auf ihren Vater zu und warf sich in seine Arme. Sie hatte den besten Papa von der ganzen Welt. Das hatte sie nicht immer so gesehen, anfangs, als sie hierher gezogen waren, waren sie und Tim sogar ziemlich sauer auf ihren Vater gewesen und hatten ihm das Leben ganz schön schwer gemacht. Er hatte es gelassen ertragen, und jetzt ließen sie auf ihren Papa nichts mehr kommen.

      Dr. Peter Bredenbrock war sehr gerührt. Er drückte seine Tochter an sich, strich ihr zärtlich übers Haar. Um die Rührung nicht zu groß werden zu lassen, erkundigte er sich rasch: »Wie war dein Tag, mein Kind?« Und weil er Lehrer war, blieb die nächste Frage nicht aus: »Habt ihr die Mathematikarbeit zurückbekommen?«

      Früher hatte Peter ein großes Gymnasium geleitet, das wesentlich größer war als das, an dem er jetzt als Lehrer für Mathematik und Physik arbeitete. Als seine Frau ihn verlassen hatte, war er mit den Kindern hierher gezogen, und er war beruflich einen großen Schritt zurückgetreten. Ihm war das Wohl seiner Kinder wichtiger als seine Karriere. Und in seinem früheren Job hätte er ihnen nicht die Aufmerksamkeit geben können, die sie brauchten. Und in ihrer alten Umgebung wären sie immer daran erinnert worden, dass ihre Mutter sie verlassen hatte und einfach gegangen war. Für die Kinder war alles sehr, sehr schwer gewesen, und er hatte in der Anfangszeit so manch schlaflose Nacht verbracht, in der er sich gefragt hatte, ob er alles richtig gemacht hatte, ob sie nicht doch besser im vertrauten Umfeld geblieben wären, die Kinder bei ihren Freunden, in ihrer Schule.

      Es war richtig gewesen, manchmal musste man einen schmerzhaften Cut machen, um zu gesunden.

      Alles war gut.

      Er hatte es richtig gemacht, das sah er noch immer so, auch wenn er hier in seiner neuen Umgebung Federn gelassen hatte, die Kinder auch.

      Er wollte nicht mehr daran denken.

      Er ließ seine Tochter los, nachdem sie ihm gesagt hatte, dass sie als Einzige der Klasse eine Eins geschrieben hatte, sogar eine Eins plus, weil sie die Zusatzaufgabe richtig gelöst hatte.

      »Maren, das ist großartig, ich bin sehr stolz auf dich.«

      »Papa, das wärst du auch, wenn Tim und ich in der Schule nicht so gut wären. Du sagst doch selbst immer wieder, dass du uns liebst, weil wir wir sind und nicht wegen der Leistungen, die wir in der Schule bringen. Und die Angela findet das auch, sie kennt sogar Begriffe für ein derartiges Verhalten. Sie sagt, dass wir uns glücklich schätzen können, dass wir Seinsgestreichelt sind und nicht Tunsgestreichelt, na siehst, Papa, sie bestätigt das.«

      Sie lief los, deckte für sich und ihren Vater den Tisch, dann sagte sie: »Weißt du, Papa, ich bin sehr froh, dass ich die Begabung für Mathe von dir geerbt habe. Es ist schon ganz schön cool, immer alles direkt zu begreifen und dann die Einsen zu schreiben.«

      Peter konnte sich nicht verkneifen zu sagen: »Mein Kind, es wäre auch cool, die in Englisch zu bekommen.«

      Maren lachte, ihr Vater hatte sie erwischt.

      »Papa, ich weiß, doch ich arbeite dran, aber jetzt habe ich Hunger.«

      Das war so ihre Art, von Themen abzulenken, die ihr nicht gefielen.

      Es gab Spaghetti Bolognese, und da konnte Maren sich im wahrsten Sinne des Wortes hineinlegen. Erst einmal sagte sie überhaupt nichts mehr, einmal abgesehen von einem begeisterten Ausruf: »Boooh, wie lecker.«

      Nachdem sie sich zweimal einen Nachschlag genommen hatte, schob sie ihren Teller beiseite.

      Eigentlich wollte sie nicht mehr darüber reden, doch jetzt war der Augenblick günstig. Tim war nicht da, der konnte nicht hineinreden, außerdem mussten jüngere Brüder nicht alles wissen.

      »Papa, denkst du noch oft an Nicki?«

      So, jetzt war es heraus, sie fügte rasch hinzu: »Ich kann sie nicht vergessen. Es war so schön, als sie bei uns war.«

      Peter könnte jetzt seiner Tochter etwas vormachen, er tat es nicht, weil es einen nur weiterbrachte, wenn man ehrlich war.

      »Ja, Maren, es war schön mit Nicki, und ich denke noch oft an sie.«

      Maren trank etwas von ihrer Apfelschorle.

      »Warum will sie nichts mehr mit uns zu tun haben? Ihr hat es mit Tim und mir gefallen, und du und Nicki, ihr habt euch so gut verstanden.«

      Dass er ihr einen Heiratsantrag gemacht und sie dadurch in Panik versetzt hatte, das behielt Peter besser für sich.

      »Maren, Nicki wollte auf Dauer keine Verantwortung übernehmen, sie hat sich nicht zugetraut, immer bei uns zu leben und so etwas wie die Stelle einer …«, er sagte jetzt nicht Mutter, sondern umschrieb es, »mütterlichen Freundin einzunehmen. Sie hatte noch nie etwas mit Kindern zu tun, sie konnte auch nicht richtig damit umgehen, wie es in einer Familie zugeht. Maren, es ist traurig, dass Nicki nicht mehr bei uns ist. Aber ich finde es aufrichtig von ihr, dass sie die Konsequenzen gezogen hat, anstatt uns etwas vorzumachen und irgendwann dann doch noch zu gehen, wenn alles festgefahren war und wenn man nicht mehr miteinander umgehen konnte.«

      Maren trank erneut, das tat sie immer, wenn sie aufgeregt war, und das war sie jetzt.

      »Papa, vielleicht überlegt Nicki es sich noch anders, wenn sie den Jakobsweg gegangen ist. Da hat man bestimmt viel Zeit, nachzudenken … würdest du sie denn wiedernehmen, wenn sie zu uns zurück will?«

      Am liebsten hätte Peter seine Tochter jetzt in die Arme genommen, und er hätte ihr so gern etwas Hoffnung gemacht. Es ging nicht, falsche Hoffnungen zu wecken war schlimm.

      »Maren, ich würde ja sagen, selbstverständlich, aber rechne bitte nicht damit. Sie hat es uns gesagt, sie hat es dir geschrieben, Nicki und ich haben uns lange darüber unterhalten. Wir müssen uns damit abfinden, dass sie einen anderen Weg gehen will.«

      Maren kicherte.

      Peter fiel in das Lachen mit ein. »Ich habe jetzt natürlich nicht an den Jakobsweg gedacht«, bemerkte er. »Ich dachte an den Weg, den sie einschlagen will, wenn sie ­zurückkommt. Nicki ist ein sehr wertvoller, liebenswerter Mensch mit einem großen Herzen, und es ist ihr nur zu wünschen, dass sie sich für das Richtige entscheidet und dass ihr jemand begegnet, mit dem sie ihr Leben vorbehaltlos teilen kann. Das wünsche ich ihr von ganzem Herzen.«

      Jetzt konnte Maren nicht anders. Sie musste aufstehen, sie lief um den Tisch herum und umarmte ihren Vater von hinten ganz fest.

      »Papa,


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