Der neue Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman - Michaela Dornberg


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hatte gerade intensiv an ihn gedacht, als man die Haustür hörte, und wenig später erklang seine Stimme: »Hallo, mein Schatz, ich bin wieder da.«

      Er war allerbester Laune, das war nicht zu überhören.

      Sie sagte nichts.

      »Ingelein, wo bist du?«

      Sie antwortete mit einer Gegenfrage: »Wo warst du?«

      Dann hielt sie den Atem an.

      Er ging dem Klang ihrer Stimme nach, blieb lässig im Türrahmen stehen.

      »Ach, ich habe am Flughafen einen Kollegen getroffen, fast hätte ich Ricky noch besucht, doch wir haben uns verplaudert. Da bin ich zurückgekommen.«

      Inge glitt das Bügeleisen aus der Hand.

      Wie dreist er log, das konnte doch nur bedeuten, dass er diese Nummer nicht zum ersten Male abzog. Immer mit dieser attraktiven Frau, mit der sie ihn ertappt hatte? Oder gab es noch andere?

      »Inge, was ist los? Siehst du denn nicht, dass da etwas versengt ist? Ich rieche es bis hierher.«

      Inge besann sich, stellte das Bügeleisen weg. Zu spät. Ausgerechnet ihre Lieblingsbluse zeigte deutlich die Abdrucke des Bügeleisens, sie war hin. Auch das noch.

      Sie machte das Bügeleisen aus, ihr Vorhaben, alles zu bügeln, war dahin.

      »Was hast du denn heute Mittag gekocht?« erkundigte er sich.

      »Eine Kleinigkeit könnte ich­ noch vertragen, bei dir schmeckt es halt am besten.«

      Dieser Schmeichler, dieser Heuchler. Sie war für den Haushalt gut genug, aber für Komplimente, für zärtliche Berührungen, da hatte er andere Frauen.

      Sie riss sich zusammen, denn sonst hätte sie ihm jetzt alles ins Gesicht geschrien.

      »Dann musst du dir ein Butterbrot machen, ich habe nicht gekocht.«

      »Und warum nicht?«

      »Weil unsere Tochter heute lange Schule hat.«

      »Aber dann kochst du normalerweise trotzdem«, sagte er ganz irritiert.

      »Heute nicht, ich … ich war in Hohenborn«, platzte es aus ihr heraus.

      Sie konnte sich nicht täuschen, er hatte ein schlechtes Gewissen.

      »In Hohenborn … was hast du denn dort gemacht?« erkundigte er sich gedehnt.

      Sollte sie die Bombe platzen lassen?

      Nein, Inge entschied sich ­dagegen, sie musste noch mehr herauskriegen. Außerdem, wenn sie das Thema nicht berührte, dann musste sie sich auch auf keine Diskussion einlassen, und davor hatte sie Angst.

      Sie erzählte ihm vom Schuhmacher, von der Buchhandlung, das mit dem Schal erzählte sie ihm nicht, es ging ihn nichts an.

      »Werner, ich hoffe, du kommst zurecht, ich muss rüber zu meinen Eltern und Luna holen.«

      Das war eine gute Ausrede!

      »Wenn du willst, dann kann ich das auch machen, und du kannst mir derweil …«

      Das wüsste sie, ihm ein Butterbrot schmieren, und es am liebsten auch noch nett garnieren. Das war vorbei.

      »Nö, lass mal, Werner, ich hole Luna schon.«

      Sie schob sich an ihm vorbei, vermied es, ihn zu berühren, dann verließ sie das Haus.

      Sie ging nicht direkt zu ihren Eltern, sie musste sich erst einmal ein wenig sammeln, sie durfte sich schließlich nichts anmerken lassen. Dabei wäre es schön, mit jemandem reden zu können.

      Schade, dass Rosmarie Rückert nicht da war, mit der war sie mittlerweile so etwas wie befreundet. Auf jeden Fall sprachen sie offen über alles, und Rosmarie vertraute ihr sehr viel mehr an als sie es tat, besonders, wenn es um Heinz ging.

      Bislang hatte Inge sich ja auch nicht über Werner beklagen müssen. Einmal hatte es eine Krise gegeben. Doch da war es nicht um andere Frauen gegangen, sondern um seine ständigen Reisen.

      Nach dem, was sie gesehen hatte, würde sie allerdings für Werner nicht mehr die Hand ins Feuer legen, dass da nicht mit anderen Frauen etwas gelaufen war.

      Wie blöd war sie eigentlich gewesen!

      Sie rannte Richtung See, stolperte den Weg entlang, irgendwann sah sie allerdings ein, dass sie mit ihren leichten Hausschühchen nicht weit kommen würde. Ihre Bluse war bereits verdorben, die Schuhe sollten es nicht auch noch sein.

      Sie kehrte um. Davonlaufen war keine Lösung, das wusste sie doch …

      *

      Roberta hatte einen anstrengenden Arbeitstag hinter sich, an dem ihr wieder einmal bewusst geworden war, dass sie es in diesem Tempo nicht durchhalten würde. Sie war auch nur ein Mensch, und auch bei ihr hatte ein Tag nur vierundzwanzig Stunden. Natürlich war es schön, dass die Patienten nur so zu ihr strömten. Doch Patienten waren keine Gebrauchsartikel, es waren Menschen, und jeder einzelne von ihnen hatte ein Recht darauf, ihre volle Aufmerksamkeit zu erhalten.

      Es musste sich etwas ändern!

      Roberta merkte, dass sie am Limit angelangt war, was ihre Kräfte betraf und was die Anzahl ihrer Patienten ausmachte. Entweder sie reduzierte gewaltig, nahm keine neuen Patienten mehr auf, oder sie erweiterte ihre Praxis. Auch wenn Arztpraxen in ländlichen Gebieten bei jungen Ärzten nicht unbedingt ganz oben auf der Hitliste standen, so hatte sie doch einiges zu bieten. Sie hatte einen ausgezeichneten Ruf, sie hatte ­mehrere Facharztausbildungen, und sie konnte jungen Ärzten eine ganze Menge beibringen. Hinzu kam die sagenhafte Lage der Praxis im Sonnenwinkel. Wer hier arbeitete, hatte einen hohen Freizeitwert. Es gab viele Vorteile, und Roberta kannte sich mit Mitarbeitern aus. Die hatte sie, als sie noch die große Praxis betrieben hatte und mit Max verheiratet gewesen war, an den sie nicht mehr denken wollte.

      Was also ließ sie so zögerlich sein?

      Sie wollte es sich nicht eingestehen, doch es war es. Es war Lars, der Mann mit den unglaublichen blauen Augen, den sie über alles liebte.

      Wenn er da war, konnte es nicht schöner sein, da war es wie der Himmel auf Erden. Leider war er nicht immer da, und das würde er auch nicht sein. Doch das war es nicht allein. Mit ihm konnte man keine Pläne machen, und das war es im Grunde genommen auch, weswegen sie bezüglich einer Praxiserweiterung so zögerlich war.

      Sollte sich doch mit ihm etwas ergeben, was Heirat und gemeinsame Kinder betraf, dann wäre eine Praxiserweiterung undenkbar.

      Eigentlich hatte Roberta diese Träume begraben, um sich selbst nicht verrückt zu machen. Aber Träume verschwanden niemals so ganz, und sie war nicht nur eine ausgezeichnete Ärztin, in erster Linie war sie eine Frau, noch dazu eine Frau, die liebte.

      Warum war das Leben bloß so kompliziert!

      Sie würde mit Lars reden müssen, doch das ging nur in einem persönlichen Gespräch. Und das war das Problem. Als Lars über sein Buch über die Eisbären gebrütet hatte, da war es wundervoll gewesen, da hatten sie viel Zeit miteinander verbracht. Das war lange her, und jetzt huschte er eigentlich nur durch ihr Leben wie der Wind durch die Linde. Und sie konnte sich nie auf seine Besuche vorbereiten. Er war einfach da. Und das nervte zunehmend. Außerdem war es schmerzhaft zu wissen, dass er sich trotz all seiner Liebe, an der sie auch nicht zweifelte, mehr für eben diese Eisbären, für Vulkane in Island und für Highlandtiger in Schottland interessierte, um nur etwas zu nennen.

      Lars sprang auf alles an, leider nicht auf ein beschauliches gemeinsames Leben im Sonnenwinkel. Das war wirklich bitter, und Roberta spürte, wie unzufrieden sie


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