Geballte Ladung Liebe - Katharina Wolf Sammelband. Katharina Wolf
warte!« Mit einem drohenden Knurren stürzte er sich auf mich und kitzelte mich so lange durch, bis ich um Gnade winselte.
Abiparty
»Party!« Pablo schrie mir ins Ohr und zog mich hastig hinter die Theke. »Du siehst scharf aus, so verkaufen wir bestimmt eine Menge Cocktails. Shake it, Baby!«
Ich zog die Augenbrauen hoch und winkte ab. Pablo musste schon einiges getrunken haben. Ich sah aus wie immer. Jeans und Top. Wenn ich mir meine Klassenkameradinnen so anschaute, konnte ich kein bisschen dagegen anstinken. Moni aus meinem Biokurs hatte eigentlich, na ja, nichts an. Sie trug irgendwie einen Gürtel um den Hintern und noch einen weiteren quer über die Brüste. Mehr war es wirklich nicht. Aber verdammt, sie konnte es tragen.
Ich schaute mich hinter der Theke um und wurde sofort von zwei Mädels angeschrien, die sich bemühten, mir ihre Bestellung trotz der lauten Musik verständlich mitzuteilen.
»Zwei Tequila Sunrise!«, brüllten die beiden synchron.
Ich nickte und schaute auf den Zettel, der vor mir auf der Theke angebracht war. Eine sehr ausführliche Anleitung.
Tequila Sunrise: 6 cl Tequila, 10cl Orangensaft, 1 cl Zitronensaft und 2 cl Grenadine. 4 Euro. Daneben war ein Bild von einem fruchtig und lecker aussehenden Cocktail zu sehen. So konnte wirklich jedes Kindergartenkind Cocktails mischen. Auch wenn es das natürlich nicht sollte.
Ich machte mich an die Arbeit und war begeistert von dem Ergebnis. Ich stellte die beiden Getränke auf den Tresen, nahm 8 Euro entgegen und legte die Münzen in die Kasse. Das lief ja wie geschmiert.
Drei Stunden lang mixte ich Cocktails wie ein Weltmeister und hatte wirklich Spaß dabei. Unentdeckte Talente zeigten sich hier. Vielleicht sollte ich doch über eine Karriere in der Gastronomie nachdenken? Eventuell wäre das ja eine Möglichkeit, sich etwas dazu zu verdienen. Wenn ich mich nun nach meinem Abschluss für ein Studium entscheiden würde, müsste ich mir eh über einen kleinen Nebenjob Gedanken machen.
Immer, wenn wir zwischendurch hinter der Theke mal Zeit hatten, tranken wir auch selbst etwas. Jeden Cocktail, den wir anboten, hatte ich bereits probiert. Man musste ja wissen, was man so verkaufte.
Pablo kam mit zwei hohen Gläsern in meine Richtung getorkelt. Anhand der blauen Farbe erkannte ich zwei Swimming Pool. Die hatte ich heute bestimmt schon mindestens 20 Mal gemixt. Er reichte mir eines der Gläser und wir nahmen beide einen großen Schluck mit Hilfe unserer pinken Strohhalme. Er verzog danach angewidert das Gesicht.
»Bäh, ist der süß!«
»Das hättest du dir aber bei den Zutaten schon denken können«, lachte ich. Immerhin bestand ein Swimming Pool zu einem großen Teil aus Kokossirup und Sahne. Mir schmeckte er dafür sehr. Aber wahrscheinlich war nach fünf Cocktails eh alles egal. Ich hatte einen ordentlichen Schwips und war mehr als froh darüber, nun endlich abgelöst zu wurde. Zum Glück war meine Schicht zu Ende. Ich war so langsam nicht mehr in der Verfassung, die Cocktailliste zu lesen und Wechselgeld korrekt herauszugeben.
Pablo und ich verließen mit unseren blauen Cocktails den Arbeitsbereich - wir standen den anderen ja eh nur im Weg - und mischten uns stattdessen unters Volk. Seit wann lief mir Pablo eigentlich ständig hinterher? In den letzten Wochen häufte es sich. Aber ich empfand es nicht als unangenehm. Zwar war er manchmal etwas aufdringlich und seine Boxerei regte mich ziemlich auf, aber er war nett und lustig. Ich hatte nicht viele Freunde und wusste ihn daher sehr zu schätzen. Wir lästerten über einige Leute, die sich auf der Tanzfläche seltsam bewegten. Im Grunde war er es, der lästerte, mir immer wieder auf die Schulter tippte oder dagegen boxte , um danach, wenn er sich meiner Aufmerksamkeit sicher war, auf irgendwelche zappelnden Menschen zu zeigen. Zum Glück war heute auch einer dieser Partyfotografen anwesend. Die peinlichsten Auftritte wurden von ihm garantiert glorreich festgehalten. Da würden sich morgen einige beim Betrachten der Bilder bestimmt in Grund und Boden schämen. Aber die meisten meiner Klassenkameraden waren auch wirklich zum Brüllen. Sturzbetrunken und ohne jegliches Schamgefühl verrenkten sie sich auf der Tanzfläche - egal ob zu Techno, Rock oder Helene Fischer. Ich lachte viel, war mit meinen Gedanken aber nicht zu 100 Prozent auf der Party oder bei meinem Gesprächspartner.
Wo blieb Jan?
Ich kramte in einer Hosentasche nach meinem Handy und erkannte zwei Anrufe in Abwesenheit und eine SMS von Jan.
»Wird später.«
Mehr nicht. Mein genervtes Schnauben konnte ich nicht unterdrücken. Ich tippte ein paar Mal auf meinem Handy rum und sah, dass auch die Anrufe von Jan stammten.
»Ich warte auf dich«, antwortete ich und steckte dann, nicht ohne mit den Augen zu rollen, mein Smartphone wieder in die Hosentasche.
Als ich aufblickte, erkannte ich, dass mich Pablo aufmerksam beobachtete. Von seiner ausgelassenen Art war nichts mehr zu spüren. Auch seine Belustigung war komplett verflogen. Er machte sich eindeutig Sorgen. Um mich etwa?
»Alles okay?«, fragte er mit für ihn untypischer leiser Stimme.
»Ja, warum?«
»Du siehst traurig aus.«
»Ach was.« Ich winkte ab und zwang mir ein Lächeln auf. Pablo zog die rechte Augenbraue hoch. »Nee, echt jetzt. Alles dufte. Komm, lass uns noch Getränke holen!«
Pablo besorgte uns zwei Mai Tai. Die waren erstaunlich lecker, auch wenn meine Zunge mittlerweile etwas pelzig war und ich nicht immer zielgenau mit Strohhalm und Mund agieren konnte. Wenn ich nicht aufpasste, würde ich mir damit noch ein Auge ausstechen. Wir gingen zu einer Sofaecke hinüber, auf der einige unserer Klassenkameraden bereits saßen. Sie machten bereitwillig Platz für uns und wir quetschten uns dazwischen. Schon stand der Partyfotograf mit gezücktem Objektiv vor uns und bat darum, noch etwas zusammen zu rutschen. Pablo schnappte sich sein Cocktailglas und hielt es sich vors Gesicht. Knips, ein Blitz und schon war der Fotograf wieder verschwunden.
»Was sollte das denn eben?«
»Ich lass mich nicht so gerne fotografieren.«
»Warum das denn? Stehst doch sonst so gerne im Mittelpunkt«, neckte ich ihn und kicherte.
»Ich bin nicht besonders fotogen. Und so besoffen, wie ich jetzt bin, hab ich bestimmt keine Kontrolle mehr über meine Gesichtsmuskeln.« Er schnitt eine hässliche Grimasse und lachte daraufhin laut los. Auch ich musste grinsen. Das war schon eher der Pablo, den ich kannte. Der war nämlich in keiner Weise zurückhaltend.
Plötzlich erschien ein Glimmstängel vor meiner Nase, den mir der Typ rechts von mir rüberreichte. Ihn kannte ich nur flüchtig aus ein oder zwei Grundkursen. Das Teil, das er zwischen Daumen und Zeigefinger hielt, betrachtete ich skeptisch. Ein Joint. Ich machte große Augen. Drogen? Ich verstand, dass wir alle Grund zum Feiern hatten. Aber Drogen? Ernsthaft? Ich griff nach dem rauchenden Ding und reichte es, ohne ihm große Aufmerksamkeit zu schenken, nach links weiter. Pablo nahm ihn entgegen und zog gierig daran. Ich begnügte mich mit meinem Cocktail und das reichte mir auch vollkommen. Ich war betrunken und mir war schwindelig.
»Ich sollte mir vielleicht mal eine Cola oder so holen«, sagte ich mehr zu mir selbst.
»Ich besorge dir was.« Schon sprang er auf und war weg.
Ich schaute ihm nach und ließ den Blick dann weiterwandern. Über meine Klassenkameraden hinweg auf die Tanzfläche. Ich sah viele unterschiedliche tanzende und zuckende Gestalten. Einige Mädels, die ich nur vom Sehen kannte, versuchten sich gerade mehr schlecht als recht am Macarena-Tanz. Natürlich begleitet von einem wahren Blitzlichtgewitter dieses aufdringlichen Fotografen. Zwei Jungs in roten Lederjacken liefen im Partnerlook an mir vorbei und hinterließen eine penetrante Parfümwolke. In einer Ecke knutschte ein Pärchen auf obszöne Art und Weise und ließen uns an ihrer Zungenakrobatik teilhaben.
Wo blieb bloß Jan?
Wieder schaute ich auf mein Handy. Nichts. Ich seufzte und fuhr mir mit meinen Händen durch die Haare. Was war nur mit uns los? Das konnte so nicht weitergehen. Ich wollte doch einfach nur mit ihm zusammen sein,