Der Malik. Bernhard Kreutner

Der Malik - Bernhard Kreutner


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wir uns fragen, ob der Zusammenhang subjektiv oder objektiv, argumentativ oder logisch, kontingent oder situativ, paradox oder responsiv, kausal oder argumentativ ist. Sollten wir auf diesen Wegen nicht fündig werden, bleiben immer noch die Möglichkeiten eines tragischen oder enigmatischen Zusammenhangs.«

      Während Anton ihn nur mit großen Augen ansah, begann Sabine lauthals zu lachen. »Gratulation, Herr Professor! Nur hast du Anton vollends verwirrt.«

      »Allerdings! Was ich verstanden habe, ist: Nicht die Flinte ins Korn werfen und weitersuchen, richtig?«

      Michael war, die Hände in den Hosentaschen, vor der großen Fensterfront Richtung Innenhof stehen geblieben und sah noch ein paar Sekunden hinunter auf den Parkplatz, bevor er sich umdrehte und antwortete: »Absolut richtig, Anton! Im Moment ist der Zusammenhang noch enigmatisch. Dementsprechend ist es unsere Aufgabe, dieses Rätsel zu lösen.«

      »Dann würde ich vorschlagen, wir teilen uns die Zusammenhänge auf und beginnen mit den finanziellen, einverstanden?«, meldete sich Sabine zu Wort.

      Auf dieser konkreten Ebene fühlte sich Anton sichtlich wohler. »Gut, ich kann das Grundbuch übernehmen, da kenne ich mich aus. Wie sieht es mit dem zentralen Kontoregister aus?«

      »Wir können dort ohne richterlichen Beschluss nicht direkt tätig werden, aber die Finanz kann. Ich rede mit Thomas. Als Sektionschef hat er alle Möglichkeiten, und es ist sein Mitarbeiter, der in Malta verschwunden ist. Dann bleibt für dich das Firmenbuch, Sabine.«

      Damit machten sich die drei an die mühsame Arbeit, die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen zu suchen.

       Dienstag, 17.00 Uhr, siebter Bezirk, Neubau, Wien

      An der Ampel Ecke Siebenstern- und Kirchengasse blieb er stehen, schlug den Kragen ob des kalten Märzwindes hoch und warf einen Blick in das Café 7*Stern. An den Tischen unzählige Studenten mit unausgegorenen Gedanken. In seinen Augen dumme Herdentiere. Weltverbesserer, aber nützlich.

      In ein paar Tagen sollte er dort auf Einladung des Bezirksvorstehers einen Gastauftritt als erfolgreich integrierter Österreicher mit nordafrikanischen Wurzeln haben. Ihn schauderte bei diesem Gedanken, gleichzeitig ermahnte er sich zu mehr Selbstdisziplin. Ein derartiges Bad in der Menge gehörte dazu, sosehr es ihm auch widerstrebte, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen.

      Ja, er hatte sich integriert, aber auf seine Art und Weise und nach den Regeln seines Vaters, nach den ewig gültigen Regeln des Blutes.

      Vor dreiundfünfzig Jahren war er nach Österreich gekommen. Ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, aber mit dem unbändigen Willen, sich einen Platz an der Sonne zu erkämpfen. Sein Vater war während des Tindouf-Krieges 1963 ermordet worden, und bis er seine Schwestern verheiratet hatte, war er als Oberhaupt der Familie in Tindouf, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Südwesten des Landes, geblieben. Aber keinen Tag länger.

      Sein Vater hatte ihm, dem einzigen Sohn, von Kindesbeinen an wieder und wieder erklärt: In dir schlägt das Herz eines Löwen, geh in die Welt hinaus und sei ein König. Mach deinem Namen Ehre. Gedankenverloren strich er über die Manteltasche, spürte die Brieftasche mit dem vergilbten Foto seines Vaters und drehte sich plötzlich um. Die Ampel hatte von Rot auf Grün gewechselt, und eine junge Mutter mit Kinderwagen hastete mit einem kurzen »Sorry« an ihm vorbei über den Zebrastreifen.

      Nachdenklich setzte er seinen Weg über die Sigmundsgasse sowie die Kellermanngasse fort in die Piaristengasse. Ja, eine Art König war er geworden, aber würden seine Erben sich dieses Reiches, seines Reiches, dereinst auch als würdig und stark genug erweisen?

      Hatte er seinen Söhnen genug beigebracht oder sie zu sehr verweichlicht? War er zu spät Vater geworden und dadurch seinen Söhnen gegenüber altersmilde gewesen? Beide waren auf ihre Art talentiert und wahre Magier in der Welt der Zahlen und Paragrafen. Beide hatten ihre Hände auch mit Blut geweiht, trotzdem kamen ihm immer wieder Zweifel, wenn es um die Härte ihres Charakters ging.

      Bei seinem Haus angekommen, strich er zärtlich über die aus Bongossi-Holz gefertigte Tür und schloss auf. Diese Tür, wie auch die Handläufe im Treppenhaus, hatte er aus diesem extrem harten und schweren afrikanischen Edelholz tischlern lassen. Es erinnerte ihn an seine Herkunft und seinen Weg. Mit aller Härte und Standhaftigkeit von den Wüsten Afrikas in das wohlstandsgesättigte Europa, von ganz unten nach ganz oben.

      Im Vorraum seines Büros wartete bereits sein langjähriger Berater und Anwalt, Josef Freidmann. Wortlos gab er seinen Mantel einem ebenso schweigsamen Assistenten und ging in sein Büro, gefolgt von einem weiteren Assistenten und dem Anwalt.

      Am Schreibtisch rückte er den Sessel zurecht und schlug sein Notizbuch auf, während der Anwalt wie gewohnt auf der Sitzgruppe Platz nahm und der Assistent die Türe leise schloss und vor dem Schreibtisch stehen blieb.

      »Rami, hast du dich um das beschmierte Garagentor gekümmert?«

      »Ja, Abu. Das Tor wird morgen neu gestrichen.«

      »Und die Schmierfinken?«

      »Es war nur einer. Anhand seiner Signatur haben wir ihn schnell gefunden. Ein Junge aus dem neunzehnten Bezirk, Kaasgrabengasse. Er wird es mit Sicherheit nie wieder tun.«

      Nachdenklich nickte der Abu mit dem Kopf: »Verwahrlostes Gesindel. Wahrscheinlich ist der Junge ohne die strenge Hand eines Vaters und mit zu viel Geld aufgewachsen.« Und an Rami gewandt: »Du hast ihn zur Rechenschaft gezogen?«

      »Ja, Tarek hat ihm die rechte Hand gebrochen.«

      »Gut. Belassen wir es dabei. Was machen die Affen?«

      »Wir kennen inzwischen einen ihrer wichtigsten Lieferanten. Sie beziehen die Ware über den Balkan, großteils aus Pakistan. Ein Zwischenlager befindet sich bei Timisoara in Rumänien. Dort wird die Ware aufgeteilt und der Weitertransport nach Österreich und Bayern organisiert.«

      Der Abu lehnte sich zurück und kniff die Augen zusammen. »Wie sicher ist diese Information?«

      »Zwei Tage, einige Zähne und fünf Zehen, sehr sicher. Was wirst du tun, Abu?«

      »Wie groß ist dieses Lager in Rumänien?

      »Laut dem Affen: zwei bis drei Tonnen.«

      »Wer kontrolliert es, die Tschetschenen?«

      »Nein, die Rumänen.«

      Nachdenklich ließ der Abu seine Misbaha, seine Gebetskette, durch die Finger gleiten. Zwei bis drei Tonnen, das entsprach einem Straßenwert von rund zwanzig bis dreißig Millionen. Allerdings konnte er in Rumänien nicht selbst tätig werden. So weit reichte sein Arm nicht.

      »Wie genau sind die Informationen?«

      Der Assistent blätterte kurz in seinen Unterlagen. »Sehr genau. Es ist ein Industriepark an der Calea Sagului. Unzählige Lkws. Eigentlich ein idealer Ort. Wir haben die Adresse und eine genaue Beschreibung, alles, was wir brauchen.«

      »Gut. Ich werde darüber nachdenken. Zurück zu den Affen. Wissen wir, wo die Oberaffen wohnen?«

      »Ja, Abu. Es sind nur vier entscheidend, und wir wissen, wo sie schlafen.«

      Zufrieden nickend erwiderte der Malik: »Behalte sie im Auge. Wir werden ihnen zu gegebener Zeit eine Botschaft schicken.«

      »Was sollen wir mit dem Singvogel machen?«

      »Ist das auch so einer mit diesen kindischen Sportschuhen und weiten Hosen?«

      »Ja, Abu. Das ist ihr Markenzeichen.«

      »Gut, dann nimm seine Schuhe, sein Gewand und seine Finger, die brauchen wir noch. Den Rest schickst du nach Simmering. Gut gemacht, du kannst gehen.«

      Der Assistent verabschiedete sich mit einer leichten Verbeugung und schloss leise die schwere Türe hinter sich.

      »Nun zu uns, Herr Freidmann. Gabriel meint, Malta ist erledigt. Hat er recht?«

      Der Anwalt, ein distinguierter,


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