Der neue Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman - Michaela Dornberg


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in die Garage zu fahren, sondern direkt am Gartenzaun zu parken. Das tat sie aus Bequemlichkeit oft, doch heute knallte sie gegen einen Pfosten. Und leider bekam das auch noch ihre Mutter mit, die gerade mit Luna, mit der sie einen Spaziergang gemacht hatte, um die Ecke bog.

      Sie stieg aus, und prompt kam von ihrer Mutter ein: »Sag mal, Inge, was ist denn mit dir los? Du fährst wie jemand, der gerade seine erste Fahrstunde hinter sich hat. Deine Stoßstange hat jetzt gewiss eine Beule.«

      Stoßstange … lächerlich, darüber konnte sie nur lachen. Bei ihr war gerade ihr ganzes Leben aus den Fugen geraten, doch das durfte sie ihrer Mutter natürlich nicht sagen.

      »Mama, es ist nur Blech«, sagte sie, dann beugte sie sich zu Luna hinab, die sie freudig begrüßte. Sie streichelte die schöne weiße Labradorhündin, die sie jetzt erwartungsvoll ansah. Inge bedauerte sehr, dass sie jetzt kein Leckerli für Luna in der Tasche hatte. Normalerweise wandte Luna sich dann in solchen Fällen beleidigt ab. Diesmal blieb sie bei ihr, sie schmiegte sich eng an ihre Beine. Spürte Luna, dass bei ihr etwas nicht in Ordnung war?

      Teresa war bei ihrer Tochter angelangt, besah sich den Schaden, die Stoßstange hatte tatsächlich eine Delle.

      »Das kann man ausbeulen«, sagte Teresa, »es hat sich schlimmer angehört, als es ist. Außerdem ist es nur ein Auto.« Sie blickte ihre Tochter an. »Aber sag mal, Inge, was ist denn mit dir los? Du siehst ja aus, als sei dir der Leibhaftige begegnet. Du bist blass, und hast du etwa geweint?«

      Es war Inge peinlich, so von ihrer Mutter gemustert zu werden, die hatte Adleraugen, sah alles, außerdem war sie ein sehr intuitiver Mensch, man konnte ihr nichts vormachen.

      Weswegen sollte sie geweint haben? Was sollte sie ihrer Mutter sagen?

      Inge war ein wahrheitsliebender Mensch, sie hasste Lügen, und auch Notlügen verabscheute sie. Heute konnte sie nicht anders, sie musste nach einer greifen, denn sonst hätte sie mit der ganzen Wahrheit herausrücken müssen, und das ging gar nicht.

      »Ach, da scheint wieder irgendetwas zu fliegen«, bemerkte sie vage.

      »Stimmt, du mit deinen Allergien«, seufzte Teresa, »das hast du leider …«

      Inge fiel ihrer Mutter ins Wort.

      »Ich weiß, Mama, von Großmutter Henriette.«

      Teresa warf ihrer Tochter einen Seitenblick zu.

      »Es ist nun mal so, mein Kind, dass du unglaublich viel von Henriette hast. Deswegen musst du aber nicht traurig sein, Henriette war eine großartige Frau.«

      Damit war für Teresa das Thema erledigt.

      »Hast du Lust, mit zu mir zu kommen? Wir können zusammen einen Tee oder einen Kaffee trinken.«

      Inge musste das Wort Kaffee nur hören, und sie hatte Mühe, die Tränen zu unterdrücken, die ihr bei diesem Satz in die Augen schießen wollten.

      »Nein, danke, Mama, es ist lieb, aber ich …«

      Diesmal ließ Teresa ihre Tochter nicht ausreden.

      »Du hast in Hohenborn bereits Kaffee getrunken, und das hoffentlich in diesem besonders hübschen Caféhaus.«

      Ja, das hätte sie …

      »Mama ich, ich habe Kopfschmerzen. Wahrscheinlich hängt das mit der Allergie zusammen. Ich möchte mich jetzt einfach nur ein wenig hinlegen.«

      »Tu das, mein Mädchen«, sagte Teresa, strich ihrer Tochter sacht über die Wange. »Und ich nehme Luna mit zu uns, dann hast du deine Ruhe. Pamela hat ja heute einen langen Tag, sie kommt erst am späten Nachmittag. Bis dahin wird es dir besser gehen, ja, und Werner …«

      »Ich weiß nicht, wann der kommt«, rief Inge heftig.

      Teresa blickte ihre Tochter prüfend an. »Inge, ist alles in Ordnung?«

      Sie durfte sich nicht so gehen lassen, sie musste sich zusammenreißen.

      »Mama, es ist alles bestens … danke, dass du mir Luna abnimmst, die ist zwar ein toller Hund, aber sie ist auch ziemlich anstrengend, weil sie andauernd bespaßt werden möchte.«

      Dann wandte sie sich ab, rannte in die Villa, Teresa blickte ihrer Tochter kopfschüttelnd nach.

      Alles bestens? Danach sah es nicht aus. Was war los mit Inge?

      Schon wollte sie ihr nachrufen, dass sie ihre Bücher noch nicht bekommen hatte. Doch was sollte es, es konnte warten. Und vielleicht hatte Inge ja wirklich nur Kopfschmerzen.

      Sie gehörte zu den Menschen, die es unerträglich fanden, wenn sie nicht wie gewohnt funktionierten. Das hatte sie leider ebenfalls von Oma Henriette.

      »Komm, Luna, mein Mädchen. Ich mache mir jetzt einen Tee, und du bekommst ein Leckerli, vielleicht auch zwei, die hast du dir verdient.«

      Luna musste das Wort Leckerli nur hören, und schon kam bei ihr Freude auf.

      Sie machte Wuff, wedelte mit dem Schwanz, und dann hatte sie es eilig, zur Haustür zu rennen und dort winselnd zu warten.

      Bei Teresa und Magnus von Roth hielt sie sich ebenso gern auf wie bei den Auerbachs, und sie wusste ganz genau, wo sich jeweils die begehrten Leckerli befanden.

      Teresa hatte die Haustür erreicht, schloss sie auf, und dann rannte Luna auch schon an ihr vorbei ins Haus und stürmte in die Küche. Dort blieb sie erwartungsvoll vor dem Schrank stehen, in dem sich die begehrten Leckerli befanden.

      Teresa hatte offensichtlich vergessen, was sie eigentlich versprochen hatte, ein bis zwei Leckerli … natürlich wurden es mehr, und Luna hatte überhaupt nichts dagegen einzuwenden.

      *

      Eigentlich hatte Inge sich wirklich ein wenig hinlegen wollen, um sich zu entspannen. Keine Chance. Die Gedanken kreisten, und das Bild von Werner und dieser Frau hatte sich fest in ihr eingebrannt, sie wurde es nicht mehr los. Es ließ sich nicht verdrängen.

      Und wie sanft er sie berührt hatte!

      Spätestens jetzt hätte ihr bewusst werden müssen, dass ihre Fantasie ihr da etwas vorgaukelte. Sie hatte eine Berührung gesehen, ob die aber sanft gewesen war, das zu sehen war unmöglich. Das war einzig und allein ihre subjektive Meinung, und die konnte gründlich danebengehen.

      Inge sprang auf, kochte sich einen Kaffee, doch den trank sie nicht einmal aus, und das bedeutete schon etwas.

      Inge rannte in ihr Bügelzimmer, in dem sich die gewaschene Wäsche in den Körben türmte. Sie war eine begeisterte Hausfrau, doch bügeln gehörte nicht zu ihren bevorzugten Tätigkeiten. Wenn sie allerdings aufgebracht, emotional bewegt war, dann tobte sie sich gern am Bügelbrett aus. Da konnte man alles so herrlich platt machen! Und man konnte seinen Gedanken freien Lauf lassen.

      Bügeln … danach war ihr heute. Mit einer unglaublichen Verbissenheit bügelte sie Berge von Wäsche weg. Und da sie nun schon mal dabei war, würde sie auch nicht aufhören, ehe das letzte Stück gebügelt war!

      Unabhängig von ihrer Stimmung traf es sich recht gut. Immer, wenn Pamela am Gymnasium lange Unterrichtstage hatte, aß sie mittags in der Schulkantine. Für abends bereitete Inge dann meistens eine Kleinigkeit zu, auch manchmal einen Salat, mit den Zutaten war sie sehr erfinderisch. Heute würden sie sich mit Brot, Butter, Käse, Wurst und Schinken begnügen müssen, basta!

      Werner würde meckern, doch der konnte ihr den Buckel herunterrutschen, es wurde das gegessen, was auf den Tisch kam, noch mal basta!

      Sie riss sich für ihn den Allerwertesten auf, machte es ihm nett, und er? Er gab seinen Frühlingsgefühlen nach! Am liebsten hätte Inge angefangen zu weinen.

      Ihr


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