Hitlers Double. Tatsachenroman. Walter Laufenberg

Hitlers Double. Tatsachenroman - Walter Laufenberg


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geworden. Er legt eine ganze Reihe von Hitlerfotos vor seinem Besucher aus. Ich stürze mich etwas zu gierig auf die Bilder. Tatsächlich: Wenn er nicht gerade gestikuliert, steht Adolf Hitler in dieser sonderbaren Haltung da. Und die anderen alten Nazis, die auf den Fotos zu sehen sind? Wenn sie nicht gerade den rechten Arm zum Hitlergruß erhoben haben, stehen sie mit den Händen an der Hosennaht da. In Habachtstellung. Diese nachdenklichselbstsichere Haltung jedoch, mit den Händen vor dem Bauch, ist nur bei Hitler selbst zu sehen.

      „Das ist überzeugend“, sage ich und hätte das lieber nicht gesagt und hoffe, daß Hanson nicht nachfragt, was ich meine. Um ihn gar nicht erst zu einer Frage kommen zu lassen, werfe ich gleich selbst eine hin wie einen Köder: „Ist das vielleicht typisch für die deutschen Herrscher, daß sie Schwierigkeiten mit einem Arm haben? Der letzte Kaiser, das war doch auch so einer?“

      Daß er lacht, der alte Hanson, das ist ja in Ordnung. Aber daß er sich gar nicht wieder einkriegen will vor Lachen, das wäre nicht nötig. „Das hätte Hitler gefallen“, kommt es schließlich prustend, „ihn so zum Erben des preußischen Königtums und des deutschen Kaisers zu erklären. Dafür hätte er dir einen Orden verliehen, William, den schönsten Orden, den er hat.“

      „Man kann ja mal einen Scherz machen“, wehre ich mich. Viel zu kleinlaut.

      Was mir einen weiteren Lacherfolg einbringt: „Ein Scherz, ein guter Scherz, ja.“ Doch als er sich endlich beruhigt, tut es ihm offensichtlich leid, daß er mich ausgelacht hat. „Die ganze Geschichte“, sagt er, plötzlich sehr ernsthaft, „was ist sie anderes als ein dummer Scherz. Nur daß wir, die kleinen Leute, dabei nichts zu lachen haben. Allenfalls die Historiker, die können beim Blick zurück über die Verrücktheiten der Vergangenheit lachen. - Sag mal, William, wolltest du nicht Historiker werden? Hast du nicht Geschichte studiert?“

      „Ja, das habe ich. Und ich bin auch noch lange nicht fertig mit der Historie. Immer noch spannend. Jedenfalls besten Dank für die Fotos. Diesmal brauche ich sie nicht mitzunehmen. Ich weiß auch so Bescheid.“

      7

      „Was hast du denn da gemacht?“ Maggy Fry entsetzt, während sie die gerade aus der Entwicklung gekommene Filmrolle das erstemal über ihren Schneidetisch fahren läßt. Zuerst interessiert, dann im Schnellgang. „Mein Gott, William.“

      „Was heißt hier: Mein Gott, William. Das war mein Auftrag. Ich sollte einen Film über den Ogopogo machen. Nun, das ist der Film. Kann doch kein Mensch erwarten, daß ich das Seeungeheuer persönlich vor die Kamera kriege. Ich mußte mich mit dem Standbild des Ogopogo bescheiden, das leider nur am Wasser steht statt im Wasser, verrückterweise mitten im Park. Dazu diese weiten Blicke über den See, ein bißchen Wellengekräusel, ein paar verängstigt dreinschauende Kinder - war gerade mühsam genug, sie so bange zu machen.“

      „Ja, auch noch ein paar einsame Segler, die ahnungslos vor dem Ungeheuer aufkreuzen. Unter dem harmlos blauen Himmel mit den weißen Sommerwölkchen. Und dann Naheinstellung. Den endlos langen widerlich naßgrünen Schwanz entlang, wie er in vielen Bögen aus dem Wasser hervorkommt, furchterregend gezackt, und dann zu den tückisch funkelnden Glubschaugen hinauf und zuletzt auf das unheildrohende Riesenmaul des Tieres.“

      „Ja, ganz genau so.“

      „Natürlich. Du machst das genau so.“

      „Aber, - was sollte ich sonst machen? Daß noch nie einer das Ungeheuer des Okanagansees gesehen hat, das werde ich im Text sagen. Und auch, daß es mindestens zweimal im Jahr auftaucht, immer in der Saure-Gurken-Zeit. Genauso zuverlässig wie seine entfernte Verwandte, Nessie, drüben im schottischen Loch Ness.“

      „Mensch, William, daß du so einen Scheiß-Bericht machst.“

      „Scheiß-Bericht? Du weißt ja noch gar nicht, wie er wird. Mach mir erst mal eine flotte Montage.“

      „Ach ja, das konntest du nicht wissen, William. Aber einen Film über den Ogopogo machen zu müssen, das ist eine Strafarbeit.“

      „Wieso das?“

      „Das ist seit Jahren so. Immer der, auf den Pineladder gerade einen Pick hat, muß den Ogopogo machen. Als Strafarbeit, wie gesagt. Zum dreißigsten Mal oder mehr. Es sei denn, er ist so clever und holt sich einen alten Bericht aus dem Filmarchiv, auf den er den Text neu spricht. Dann hat er einen freien Tag gewonnen.“

      „Das heißt, Pineladder wollte mir mit diesem Auftrag zu einem freien Tag verhelfen?“

      „Wer das glaubt, muß noch dümmer sein als Pineladder. Und mir scheint fast, du hast ihn übertroffen.“

      Wer mich so anmacht, muß damit rechnen, daß ich zu einer Offensive des Charmes übergehe, die rücksichtslos alles beiseiteräumt, was mich daran hindern könnte, der Größte zu sein. Das hätte Maggy nicht gedacht, daß ich an dem Tag, an dem sie mich mit „Mein Gott, William“ abgetan hat, an dem sie mich für dümmer als Pineladder erklärt hat, das erste Mal mit ihr auf der Couch sitze. In ihrem Apartment, das sie mit ihren himmlisch schönen Händen auf wohnlich getrimmt hat. In dieser femininen Weise, die alles aufeinander abstimmt, die Vorhänge auf den Teppich, die Sofakissen auf die Tischdecke, die Bestecke auf das Geschirr, die Musik auf den Mann. Oh ja, sie läßt sich sogar dazu herbei, für mich etwas zu essen zu machen. Ein williges Opfer meiner Charmeoffensive. Sie zeigt es mir wieder, was es heißt, sich erobern zu lassen, nämlich es zu genießen, daß sich ein anderer für einen begeistert. Und wie ich mich begeistert zeigen kann. Ganz hingerissen von ihrer Wohnung, von ihrem Essen, von ihrem Wein, - von ihren Händen, das brauche ich ihr ja nicht mehr zu sagen. Das weiß sie längst. So halte ich mich nicht lange mit den Händen auf und gehe aufs Ganze. An diesem Abend schlafe ich das erste Mal mit Maggy. Mit der schönsten Cutterin, die wir haben. Welch ein Triumph. Ogopogo sei Dank.

      Hinterher habe ich plötzlich ein ganz anderes Verhältnis zu Maggy. So vertraut, wie wir beieinanderliegen und uns unterhalten. Ihre himmlischen Hände streicheln meinen Arm hinauf und hinunter, meine Schulter. Es tut ihr leid, daß sie mich so aufgezogen hat mit dem Ogopogo-Bericht. Sie will mir helfen. Will herauskriegen, was Pineladder gegen mich hat. Was ich vielleicht falschgemacht habe. „Du mußt überlegen, was es sein könnte. Was ihn geärgert hat. Damit man das ganz schnell wieder in Ordnung bringt. Das mache ich dann schon.“ Ich brauche nichts zu sagen, weil sie weiter leise auf mich einspricht. Ich brauche ihr nicht zu gestehen, daß ich weiß, was Pineladder gegen mich hat. Daß es sich nur um meine Recherchen handeln kann. Maggy denkt doch längst nicht mehr an den Film mit dem Toten im Wald, der so ein kleines Loch im Hinterkopf hatte. Wie viele Filme sie seitdem schon montiert hat. Maggy weiß ja, daß Pineladder mir gesagt hat, ich solle die Finger davon lassen. Die Eigentümer unseres Senders wollten es so. Aber ich kann doch jetzt nicht mehr aufgeben. Wo ich einmal auf der Fährte bin, diesen Geruch einer Sensation in der Nase. Ich bin ein Terrier. Jetzt alles auf sich beruhen lassen? Dafür weiß ich schon zuviel. Daß der Tote ein Nazijäger war, ein Emissär von Simon Wiesenthal in Wien. Das steht fest. Und daß Jakob Wagner wie Hitler dasteht.

      „Sag mal, Maggy, könntest du dir vorstellen, daß Adolf Hitler noch lebt? Soviel ich weiß, war der 1889 geboren. Und jetzt haben wir das Jahr 1966. Wenn er noch lebte, müßte er jetzt siebenundsiebzig sein. Eigentlich doch kein Alter oder?“

      „Auf was für Ideen du kommst.“

      „Ging mir nur gerade so durch den Kopf.- Aber sag mal. Was meinst du?“

      „Soviel ich weiß, hat der sich doch selbst erschossen, ganz zuletzt, das war 1945, und die Leiche hat man dann verbrannt.“

      „Ja, so brachte es das Radio, so stand es in den Zeitungsberichten.“

      „Willst du damit eventuell einen leisen Zweifel ausdrücken?“

      „Gar nichts will ich. Wenn es so in den Berichten stand, dann wird es wohl so gewesen sein.“

      „Na ja, wir beide, wir sind gerade die Richtigen, alles für bare Münze zu nehmen, was uns als Bericht vorgesetzt wird.“

      „Wie meinst du das?“

      „Ich sage nur: Ogopogo.“


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