Geballte Ladung Liebe - Katharina Wolf Sammelband. Katharina Wolf

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Am Bahnhof war totales Chaos. Und keiner konnte weiterhelfen. Und dann war mein Handyakku leer und es hat angefangen zu regnen. Dann wollte ich ein Taxi nehmen, aber da war ich auch nicht der Einzige. Es hat alleine über eine Stunde gedauert, bis ich ein Taxi zu Gesicht bekommen habe ...«, Jan redete noch weiter, doch ich hörte ihm nicht mehr wirklich zu. Der Lokführerstreik. Klar. Ich hatte es in den Nachrichten gehört.

      War das die Wahrheit? War es wirklich so einfach? Er wollte kommen und konnte nicht? Keine andere Frau? Er betrog mich nicht? Oder?

      Ich wollte so sehr daran glauben. Ich musste einfach daran glauben. Das war doch mein Jan. Jan und ich, wir gehörten zusammen!

      Was wusste denn Pablo schon?

      Nichts.

      Überraschungen

      Nach einer relativ kurzen und nahezu schlaflosen Nacht stand ich auf und begann damit, meine komplette Wohnung von Grund auf zu putzen. Keine Ahnung, was mich da geritten hatte. Aber ich war innerlich so ruhelos, dass ich einfach irgendetwas tun musste.

      Ich saugte einmal durch und putzte die Fenster, was ich, glaube ich, vorher noch nie getan hatte. Ich spülte Geschirr und schrubbte das komplette Bad auf Knien. Was zur Folge hatte, dass ich sie mir – ungeschickt, wie ich war – erneut an den Fliesen aufschürfte. Dann überzog ich mein Bett neu und wusch eine Ladung Wäsche. Ich fuhr mir mit dem Unterarm einmal über die Stirn. Ich war ziemlich verschwitzt. Also zog ich mich schnell aus und sprang unter die Dusche.

      Nun war alles sauber. Die Wohnung und ich.

      Ich fühlte mich trotzdem schlecht. Was nicht nur an dem schlimmen Kater lag, den ich hatte.

      Es klingelte an der Tür und ich öffnete sie mit einem Handtuch auf dem Kopf. Jan stand davor und lächelte mich so herzlich an, dass mir sofort das Herz in die Hose rutschte. Er umarmte mich und schob mich zurück in die Wohnung. Dort schaute er sich erst mal perplex um.

      »Was ist denn hier passiert?«

      »Ich habe aufgeräumt und ein wenig geputzt.«

      »War die Wohnung schon immer so groß?«

      Ich verdrehte die Augen. So schlimm sah es sonst nun auch wieder nicht aus. Ich war doch kein Messie. Nur etwas faul und chaotisch.

      »Hier, für dich.« Jan hielt mir ein kleines Päckchen entgegen. Sein Lächeln war so wunderschön, dass ich ihn am liebsten sofort abgeknutscht hätte.

      »Was ist das?«

      »Eine kleine Überraschung. Ein Geschenk zum Abi.«

      »Ich habe doch noch gar keine Ergebnisse.«

      »Ja, aber das Schlimmste ist rum und du hast so fleißig gelernt. Da dachte ich ...« Er wirkte sehr verlegen und kratzte sich am Hinterkopf.

      »Vielen Dank.«

      Er küsste mich wieder und sein Blick war ... hm, wie sollte ich das beschreiben? Verliebt? Ja. Sein Blick war voller Stolz und Liebe. Er machte mich sprachlos.

      »Entschuldige bitte wegen gestern. Ich wäre wirklich gerne dabei gewesen.« Er streichelte mir über die Wange und ich versuchte, seinem Blick standzuhalten. Dabei war mein schlechtes Gewissen gerade so unglaublich groß und wog so schwer, dass es mich zu erdrücken drohte.

      »Pack es schon aus, ist auch nur eine Kleinigkeit.« Ach ja, das Päckchen. Ich riss das Geschenkpapier hinunter und erspähte ein Buch mit einem wunderschönen Cover. Eine Liebesgeschichte, das erkannte man sofort. Eine Handvoll Worte von Jojo Moyes. Ich hatte bereits ein Buch von ihr gelesen und Jan davon vorgeschwärmt. Das Geschenk war somit garantiert ein Volltreffer.

      »Danke«, hauchte ich, fiel ihm um den Hals und küsste ihn stürmisch. Konnte man ein schlechtes Gewissen verdrängen? Es war ja gar kein richtiger Kuss gewesen. Pablo hatte mich überrumpelt, geradezu überwältigt. Außerdem war ich betrunken gewesen. Pablo zudem auch noch bekifft. Man konnte das also geflissentlich vergessen und hinter sich lassen. Es war nichts. Hatte nichts bedeutet.

      Plötzlich warf mich Jan über seine Schulter und mir entwich ein überraschter Laut. Er trug mich ins Schlafzimmer und legte mich auf das frisch bezogene Bett. Hastig begann er, mich auszuziehen, und küsste mich dabei immer wieder leidenschaftlich.

      Wie ich diesen Mann liebte. Es fühlte sich so gut an. Wie er mich berührte, wo er mich berührte. Mit seinen Fingern, die etwas kälter waren als meine Haut, und mit seinen Lippen, die dafür so heiß waren, dass sie mich schier verbrannten.

      Wie Verhungernde liebten wir uns zwei Mal und lagen danach noch Stunden zusammen im Bett und schauten fern. Mein Kopf lag auf Jans Brust und er streichelte mein Haar. Alles war gut. Wir verbrachten endlich mal wieder eine schöne Zeit miteinander und die fiesen letzten Tage und Wochen rückten in den Hintergrund. Ganz weit weg. Hoffentlich für lange Zeit.

      Jan übernachtete leider nicht bei mir. Gegen 20 Uhr verließ er, nach vielen weiteren Küssen und Streicheleinheiten, etwas wehmütig meine Wohnung und ging nach Hause. Er musste morgen arbeiten, ich hatte frei. Mir hätte es nichts ausgemacht, wenn er mich morgen früh geweckt hätte. Aber ihm wäre es unangenehm gewesen. Also gab ich nach und ließ ihn gehen.

      Alleine in der Wohnung, ging ich erst mal in die Küche und begann, mir ein Brot zu schmieren. Ich hatte einen Bärenhunger und nach den körperlichen Aktivitäten hatte ich einen kleinen Snack auch mehr als verdient. Ich kochte mir einen Tee und nahm beides wieder mit ins Schlafzimmer. Ich setzte mich ins Bett, wickelte die Decke um meine Beine und schaute, während ich mein Abendessen zu mir nahm, eine Talkshow, die ich vorhin begonnen hatte. Aber so richtig spannend war die dann doch nicht. Zumindest hatte ich den Überblick verloren, warum sich die Politiker so anschrien. Den leeren Teller stellte ich gemeinsam mit meiner Teetasse auf dem Nachttisch neben mir ab. Ich schaltete den Fernseher aus und schnappte mir mein neues Buch, das Jan mir heute geschenkt hatte. Ich strich mit dem Daumen voll Vorfreude über das Cover und schlug dann die erste Seite auf.

      In dem Moment klingelte es an der Haustür. Ich schaute verwundert auf die Uhr. Kurz vor 21 Uhr. Da würde ich garantiert nicht mehr an die Tür gehen. So begannen Horrorfilme, und zwar alle!

      Aber es klingelte noch mal. Und noch mal. Ich legte das Buch auf die Seite und lauschte. Nun klopfte es und ich hörte jemanden meinen Namen rufen. Jan? Das war Jan und er rief nach mir!

      Ich riss mir die Decke von den Beinen und lief zur Tür. Ich hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache. Es musste etwas passiert sein. Warum würde er sonst die komplette Nachbarschaft zu so später Stunde wach rufen?

      Ich riss die Tür auf und stand vor meinem Freund, der einen angsteinflößenden Gesichtsausdruck aufgelegt hatte und vor Wut schnaubte.

      »Jan, was ...?«

      Ohne Vorankündigung knallte er mir plötzlich irgendwelche Dinge an den Kopf und ich stolperte einen Schritt zurück. Vollkommen perplex fasste ich mir an die Stirn. Ich schaute nach unten und sah einige verstreute Zettel auf dem Laminat. Einer davon lag so, dass ich das Bild darauf erkennen konnte. Mir wurde ganz heiß und meine Ohren glühten. Das Foto zeigte mich mit Pablo.

      Wir küssten uns.

      »Was zur ...?« Mehr brachte ich nicht heraus.

      »Wie konntest du nur?« Seine Stimme war nicht laut und dadurch nur umso bedrohlicher.

      »Ich ... das war nicht ...«, stammelte ich.

      »Du wusstest es, du wusstest es genau! Das ist das Einzige, das verdammt noch mal Einzige, was ich nicht tolerieren kann. Was unverzeihlich ist!« Nun schrie er. Ich konnte nicht behaupten, dass mir das lieber war. »Ich kann es verdammt noch mal einfach nicht fassen. Und ich komme her und wir ...« Er schlug die Hände über den Kopf zusammen und schüttelte immer wieder mit dem Kopf, als wolle er sich selbst davon überzeugen, dass das wirklich real war.

      »Aber es war doch gar nicht ...«

      »Lüg mich nicht an!« Er wurde immer lauter und ich zuckte zusammen. Automatisch ging ich einen Schritt zurück. Er hob


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