Der Malik. Bernhard Kreutner
du sonst noch einen Tipp? Wir sind gleich da.«
»Ja, nimm auf keinen Fall einen der nummerierten Parkplätze. Die Kollegen hier sind diesbezüglich sehr empfindlich.«
Nachdem sie den Wagen auf einem der Gäste-Parkplätze abgestellt hatten, gingen die beiden zum Empfang und ließen sich bei Major Tschiller anmelden. Wie erwartet, ließ der Herr Major sie zuerst warten und schickte dann einen jungen Assistenten.
»Herr Lenhart, ich bin Revierinspektor Klaus Brandtner. Sehr erfreut, Sie kennenzulernen. Ihr Ruf eilt Ihnen voraus. Der Herr Major, Magister Tschiller, hat mir den Auftrag gegeben, mich um Sie zu kümmern. Er ist sehr beschäftigt und kann Sie daher im Augenblick nicht empfangen, so leid es ihm tut. Was kann ich für Sie tun?«
Zur Verblüffung von Revierinspektor Brandtner blieb Michael Lenhart freundlich lächelnd stehen und schwieg. Nach einigen Sekunden des Schweigens fragte der junge Revierinspektor leicht verunsichert: »Herr Lenhart? Ist etwas?«
Weiterhin lächelnd erwiderte dieser: »Aber nein, wo denken Sie hin, Herr Revierinspektor! Ich wollte Ihnen nur, wie es die Höflichkeit gebietet, die Gelegenheit geben, sich auch bei meinem Kollegen vorzustellen, Gruppeninspektor Steinbach«, und mit diesen Worten trat er demonstrativ einen Schritt zur Seite.
Revierinspektor Brandtner reagierte aalglatt und begrüßte auch Anton Steinbach mit falscher Herzlichkeit, wurde beim Händeschütteln allerdings zunehmend rot, während Anton Steinbach bis über beide Ohren grinste.
Michael Lenhart wechselte die Aktenmappe von der linken in die rechte Hand und sah sich demonstrativ um. »Sehr schön, nun, da wir uns alle vorgestellt haben, sollten wir uns auf den Weg machen. Wenn ich mich recht erinnere, geht’s hier entlang.«
Lenhardt ging los, und Revierinspektor Brandtner eilte ihm nach und erwiderte mit einem Anflug von Panik in der Stimme: »Aber ich bitte Sie, Herr Lenhart! Der Herr Major ist, wie gesagt, verhindert. Wenn Sie mir bitte in das Besprechungszimmer folgen wollen. Ich habe den ausdrücklichen Auftrag, mir Ihre Bitte anzuhören und Sie nach Kräften zu unterstützen.«
Michael Lenhart blieb stehen, sah sich um und dann dem verunsicherten Brandtner direkt in die Augen. »Mein lieber Herr Revierinspektor, Sie haben wirklich Ihr Bestes gegeben, aber wir gehen jetzt diesen Gang hinunter, und wenn wir beim Büro von Major Tschiller angekommen sind, werden Sie artig anklopfen, die Türe öffnen und uns persönlich beim Herrn Major vorstellen. Haben Sie mich verstanden?«
Revierinspektor Brandtner ließ die Schultern hängen und gab sich geschlagen. Beim Büro von Major Tschiller angekommen, klopfte er leise, öffnete die Tür und ließ die beiden eintreten. »Es tut mir leid, Herr Major. Er hat darauf bestanden, mit Ihnen persönlich zu sprechen. Ich konnte nichts tun.«
Major Tschiller blickte nur kurz von seinem Computer auf und tippte weiter. »Das hatte ich befürchtet«, sagte er leise, und an seinen Assistenten gewandt: »Du kannst gehen.«
Nachdem Revierinspektor Brandtner die Tür leise hinter sich geschlossen hatte, klappte Major Tschiller den Laptop zu, stand auf, richtete seinen Hosenbund und sah die Besucher feindselig an. »Was wollen Sie, Lenhart?«
»Es geht um das Verschwinden von Walter Denk auf Malta.«
»Verstehe, der Fritsch hat Ihnen also einen neuen Fall gegeben. Ich hatte zwar gehofft, dass sich unsere Wege nie mehr kreuzen, aber diese Bitte ist anscheinend nicht erhört worden. Wie auch immer, zum Denk kann ich nichts sagen. Wir haben keinerlei Informationen. Da müssen Sie sich zur Finanzpolizei bemühen.«
»Sie arbeiten doch eng mit denen zusammen. Gibt es von Ihrer Seite keinerlei Hinweise oder Verdachtsmomente?«
Weiterhin frostig antwortete Major Tschiller: »Ist das Ignoranz, oder macht es Ihnen einfach Spaß, anderen auf die Nerven zu gehen? Wenn ich sage, wir haben keinerlei Hinweise, dann ist das auch so. Als wir die Meldung bekamen, sind wir alles durchgegangen, genau und streng nach Vorschrift. Von unserer Seite gibt es nichts. Das steht auch alles im Bericht. Sie hätten sich den Weg und mir ein Wiedersehen mit Ihnen sparen können.«
Michael Lenhart blieb gewohnt höflich. »Trotzdem vielen Dank, Herr Major. Wir werden uns selbstverständlich auch bei den Kollegen im Finanzministerium umhören. Sollten sich neue Verdachtsmomente oder Fragen ergeben, werden wir uns im Bedarfsfall wieder vertrauensvoll an Sie wenden. Am besten per E-Mail, nehme ich an?«
Major Tschiller setzte sich und klappte seinen Laptop wieder auf. »Wenn es sein muss. Jede Arbeit hat eben ihre Schattenseiten. Die Tür ist dort.«
Zurück im Auto, sah Anton seinen Partner verdutzt an. »Du hast mit diesem Empfang gerechnet, Michael, stimmt’s?«
»Ja, und ich bin sehr zufrieden, ein voller Erfolg.«
»Inwiefern war das ein Erfolg? Ganz abgesehen von der frostigen Atmosphäre?«
»Erstens hast du dich ausgezeichnet geschlagen und nicht provozieren lassen, von der fast zerquetschten Hand des Assistenten einmal abgesehen, aber das war der Situation angemessen und nicht wirklich aggressiv. Höchstens ein wenig kindisch.«
Lachend unterbrach ihn Anton: »Ja, der hat nicht gewusst, ob er schreien oder betteln soll. Aber ich wollte diesen Schleimer nicht so einfach davonkommen lassen. Also habe ich bei der Begrüßung seine Hand bei den Fingergrundgelenken genommen und ordentlich zugedrückt. Aber ich habe dich unterbrochen, sorry. Nach erstens kommt bekanntlich zweitens.«
»Zweitens war das eine Lehrstunde in der hohen Schule der verbeamteten Unfreundlichkeit. Es hat so gut wie nichts gefehlt.«
»Unnötiges Warten und das versuchte Abwimmeln durch einen subalternen Mitarbeiter?«
»Gut erkannt, was noch?«
»Er hat uns nicht eingeladen, Platz zu nehmen, der feine Herr Major.«
»Richtig, aber das war noch nicht alles.«
»Das Weglassen der Titel. Der Knilch hat dich immer nur mit Nachnamen angesprochen, während er seinen Vorgesetzten stets Magister und Major nannte.«
»Richtig. Damit waren von Anfang an alle Fronten geklärt und die Niederlage von Herrn Major Tschiller fast perfekt.«
»Sorry, aber das verstehe ich jetzt nicht.«
»Aus ihrem Bericht wussten wir, dass sie keine Kenntnisse im Zusammenhang mit dem Verschwinden des Herrn Denk auf Malta haben, trotzdem sind wir hierhergefahren, haben uns weder abweisen noch provozieren lassen und klargemacht, dass wir den Fall verfolgen und einer Konfrontation nicht aus dem Weg gehen.«
Anton Steinbachs Miene hellte sich auf: »Daher auch dein Hinweis auf die E-Mails! Die Botschaft dahinter: Entweder du antwortest auf meine Mails, oder ich stehe immer wieder genau hier in deinem Büro als dein persönlicher Albtraum, sehr schlau! Aber sag, warum kann dich der Tschiller nicht ausstehen?«
»Eine alte Geschichte. Er war damals noch nicht Abteilungs-, sondern erst Büroleiter, ermittelte in einer Fälschungssache und legte den Fall schließlich zu den Akten, aus Mangel an Beweisen. Gleichzeitig bin ich bei meinen Ermittlungen, unabhängig von ihm, auf diesen Fall gestoßen und habe ihn, sagen wir, mitgenommen und zum Abschuss gebracht. Weder er noch seine Mitarbeiter hatten die Unterlagen richtig interpretiert und die Zusammenhänge erkannt. Die Sache machte die Runde und war ihm unglaublich peinlich.«
»Kann ich mir vorstellen. Wir sind gleich bei der Hinteren Zollamtsstraße. Wird uns hier ein ähnliches Theater erwarten?«
»Nein, die dortigen Kollegen habe ich immer als sachorientiert und fair erlebt.«
»An wen wenden wir uns hier?«
»Sektionsleiter Thomas Berger, er ist der Vorgesetzte von Walter Denk, ein alter Bekannter.«
»Na, dann bin ich mal gespannt, wie die Begrüßung ausfallen wird.«
Anders als bei der Abteilung Wirtschaftskriminalität wurden die beiden im Finanzministerium freundlich begrüßt, und der Sektionsleiter kam ihnen auf dem Gang entgegen. »Servus Michael, schön, dich zu sehen.«