Hitlers Double. Tatsachenroman. Walter Laufenberg

Hitlers Double. Tatsachenroman - Walter Laufenberg


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für die Aufdeckung des Mordes mittels Kopfschuß im Wald bei Kelowna ausgesetzt hat. Da geht es um meinen Mann, ganz sicher. Nur sonderbar, daß im „Kelowna Morning“, den ich jeden Tag lese, davon nichts gestanden hat. Fünfzigtausend amerikanische Dollars als Prämie, das ist doch kein Pappenstiel. Das ist das Sümmchen, das mir gerade noch zu meinem Glück fehlt. Dann mache ich Maggy zu meiner Frau und residiere in einem Büro, doppelt so groß wie das von Pineladder. Ja, dieser Fall ist die Chance meines Lebens. - Ich hoffe nur, daß ich sie überlebe, anders als der bedauernswerte Emissär von Simon Wiesenthal.

      Eigentlich unverständlich, daß nicht eine Sonderkommission gebildet wurde. Nichts dergleichen. Ist ja üblich, daß man als Reporter den Kriminalisten ins Gehege kommt. Aber daß sie überhaupt nicht zur Jagd blasen - sonderbar. Eindeutig ein Mord, aber absolute Funkstille. Und trotzdem soll es für mich gefährlich sein, weiter zu recherchieren? Wer sonst kann denn an diesem Fall ein Interesse haben? - Klar, eine Nazi-Organisation. Wer sonst? Vielleicht so was wie das berüchtigte „Netzwerk Odessa“. Und diese Nazi-Organisation ist so stark, daß ihr Arm sogar in unseren Sender hineinreicht. Und in den Zeitungsverlag. Dann muß ich mich erst recht um die Aufklärung dieses Falles kümmern. Unser freies Land Kanada ist von einer Nazi-Organisation bedroht. Die alten Nazis wollen uns in den Griff kriegen. Nie und nimmer darf ihnen das gelingen!

      Ich bringe die Drei-Tage-Tour mit Fred Anthony in bester Haltung und mit wenig Geduld hinter mich. Immer den Stetson auf dem Kopf, das rote Halstuch um und die Sonnenbrille nur selten abgesetzt. Ich sehe trotzdem nichts von Schmugglern. Anthony will sie wohl gar nicht sehen. Das mit der grünen Grenze ist im übrigen ein Witz. In beiden Richtungen kein Problem, sie zu überschreiten. Und Touristen? Dafür interessieren wir uns beide nicht. Fred Anthony regt sich darüber auf, daß ich an meinen Fingernägeln herumschnippel, wenn ich irgendwo warten muß, herumstehen oder herumsitzen. Wofür habe ich das große Klappmesser in der Hosentasche, wenn ich damit nicht meine regelmäßig notwendige Kosmetik betreiben darf? Das krächzt für ihn so, daß er es nicht aushalten kann. Er hält sich die Ohren zu. So ein Quatsch. Ich schneide mir fein säuberlich die Fingernägel ab wie eine Brotrinde. Anschließend an eine Hauswand rantreten und die Schnittkanten auf dem Rauhputz glattfeilen. Ist doch besser als diese Kauerei an den Fingernägeln. Erst als ich Anthony bei dieser infantilen Gewohnheit ertappe, als ich ihm großzügig mein Messer anbiete, damit er von seinem Knabberkomplex loskommt, gibt er Ruhe.

      Trotz allem, als Ausbeute bringen wir einen schönen Wüstenfilm mit. Tiefblauer Himmel und die haushohe Staubwolke hinter unserem Wagen. Das Flimmern in der Luft, daß man unwillkürlich meint, das Hemd weiter aufknöpfen zu müssen. Und ins Leere greift: Wo ist meine Cola?

      Am vierten Tag mache ich wieder mein Jogging, lasse ich Jakob Wagner mir wieder zunicken, sehe ich die beiden Schäferhunde an wie alte Freunde. Sie wissen schon, daß sie nicht hinter mir her rennen dürfen. Sie bleiben brav an der Seite des Alten. Diesmal habe ich mir das Gesicht des Alten ein bißchen genauer angesehen. Hoffentlich war das nicht zu auffällig. Jedenfalls konnte ich nichts Bekanntes in seinem Gesicht entdecken. Was ich mir von den Hitlerfotos eingeprägt hatte, die markante Nase und die waagerechten Augenbrauen, zur Nasenwurzel hin viel buschiger als außen, davon war nichts zu sehen. Beides ganz anders als auf den Fotos. Liege ich also völlig falsch mit meinem Verdacht?

      Ich sitze wieder brav in der Redaktionssitzung und übernehme den Bericht von einem Wettbewerb der Schnupfer. Komisch ernsthafte Leute, die sich den Schnupftabak wie Schießpulver in einer langen Spur auf den Handrücken und den Arm hinauf legen, ihn dann aber nicht anzünden, sondern mit geblähten Nüstern dran entlangstreichen, kräftig die Luft reinziehen, wie ein Staubsauger, und anschließend jeden Krümel auf die Feinwaage legen, der auf der Hand geblieben oder aus der Nase gefallen ist. Herrliche Schnupferporträts. Immer wieder groß hinein in die Nasenlöcher. Volles Akkulicht drauf, daß man glaubt, man würde in eine Kohlengrube einfahren.

      Am fünften Tag bin ich so früh auf wie gewöhnlich. Ich ziehe wieder meinen Trainingsanzug und die Laufschuhe an. Heute werde ich Jakob Wagner ansprechen. Ich werde einfach bei ihm stehenbleiben und etwas über das Wetter sagen. Das ist immer unverfänglich. Und jeder macht gern mit, hat dazu auch selbst was zu sagen. Ich gehe zum Fenster, um festzustellen, wie das Wetter ist. Da sehe ich, wie ein Mann in Joggeranzug und Laufschuhen in meinen Wagen steigt und unterm Armaturenbrett herumfummelt, um die Zündung kurzzuschließen. Verdammt! Ein Dieb! Ich renne los, zwei Treppen runter. Doch in dem Moment, da ich aus der Tür springe, gibt es eine gewaltige Detonation. Mein Wagen ist nur noch ein riesiger Feuerball.

      Mich hat es in den Hausflur geworfen. Mein Fahrrad, das im Flur an der Wand stand, ist auf mich gefallen. Ich rappel mich auf. Mir tut alles weh, aber ich bin offenbar unverletzt. Nur ein paar Blutergüsse wird das geben, tröste ich mich und drücke die Haustür zu. Von innen. Dieser miese kleine Dieb, der mit meinem alten Wagen abhauen wollte. Er ist atomisiert. Während ich schwerfällig nach oben gehe, ist mir, als wäre ich gerade neugeboren. Noch ein bißchen benommen, noch ein bißchen fremd in dieser Welt. Aber soviel weiß ich schon: Das galt mir, und deshalb muß ich fort. Und zwar sofort und ohne Gepäck. Durch den Hinterausgang. Dieser miese kleine Dieb hat mir eine neue Chance gegeben. Tot zu sein und dabei fröhlich vor sich hin zu leben, das ist das Beste, was einem passieren kann.

      9

      Denver ist mal wieder zum Scheißeschreien. Dreimal um den Block, dann um den nächsten - take it easy - und noch einen weiter, rund immer rund. Bis sich endlich ein uralter Firebird aufscheuchen läßt. Lautprustend und mit lahmem Flügelschlag macht er eine Parklücke frei. Aber dann zwei Blocks weit gehen müssen bis zu Helga’s Pub. Lästig. Doch ein anderes Lokal, nein. Wenn Helga auch eine Deutsche ist. Wie diese Frau im Fleisch steht. Und hat noch keinen Mann, wundert Dean O’Casey sich.

      Kurz vor Helga’s Pub, dem Lokal des Denver Press Club, holt Billy H. Winters ihn ein. Auch zu Fuß und mit dem Autoschlüssel in der Hand. Auch in dieser steifen Gangart, die mit jedem Schritt das Fremdartige der Fortbewegung herausstreicht. Schon mehr zur Entschuldigung als aus Trotz. Der eine weiß so gut wie der andere, wohin es geht. Natürlich, denkt der eine wie der andere.

      „Die schwarze Glaswand da“, schimpft Dean los, „die müssen sie letzte Woche hingehustet haben. Nie gesehen vorher. So ein Riesending von Spiegelfassade, einfach brutal.“

      Billy weiß, daß Dean nicht oft Gelegenheit hat, die City aus der Fußgängerperspektive zu betrachten. Nur immer im Wagen unterwegs zwischen Büro, Gericht und Gefängnis. Ein gut beschäftigter Rechtsanwalt. Der Anwalt der Stadt, dessen Telefonnummern, und zwar die vom Büro wie die private, viele im Notizbuch haben - und zur Vorsicht auch im Kopf. Wenigstens alle, die in Denver mit Drogen, illegalem Glücksspiel und Prostitution einen schnellen Dollar machen.

      „Eine neue Bank, kanadisch“, erklärt Billy H. Winters. „Leider nicht von mir. Aber ich kann ja nicht alles machen. Wir können gar nicht so schnell neue Bauten hochziehen, wie bei den Bänkern das Geld wächst.“ Ein Bauunternehmer und so gut im Geschäft wie der Anwalt.

      „Verflucht, eine City habt ihr uns hier hingesetzt, man kommt sich fast so verarscht vor wie in Manhattan.“

      „O Dean, my dear, geht’s schon wieder los? Würden Sie nur einmal Ihr Besserwissermaul halten. Warum sollten wir wohl nicht eine Skyline haben wie New York? Ist dieser faulende Big Apple etwa was besseres als unser Denver?“

      Ein Windstoß rollt die Vierzehnte Straße herauf. Mund zu, Kopf runter und mit fast geschlossenen Augen weiter. Dagegen an und sich nichts draus machen.

      Nicht so der Anwalt. „Danke, Billy“, murmelt er mit fast geschlossenen Lippen.

      „Danke wofür?“

      „Na, für den Wind, der einem alle Löcher mit Dreck zustopft. Ist doch auch euer Werk.“

      „Ja, das Problem der Fallwinde ist sehr störend, zugegeben, aber das kriegen wir noch in den Griff.“

      „Windfallen bauen, das könnt ihr, Windfallen in Downtown Denver wie in Downtown Manhattan. Immer neue Windfallen. Und gelernt habt ihr noch nichts dabei.“

      Billy H. Winters verzichtet auf eine Antwort. Er weiß, wenn dem Anwalt danach


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