Hitlers Double. Tatsachenroman. Walter Laufenberg

Hitlers Double. Tatsachenroman - Walter Laufenberg


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noch einmal versucht. Doch nichts tut sich. Links an der Wand die Kachel mit dem komischen Hundebild und der Beschriftung „cave canem“ soll wohl eine besonders witzige Warnung vor dem Haushund sein. Schade, daß ich kein deutsch kann. Das putzige Hundchen mit den krummen Beinen hätte ich gern kennengelernt.

      Ich kann hier nicht ewig vor der Tür herumstehen. Ich muß weg hier und die Sache vertagen. Oder ich gehe sie von einer anderen Seite her an. Nachbarn haben manchmal viel übereinander zu sagen. Die räumliche Nähe bringt es mit sich, daß man den anderen nicht leiden kann und ihn nur zu gern schlechtmacht. Also fahre ich an die Villa heran, die etwas unterhalb des bayerischen Hauses an derselben Straße steht.

      „Verzeih’n Sie die Störung. Aber ich suche meine Tante, Frau Elizabeth Allenby. Sie muß bis vor kurzem in dem Haus dort oben gewohnt haben. Aber dort ist niemand, der mir Auskunft geben kann.“

      „Dort ist schon jemand. Aber der läßt sich nicht sprechen. Ich bin sicher, der ist zuhause. Ein Fremder, ein Einsiedler beinahe. Der läßt keinen Menschen an sich heran. Außer der indianischen Haushälterin, die zweimal die Woche zu ihm ins Haus kommt. Und Ihre Tante, die wohnt da nicht. Die hat dort auch nicht gewohnt. Müßte ich doch wissen. Ich bin hier schon über fünfundzwanzig Jahre.“

      „Und der Mann, dieser Jakob Wagner, der wohnt ganz allein in dem großen Haus?“

      „Sag’ ich doch. Nur zwei Hunde hat er. Denen muß er wohl die Schnauzen zuhalten, wenn einer klingelt. Ja, die Hunde, die leben mit ihm in dem Haus. Wer sonst will in so einer häßlichen Jahrmarktsbude wohnen? Haben Sie die schweren Felssteine gesehen, die er auf das Dach gelegt hat. Damit es ihm nicht davonfliegt. Der Mann muß wohl viel Wind machen. Ob er sonst noch was macht, das weiß kein Mensch. Wird schon nichts Rechtes sein. Und jetzt entschuldigen Sie mich. Ich habe keine Zeit. Und ich spreche auch nicht über andere Leute.“

      „Ich danke Ihnen“, steige ich wieder auf meinen Roller. „War sowieso nicht reich, meine gute alte Tante.“ Plötzlich habe ich es eilig. Denn da ist mir eine Idee gekommen: Du mußt überprüfen, ob man dieses bayerische Haus von drüben sehen kann. Vom gegenüberliegenden Hang aus. Von der Straße Nr. 33, die zum Big White Mount hinaufführt, wo ich in zwei Monaten wieder skilaufen werde. Und schon bin ich wieder der Tourist, der sich mit seinem Motorroller und mit neugierigem Kopfdrehen durch die Stadt schlängelt. Nur gerade raus aus dem Verkehr und ein kurzes Stück in den Hang hinein, hinauf in den Kiefernwald. Das ist die Stelle. Hier hat der Mann gestanden, als es ihn erwischt hat. Ich drehe und steige ab und stehe neben der Fahrbahn und sehe hinüber zum Westufer des Okanagansees und sehe das Haus mit der Blumenpracht. Mit einem guten Feldstecher wäre von hier aus gut zu beobachten, was sich da drüben tut. Wer ein und aus geht und zu welchen Uhrzeiten. Die meisten Menschen haben ja was Regelmäßiges an sich, was sie verwundbar macht. Bei dem Gedanken meine ich schon zu spüren, wie mir ein kleines Loch in den Hinterkopf geschossen wird. Nur weg von hier. So nicht, so will ich ihn nicht kennenlernen, den Mörder des unbekannten Mannes, der ein Nazijäger war.

      6

      Die ominöse Stelle an der Straße Nr. 33 ist zu weit weg von dem bayerischen Haus, überlege ich auf der Heimfahrt. Ich besorge mir kein Fernglas. Viel zu gefährlich. Wer dort observiert, wird entdeckt und umgelegt. Ich muß näher ran an das Haus. Am nächsten Morgen bin ich schon kurz nach Sonnenaufgang mit meinem Wagen am Westhang des Sees. Ein einheimischer Wagen ist am wenigsten verdächtig. Und daß ein Jogger aussteigt, in Trainingsanzug und Laufschuhen, und daß er da herumläuft, wo die städtische Bebauung zuende geht, das ist ja nur natürlich. Gesundheitsbewußtheit, Fitness erklärt alles. Ich laufe so, daß ich immer wieder einen Blick auf das Haus von Jakob Wagner werfen kann. Wenn er wirklich so menschenscheu ist, wie der Nachbar sagte, dann muß er sehr früh am Morgen oder sehr spät am Abend herauskommen aus seinem Bau. Denn die beiden Hunde brauchen ja ihren Auslauf. Das Grundstück ist zu klein, hat keinen Garten, der für die Hunde groß genug wäre.

      Wenn überhaupt, dann muß er hier hoch gehen. Zu diesem Hügel hin, wo genug freies Gelände für die Tiere ist. Also ist die kleine Kuppe daneben genau der richtige Platz für mich. Hohes Gebüsch, das mir Deckung gibt.

      Während ich noch in bester Joggerart herumlaufe und meine Atmung zu kontrollieren versuche - warum nur arbeitet das Herz heute so wild? - kommt er tatsächlich aus seinem Haus. Ein alter Mann, nicht allzu groß, in einer graubraunen langen Joppe und einer schwarzen Hose. Er ist fast kahl, mit einem schütteren weißen Haarkranz um den Hinterkopf, und glattrasiert. Eine sonderbar hochgebogene, schmale Nase, ein dünnlippiger Mund. Unvermeidlich, daß wir uns begegnen. Auf mein hechelndes „Guten Morgen“ reagiert er nicht. Er muß seine beiden Hunde zur Ordnung rufen, damit sie nicht hinter dem Jogger herlaufen. Deutsche Schäferhunde. Typisch für einen alten Nazi. Die Hündin hört auf sein energisches „Blondi!“ und geht brav an seiner Seite. Der jüngere Hund, ein Rüde, wohl der Abkömmling der Hündin, hört nicht so vorbildlich aufs Wort. Jakob Wagner muß ihn dreimal rufen. Wolf heißt das Tier.

      Ich verschwinde aus seinem Blickfeld und komme auf einem Umweg zu meinem Beobachtungsplatz. Da sehe ich ihn auf dem Hügel nebenan stehen. Regungslos. Den Kopf leicht angehoben, das Kinn vorgeschoben. Mit versteinerter Wichtigtuermiene steht er da. Als gehörte ihm das ganze Land, das er überschaut. Die beiden Schäferhunde wie Portallöwen zu beiden Seiten neben ihm. Sie sitzen auf den Hinterpfoten und recken die Köpfe aufmerksam hoch. Die Zunge vor dem Maul. Sie schwitzen. Sie müssen schon eifrig gerannt sein. Ich kann es ihnen nachfühlen. Ein Glück, der Wind kommt von ihnen zu mir herüber. Sonst wären sie sicher schon bei mir, hätten mich mit wildem Gebell aus dem Gebüsch aufgestöbert wie ein Stück Wild. So wie der Wind dreht, wird der Jäger zum Gejagten. Der Mann hat die Arme vor sich herabhängen und hält mit der rechten Hand das linke Handgelenk fest. Er steht da in einer Pose, als wollte er eine Rede halten. Als wartete er nur noch, daß endlich Ruhe ist. Dabei ist kein Mensch in der Nähe. Er könnte nur den Pflanzen und dem Kleingetier sagen, was er zu sagen hat. Aber er tut den Mund nicht auf, erhebt nicht mahnend den Zeigefinger. Bleibt regungslos. Die Rechte hält die Linke.

      Hoppla, diese Haltung kenne ich doch. Die habe ich schon oft auf alten Fotos aus der Nazizeit gesehen. Ja, das ist sie, die typische Nazi-Pose.

      Das reicht für den frühen Morgen. Schon bin ich auf dem Weg zu meinem Wagen - die Hunde haben mich nicht bemerkt -, und schon unterwegs zum Druckhaus des „Kelowna Morning“. Die Printkollegen haben ein Bildarchiv, da kann unser Sender nicht mithalten. Dafür sind wir noch nicht alt genug. Und ich kenne den Archivar. Hanson, der alte Hanson, wie er nur immer genannt wird, er hat mir schon mit Bildmaterial - „Aber nur zur Ansicht“ - geholfen, als ich noch Student war. Da wurden mir die verwickelten Verhältnisse gerade der jüngeren Geschichte wie von selbst klar.

      „Worum geht’s denn diesmal, William?“ empfängt der alte Hanson mich. Ein Denkmal seiner selbst in diesem engen Regal-hinter-Regal-Ambiente, zu dem der Staub gehört wie Patina. Läßt er doch erst wertvoll werden, was einmal banale Alltäglichkeit war.

      „Darum geht’s diesmal.“ Dabei baue ich mich vor ihm auf wie eine Statue, schiebe das Kinn vor, schaue entschlossen in die Ferne, das heißt aus dem Fenster, und halte mit der rechten Hand das linke Handgelenk. „Wer bin ich?“

      Hanson sieht mich eine Weile schweigend an. Dann meint er nachdenklich: „Nun, der bist du zum Glück nicht, mein Junge, aber so stand Adolf Hitler gern da.“

      „Adolf Hitler?“

      „Ja.“

      „Nur der? Oder standen alle Nazis so da?“

      „Möglich, daß der eine oder andere seiner Paladine aus Begeisterung für den Führer ihm diese Pose nachgemacht hat. Aber eigentlich ist das die für Hitler typische Haltung.“

      „Das wäre ja das Allertollste.“

      „Man sagte, Hitler habe Schwierigkeiten mit dem linken Arm gehabt. Ein ständiges leichtes Zittern, weswegen er nicht die Hände vor dem Bauch gefaltet hat, wie man das so tut, wenn man dasteht und die Hände nicht braucht, sie aber auch nicht in die Hosentaschen stecken kann. Hitler hat immer mit der Rechten die Linke festgehalten. Das ist aufgefallen, weil er die Hände niemals andersherum gehalten


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