Hitlers Double. Tatsachenroman. Walter Laufenberg

Hitlers Double. Tatsachenroman - Walter Laufenberg


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mit im Führerbunker. Die hätte ihn nur gestört. Weil er jeder Schürze nachlief. Dabei, seine Frau soll sogar damit einverstanden gewesen sein. Weil möglichst viele Kinder aus seinem edlen Samen dem Führer geschenkt werden sollten. Ich habe mich vorgesehen. Nie habe ich ihn ohne Gummi zu mir reingelassen, außer dem allerersten Mal nie. Da konnte er sich auf den Kopf stellen. Ich war ja kräftig und viel jünger und wendiger als er und konnte kämpfen wie eine Löwin. Ich habe ihn eine halbe Stunde und länger hinter mir herrennen lassen. Rund, immer rund in seinem Zimmer. Bis er die Zunge vor dem Hals hatte und sich brav den Gummi überstülpen ließ.

      Das war, wenn ich mich recht erinnere, Mitte Januar, als Adolf Hitler von seinem Gefechtsstand bei Bad Nauheim nach Berlin zurückkam und sich im Führerbunker einnistete. Da war die großangesagte Ardennenoffensive gerade zuende. Offensive, Befreiungsschlag - ein Windei, mehr nicht. Da kam der Führer zu uns nach Berlin. Anfangs lebte er noch nebenan im Radziwill-Palais. Aber als das dann durch Brandbomben unbewohnbar geworden war, kam er ganz zu uns in den Führerbunker. Aber was für ein Führer war das? Kaum wiederzuerkennen. Gut, er wohnte mit seinen Paladinen, mit Dr. Goebbels und Bormann, seinem Leibarzt und solchen Leuten, die auf gar keinen Fall draufgehen durften, im zweiten Untergeschoß des Bunkers. Die hatten eine fast drei Meter dicke Betondecke über sich, erzählte man. Und dann noch die Erde und den Garten. Ich arbeitete den Tag über in den Personalräumen im ersten Untergeschoß. Ich wohnte ja nur zwei Straßen weiter. Gleich neben uns waren die Vorratsräume und der Weinkeller und die Küche und unser Gemeinschaftsspeiseraum. Man sah ihn deshalb nicht oft, den tiefer wohnenden Führer, aber doch gelegentlich. Man zeigte immer nach unten und sagte nur ‘Er’, wenn man ihn meinte. ‘Er’ weilt noch unter uns, wurde manchmal gewitzelt. Ich fand das geschmacklos. Man sagte, Hitler sei seelisch gezeichnet von dem Attentat am 20. Juli des Vorjahres. Den Verrat deutscher Offiziere könne er nicht verwinden. Wo er diesem deutschen Volk sein ganzes Leben gewidmet habe. Und dann noch die gescheiterte Offensive. Mir kam er vor wie ein anderer Mensch. Ich war ihm doch in der Reichskanzlei vorgestellt worden, ein Jahr zuvor. Das BDM-Mädel, das statt zum Arbeitsdienst geschickt zu werden, zu ihm in die Reichskanzlei geholt wurde. Da war er der strahlende Sieger, der leutselige Führer. Er hat mir die Hand gegeben und mich angesehen, daß mir ganz anders wurde. Mein Gott, da blieb einem die Luft weg. Diese magischen Augen. Aber nun? Nichts mehr. Ein alter Mann, der sich wie eine Marionette bewegte. Und kein bißchen Feuer mehr in den Augen.

      Das war schon eine komische Situation. Wir saßen im Keller, sehr beengt und ohne einen Sonnenstrahl, und die anderen saßen oben in der prächtigen Reichskanzlei und beneideten uns. Aber die saßen da ja auch nicht mehr lange. Dann wurde der ganze Kasten geräumt. Die Bomenangriffe auf Berlin, alle paar Stunden, hatten ihm tüchtig zugesetzt. Und an ein ordentliches Arbeiten in der halben Ruine war nicht mehr zu denken. Ein Jammer. Der schöne Bau, er stand doch noch keine sieben Jahre. Offiziell hieß er immer noch die Neue Reichskanzlei.

      Wir waren alle auf strengste Vertraulichkeit vereidigt, klar. Deshalb durfte man leider nicht weitergeben, was man Interessantes erfuhr. Da wartete das ganze Volk auf die neue Wunderwaffe, die uns versprochen worden war. Und kein Mensch wußte, um was es sich handelte. Aber wir im Bunker, wir kriegten so einiges davon mit. Es ginge um einen Drehflügler, hieß es, also um einen Hubschrauber. Die waren ja noch völlig neu. Der von Professor Focke konstruierte Hubschrauber sollte jetzt als Kampfmaschine eingesetzt werden. Am Führerhorst Ainring bei Freilassing, das war nahe bei Berchtesgaden, da wurden die ersten Hubschrauber in Dienst gestellt und die Piloten ausgebildet. Alles unter strengster Geheimhaltung. Aber ich habe es mitgekriegt.

      Bis auf solche Neuigkeiten war das Leben im Führerbunker ziemlich eintönig. Schreiben, schreiben, schreiben. Und kein Blick aus dem Fenster, nichts. Im März kam Albert Speer, der Architekt des Führers, in den Bunker. Sein Gespräch mit dem Führer soll sehr heftig gewesen sein. Angeblich ging es um verbrannte Erde. Damit konnten wir damals noch nichts anfangen.

      Dann kam Unruhe auf, weil ein Teil des Hitler-Stabes, annähernd achtzig Personen, aus dem Führerbunker und der Reichskanzlei abgezogen wurde. Sie wurden nach Berchtesgaden geschickt, auf den Obersalzberg, wo Hitler sein Privathaus und ein Hauptquartier hatte. Hitler soll in der Lage, so hießen die Lagebesprechungen, den Plan geäußert haben, selbst auch auf den Obersalzberg überzusiedeln, weil die Russen immer deutlicher Berlin bedrohten. Aber dann habe er sich heroisch entschieden, hörten wir, in Berlin zu bleiben und Seite an Seite mit seinen Getreuen den Russen Widerstand zu leisten. Ich war traurig und wütend, daß ich nicht zu denen gehörte, die nach Bayern geschickt wurden. Die waren gerettet und saßen in Deutschlands schönster Landschaft. Wo es kaum mal Bombenalarm gab. Und bis dahin würden die Russen schon nicht kommen, hieß es. Aber mich brauche man noch in Berlin. Und ich merkte bald wieso. Martin Bormann hatte sich entschieden, bei seinem Führer zu bleiben. Also mußten auch alle hübscheren und jüngeren Frauen der Bunkerbesatzung bleiben - als seine Lustreserve. Der Kerl war ja unersättlich.

      Na, egal. Der Tod des amerikanischen Präsidenten Roosevelt brachte den Bunker in Hochstimmung. Hitler soll wie in Ekstase gewesen sein. Das schien für ihn der Wendepunkt des Krieges zu sein. Es war Freitag der 13. April. Ein gutes Omen, hieß es nur. Aber dann wendete sich doch nichts. Gar nichts. Nach einigen Stunden war der schöne Rausch verflogen.

      Am 15. April kam Eva Braun zu uns in den Führerbunker, aus Bayern eingeflogen. Ich habe sie gesehen. Eine unscheinbare junge Frau, schlicht gekleidet, zurückhaltend. Sie hätte auch eine von uns Schreibkräften sein können. Dabei wußte jeder von uns, daß sie die Geliebte des Führers ist. Sie soll im zweiten Tiefgeschoß des Bunkers ihr eigenes Zimmer gehabt haben, gleich neben den Privaträumen Hitlers. Aber was heißt hier Räume. Ich selbst bin nie drin gewesen, aber ich hörte, daß das alles nur winzige Betonzellen waren. Wir alle lebten in diesem Bunker wie Gefangene in Zellen. Einen Tag nach der Ankunft von Eva Braun, ich weiß es noch genau, begann die große russische Offensive an Oder und Neiße, die schon lange befürchtet worden war.

      Wie muß die Frau ihren Adolf geliebt haben, daß sie freiwillig zu ihm in die Todesfalle geflogen kam, während wir nur noch einen einzigen Gedanken hatten: raus hier! Diese Eva Braun, je deutlicher wir bemerkt hatten, daß sie immer untergebuttert wird, daß sie verleugnet und versteckt wird - der Führer stand ja über allem, er hatte ja keine menschlichen Bedürfnisse -, um so mehr stieg unsere Hochachtung für sie. Ich sage unsere, denn das war so ziemlich die allgemeine Meinung. Gut, unter den Bonzen, da gab es gelegentlich andere Kommentare. Und Martin Bormann, das Schwein, war natürlich auch hinter ihr her und hätte sie am liebsten seinem Führer ausgespannt. Alles hatte er ja schon von Hitler, sein volles Vertrauen und die gesamte Vermögensverwaltung, er hatte das Sagen in allem, was den Führer betraf, da fehlte ihm nur noch die Gewalt über Hitlers Geliebte. Aber die hat er nicht bekommen. Man erzählte sich köstliche Geschichten, wie Eva Braun den Wicht abgetan hat. Doch zuletzt, als sie tot war, da hat er zugegriffen.“

      „Aber das kommt ja erst später. Immer schön der Reihe nach, wenn ich bitten darf.“

      „Ja, aber morgen. - Morgen geht’s weiter.“

      12

      „Ein einziges Mal nur durfte ich Führers Geburtstag mit dem Führer selbst erleben. Und das war nicht doll. War ja auch kein runder Geburtstag, der sechsundfünfzigste. Seit Tagen rollte die russische Großoffensive mit etlichen Millionen Mann auf Berlin zu. Es war zu befürchten, daß die Stadt eingekesselt würde. Dazu Tag und Nacht die Luftangriffe der Alliierten Bomberverbände. Man kam einfach nicht mehr zum Luftholen. Die Stadt wurde zu einer einzigen Trümmerlandschaft. Wenn ich zwischen zwei Bombardierungen nachhause lief, hieß das über Schuttberge klettern, an brennenden Häusern vorbei, immer auf der Hut vor herabhängenden Drähten, herabfallenden Balken. Und mein Zuhause war auch nur noch ein Luftschutzkeller. Da hockten nur Frauen und kleine Kinder und ein paar Greise und beteten und horchten auf die Einschläge und sagten: ‘Das war ganz in der Nähe’ oder ‘Als nächstes sind wir dran.’

      Schön, meine Mutter freute sich jedesmal riesig, daß ich noch lebte. Sie fühlte sich so alleingelassen. Mein Vater war irgendwo an der Westfront. Sie war seit Wochen ohne jede Nachricht von ihm. Er hatte sich freiwillig zum Militärdienst gemeldet. Das konnte sie nicht verstehen. ‘Er hat gesagt, er muß das Leben von Frau und Tochter verteidigen’, jammerte sie mir jedesmal


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