Geballte Ladung Liebe - Katharina Wolf Sammelband. Katharina Wolf

Geballte Ladung Liebe - Katharina Wolf Sammelband - Katharina Wolf


Скачать книгу
Leben lang musste ich mich ohne Halt, ohne Partner und ohne richtige Familie durchschlagen. Kaum hatte ich jemanden gefunden, bei dem ich mich geborgen fühlte und mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen wollte, da entfernte er sich wieder von mir. Und das Schlimmste war: Ich hatte den Eindruck, dass ich rein gar nichts dagegen tun konnte. Als würde er mir einfach so entgleiten. Wie Sand zwischen den Fingern. Alles schien so hoffnungslos.

      »Hier, deine Coke.« Pablo riss mich aus meinen trüben Gedanken und reichte mir ein Glas mit kalter Cola. Ich trank gierig und viel zu hastig. Mit meinem betrunkenen, wirren Kopf und den zitternden Händen schüttete ich mir die Hälfte in mein Dekolleté.

      Verdammt.

      Pablo ließ sich wieder neben mir nieder und stürzte mit zwei Jungs noch einige Schnäpse hinunter. Er zog noch mals an einem Joint und widmete sich dann wieder mir. Er hatte glasige Augen und schaute mich argwöhnisch an.

      »Und, wo bleibt er?« Seine Frage ließ mich erstarren.

      »Wer?« Ich wusste genau, auf wen er anspielte. Ich wollte mir allerdings nichts anmerken lassen.

      »Wer wohl? Dein Freund natürlich.«

      »Ich weiß nicht«, gab ich kleinlaut zurück.

      »Wieder am Arbeiten?« Woher wusste er das denn?

      »Ich denke, ja ...«

      »Er macht ziemlich viele Überstunden, findest du nicht auch?«

      Ich setzte mich gerade hin und schaute ihn direkt an. Was sollte das denn jetzt? Er kannte Jan doch gar nicht. Hatte ich so viel von ihm erzählt? Nein. Er wusste so gut wie nichts über unsere Beziehung Und mit Sicherheit nichts über unsere Probleme. Es ging ihn ja auch nichts an. Gar nichts.

      »Komm schon, Nora, so blind kannst du doch nicht sein. Du bist das intelligenteste Mädchen, das ich kenne, und du raffst es ernsthaft nicht? Du raffst nicht, dass er dich bescheißt?«

      »Was? Wie kommst du denn auf sowas? Wie kannst du sowas sagen?« Ich wurde laut und schaute ihn schockiert an.

      »Mensch, Nora. Wach auf! Wie lange geht das denn schon? Geschäftsreisen, Überstunden … alles mit seiner hübschen Arbeitskollegin? Da muss es doch bei dir klingeln, verdammt. So sehr kann doch niemand auf dem Schlauch stehen.«

      Wir hatten uns mittlerweile beide erhoben und standen uns wutschnaubend gegenüber. Er roch nach Anis. Der letzte Schnaps musste Ouzo oder etwas ähnliches gewesen sein. Ich wandte mein Gesicht ab. Ich wollte ihn nicht direkt ansehen. Er war gemein.

      »Pablo, du hast keine Ahnung. Du kennst weder ihn, noch kennst du mich sonderlich gut. Okay? Also halt dich da raus! Wie kannst du so etwas behaupten? Wie kannst du meinen Freund so schlecht reden? Das ist unfair und ich werde das nicht zulassen.«

      »Verdammt, Nora, ich weiß es! Ich weiß, dass er dich betrügt. Mit ihr. Ich weiß es. Geht das endlich in deinen Kopf?«

      Ich drehte mich um und ging. Ohne zurückzublicken, schritt ich über die Tanzfläche an schwitzenden Menschen vorbei. Ich streifte den einen oder anderen Kerl, kam dadurch ins Straucheln, fing mich aber wieder. Ich ging weiter. Immer geradeaus Richtung Toilette. Gleich würde ich weinen. Ich spürte es. Ich wollte nicht hier vor allen in Tränen ausbrechen. Das alles war so schon schlimm genug. Ich wollte mich verkriechen, und zwar schnell. Hinter einer verschlossenen Kabinentür würde ich sicher sein. Doch noch ehe ich die rettende Tür zur Damentoilette erreichen konnte, packte mich Pablo am Handgelenk und riss mich zu sich herum.

      »Lauf jetzt nicht weg!«

      Ich schaute ihn mit Tränen in den Augen an und war so dermaßen von der Situation überfordert, dass ich ihn weiter sprachlos anstarrte. Unfähig, mich zu wehren. Unfähig, mich abzuwenden. Ihm einfach hilflos ausgeliefert.

      »Nora, rede mit mir. Ich will dir doch nur helfen.«

      Und dann brachen alle Dämme. Erst kullerte eine Träne meine Wange hinunter, und dann kam der Rest. Unaufhaltsam. Ich fing ungehalten an zu schluchzen und konnte rein gar nichts dagegen tun. Wieder wollte ich mich umdrehen und auf der Damentoilette verschwinden. Das war mir alles so peinlich. Doch Pablo ließ mich nicht gehen. Er zog mich an sich und umarmte mich.

      Es tat gut. Oh Gott, und wie gut das tat. Wie sehr ich solche Nähe brauchte. Körperliche Nähe war für mich so unglaublich wichtig und Jan hatte sie mir schon so lange vorenthalten. Viel zu wenige Umarmungen. Kaum Berührungen und wenn, dann oft nur flüchtig, ohne Gefühl. Ich war so alleine. So einsam! Was sollte ich nur tun? Was? Mein Kopf war wie leergefegt. Die schockierenden Worte von Pablo in Kombination mit dem Alkohol waren zu viel für mich. Ich war fertig mit den Nerven. Mir war schlecht, alles drehte sich, ich hatte Kopfschmerzen und ich blamierte mich hier. Ich stieß mich etwas von Pablo weg und kramte nach einem Taschentuch. Ich fand keines und in Ermangelung an Alternativen wischte ich mir die Nase einfach an meinem Handrücken ab. Ich überlegte, was ich nun zu Pablo sagen sollte. Ich hasste ihn für das, was er mir hier an den Kopf geworfen hatte. Andererseits war ich ihm dankbar dafür, dass er sein Bestes tat, um mich zu trösten.

      Und nun? Ich musterte meine Schuhe und überlegte, was ich tun sollte. Dann schaute ich verlegen nach oben und in dem Moment knallten feuchte, warme Lippen auf meine. Ich starrte mit weit aufgerissenen Augen in das Gesicht von Pablo. Seine Lider waren geschlossen. Geradezu genießerisch. Ich spürte seine Zunge, die versuchte, meine Lippen zu teilen.

      What the hell?

      Ich schnappte schockiert nach Luft und hatte innerhalb dieser Zehntelsekunde sofort seine feuchte Zunge in meinem Mund. Mehr aus einem Reflex heraus erwiderte ich den Kuss. Er schmeckte nach Schnaps und Zigaretten. Das war mein erster Gedanke. Mein zweiter war: Verdammt, was geschieht hier eigentlich?

      Ich stieß ihn von mir, ging einen Schritt zurück und schaute ihn streng und wütend an. Er hatte einen schuldbewussten Gesichtsausdruck und ging wieder einen Schritt auf mich zu. Er streckte seine Hände nach meinen aus.

      »Nora, ich ...«

      Nein! Es reichte nun wirklich.

      Ich ging wortlos an ihm vorbei und verließ die Party. Es war genug. Ich war betrunken, ich hatte geweint, ich war geküsst worden ... Die Party war vorbei. Eigentlich war sie in dem Moment zu Ende gewesen, als Jan geschrieben hatte, dass er sich verspäten würde.

      Er war gar nicht erst erschienen.

      Schluchzend und mit einem gnadenlosen Schluckauf lief ich die Straße entlang. Ich hatte meine Jacke vergessen, mir war kalt und ich zitterte am ganzen Leib. Trotzdem wollte ich laufen. Ein Taxi war keine Alternative. Ich wollte laufen. Ich wollte rennen. Rennen und schreien und etwas kaputtschlagen. Was auch immer.

      Ich lief kopflos irgendwelche Straßen entlang, kam vor Erschöpfung ins Straucheln, stolperte, knallte mit der Schulter gegen eine Hauswand und fiel der Länge nach hin. Ich weinte noch immer und ich hatte mir die Knie aufgeschürft. Alles tat so schrecklich weh. Aber nichts übertraf den Schmerz in mir drin. Die eiskalte Hand, die sich um mein Herz krallte und dafür sorgte, dass mir immer mehr die Luft wegblieb. Ich drohte zu hyperventilieren. Panik stieg in mir auf.

      »Aaaaaaaaaaaahhh!« Ich brüllte mir die Anspannung von der Seele und spürte doch keine Erleichterung. Mein Herz steckte noch immer in einem Schraubstock.

      Dann ein Vibrieren an meinem Bein. Ich schrak zusammen und griff mit hektischen Fingern nach meinem Handy.

      Jan!

      Jan rief an.

      Warum rief er an?

      Wo war er?

      Sollte ich dran gehen?

      Ich atmete zitternd ein und drückte den Knopf mit dem grünen Hörer.

      »Ja?« Meine Stimme hörte sich sicherer an, als ich mich fühlte. Ich saß auf dem kalten, feuchten Boden und zitterte am ganzen Leib.

      »Nora? Nora, wo bist du?«

      Ich schaute mich um. Wo war ich? Keine Ahnung.

      »Auf dem Heimweg.«

      »Oh


Скачать книгу