Nell Gwyn. Charles Beauclerk

Nell Gwyn - Charles Beauclerk


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der Zeit des Interregnums auf, doch erst mit der Rückkehr des Königs erlebte seine Karriere ihren eigentlichen Aufschwung. Er war bekannt für seine überzeugende Verkörperung von Ehrenmännern, unter anderem von Shakespeares Helden Brutus, Henry Percy »Hotspur« und Othello. Seine Darstellung von Königen war so echt, hieß es, dass ein richtiger König es nicht besser vermocht hätte, und als er Alexander den Großen in Nathaniel Lees gleichnamigen Stück spielte, veranlasste das einen Höfling zu dem begeisterten Ausruf, kein Fürst in Europa sollte sich schämen, sich an ihm ein Beispiel zu nehmen. Er war auch für seine ungeheure Konzentration auf der Bühne bekannt, denn er ließ sich durch absolut nichts von der Emotion des Augenblicks ablenken. Hatte er sich erst einmal in einen Charakter hineinversetzt, verkörperte er ihn mit all seiner seelischen Kraft. In einem Artikel aus einer der ersten Ausgaben des Tatler (gegründet 1709), der irrtümlicherweise Sir Richard Steele persönlich zugeschrieben wurde, hieß es: »Meine alten Freunde Hart und Mohun brachten es fertig, der eine durch die ihm eigene natürliche Kraft, der andere durch seine großartige Begabung und Kunst, mich stets mit dem Kopf voller Ideen nach Hause gehen zu lassen, welche mein Verhalten beeinflussten und auf unmerkliche Weise bewirkten, dass mein Betragen gegenüber Freunden und Bekannten höflicher und menschlicher wurde.« In Komödien glänzte er aber ebenfalls, und zusammen mit Nell Gwyn kreierte er den Typus des verrückten Paares, bei dem er den geistreichen und zynischen Liebhaber gab, dem seine stürmische, unabhängige Geliebte gegenüberstand.

      Hart sah gut aus, war ein Ehrenmann und ganz seiner Kunst verschrieben, und somit würdig, Nells Charles I. zu werden, wie sie ihn später nannte. Und da es die Zeit der Restauration war, ließ es sich nicht vermeiden, dass sie ihre Liebesbeziehung auch auf der Bühne, für alle sichtbar, ausagierten. Es gab im damaligen Theater bestimmt niemanden, der besser in der Lage gewesen wäre, Nells Talent zu fördern und ihr auf dem Weg in die Adelskreise behilflich zu sein, als Charles Hart. Auch finanzielle Sicherheit vermochte er ihr zu bieten. Als einer der größten Schauspieler seiner Zeit und Anteilseigner am King’s Theatre verdiente Hart mindestens 150£ im Jahr und war in der Lage, sich ein Haus auf dem Land zu leisten.

      Ob es sich bei ihrer Liebe um wahre Liebe handelte, sei dahingestellt. In Drydens Stück An Evening’s Love, or The Mock Astrologer fragt Wildblood (gespielt von Hart) Jacintha (gespielt von Nell), was sich ein Gentleman von ihr erhoffen dürfe, und sie antwortet:

      »Er darf mir die Zeit vertreiben, bis sich ein Besserer einstellt; er darf die erste Stufe sein auf meiner Leiter nach oben, denn nach ihm kommt ein Ritter, nach dem ein Lord und dann ein Herzog, bis ich schließlich auf der allerhöchsten Sprosse angelangt bin.«

      Ihr Aufstieg hatte begonnen.

      Kapitel 6

      Sterne in ihren Augen

      Im Schauspiel hat man sie dann graduiert,

      wie’s an der Universität passiert.

      Dort wird erst Doktor, wer Magister war,

      hier steht vor Bühnenglanz das Hurenjahr.

      »A Satyr« (1677)

      Nell kann nicht länger als ein Jahr als Orangenmaid gearbeitet haben, denn bereits im November 1664 war sie für die Rolle in Tom Killigrews verwickeltem Zweiteiler Thomaso, or The Wanderer vorgesehen, einem Stück, das später von Nells Freundin Aphra Behn zu einer spritzigen Komödie umgeschrieben wurde. In der Liste der Schauspieler und ihrer Rollen hatte Killigrew den Namen »Nelly« neben den Part der »Paulina, eine hochkarätige Kurtisane« gesetzt. Letztendlich wurde das Stück aber wohl gar nicht aufgeführt, und das mögliche Bühnendebüt der vierzehnjährigen Nell Gwyn musste verschoben werden.

      Doch bereits im April des folgenden Jahres war der Name Nell, zumindest bei den Theaterbesuchern, ein Begriff. Pepys hatte sich Lord Orrerys Stück Mustapha im Duke’s House angesehen, doch es hatte ihn nicht sonderlich begeistert. Aber zum Glück gab es noch andere Dinge, die ihn für die Enttäuschung entschädigten. »Das ganze Vergnügen des Stückes lag darin«, berichtet er, »dass der König und Lady Castlemaine ebenfalls anwesend waren; außerdem saßen die hübsche und gewitzte Nell vom King’s House sowie die junge Marshall [d.h. Beck] neben uns, was mich höchst erfreute.«

      Nell muss wirklich eine begabte Komödiantin gewesen sein, um so rasch voranzukommen; andernfalls hätte sich Charles Hart vermutlich auch gar nicht mit ihr abgegeben, denn er war ein ausgesprochener Profi und bekannt als sehr anspruchsvoll. Ihr Mutterwitz und die Schlagfertigkeit, die sie sich in ihrem früheren Leben erworben hatte, verschufen ihr einen natürlichen Vorteil, denn in einer Ära, in der nur so wenig Zeit für Proben blieb, war die Kunst des Improvisierens eine wichtige Gabe. Außer der Fähigkeit, aus dem Stegreif zu deklamieren, war noch etwas anderes bemerkenswert an Nell, nämlich ihr Aussehen. Die berühmten Schauspielerinnen von damals werden fast ausnahmslos als schwarzhaarige Schönheiten gepriesen mit glühenden – den Betrachter zum Schmelzen bringenden – dunklen Augen, die man gerne mit reifen Schlehen oder Kohlen verglich. Nell bildete eine Ausnahme, denn ihr Haar war rot und ihre Augen braungrün. Zu einer Zeit, in der so viel Wert auf die äußere Erscheinung und die Persönlichkeit der Schauspielerin gelegt wurde, stach sie mit ihrem Aussehen von den anderen sofort ab.

      Nells Beziehung zu Charles Hart war für sie in zweifacher Hinsicht von Vorteil. Nicht nur genoss sie eine Art von Privatunterricht, für den andere aufstrebende Schauspieler ihr Leben hingegeben hätten, sondern ihr blieben auch all die Schuldenmacherei und die Unannehmlichkeiten erspart, die das Los der meisten ihrer Kollegen bestimmten. (Wenn wir den Memoirs of the Life of Eleanor Gwinn [1752] glauben, dann hat Hart Nell angeboten, seinen Verdienst mit ihr zu teilen, ganz so, als wären sie Mann und Frau.) Sie wurde wahrscheinlich ebenfalls davor bewahrt, sich den üblichen Ausschweifungen hinzugeben. Das Schauspielergewerbe war ein schlecht bezahlter Beruf, der harte Arbeit erforderte, und nur allzu oft setzten die Schauspieler ihren Lohn in Alkohol um. Und da Nell weder lesen noch schreiben konnte, musste Hart ihr die Rollen entweder vorsprechen oder aber ihr das Lesen beibringen.

      Die Spielzeit dauerte von September bis Juni, und in diesen neun Monaten konnten mehr als fünfzig verschiedene Stücke auf dem Spielplan stehen. Die Schauspieler arbeiteten sechs Tage in der Woche, von Montag bis Samstag, und der Sonntag war wahrscheinlich dem Einstudieren neuer Rollen vorbehalten. Die Proben begannen gewöhnlich um zehn Uhr morgens und dauerten, mit einer mittäglichen Unterbrechung, manchmal bis zum Beginn der Aufführung um drei Uhr nachmittags. Nach dem letzten Vorhang wurden die Darsteller und Darstellerinnen von ihren Bewunderern zum Abendessen mit anschließendem Vergnügungsprogramm ausgeführt, und diejenigen, die weniger im Rampenlicht standen, trafen sich abends in einer der nahe gelegenen Schenken und betranken sich. (Das »Rose« in der Russell Street war eine der Lieblingsadressen für Schriftsteller und Schauspieler.) Autoren, Theaterleiter und auch ältere Mimen beschwerten sich häufig darüber, dass Mitglieder der Truppe völlig verkatert zur morgendlichen Probe erschienen. Tauchten sie überhaupt nicht auf, konnte ihnen als Strafe ein Wochenlohn gestrichen werden. Gelegentlich waren auch noch abends nach der Aufführung Proben angesetzt, doch diese dienten eher der Einstudierung von Liedern und Tänzen; sie boten dem Theaterleiter außerdem die Gelegenheit, technische Probleme, etwa mit den Kulissen oder den Bühnenapparaten, zu beheben. An einem hektischen Tag folgte auf die Nachmittagsvorstellung auch schon noch einmal eine Aufführung in Whitehall.

      Ebenso wichtig wie die gemeinsamen Proben in der Gruppe, wenn nicht sogar noch wichtiger, war das private Rollenstudium, bei dem der Schauspieler allein oder mithilfe eines Lehrers an der Ausgestaltung seines Parts arbeitete. Richtige Ensembleproben, so wie wir sie heutzutage kennen, gab es, abgesehen von der anfängliche Vorstellung des Stückes durch den Autor und der letzten bzw. der Kostümprobe, eigentlich nur wenige. Das Hauptgewicht lag auf den einzelnen Rollen, das Stück als Ganzes war nicht so wichtig. Deshalb wurden die Darsteller und Darstellerinnen auch sehr rasch mit bestimmten Rollen identifiziert, und das Publikum forderte von ihnen, diese Rollen in allen Nuancen auszuspielen, unabhängig davon, ob eine solche Art der Darstellung zum Charakter des Stückes passte oder nicht. Diese Haltung machte die Hauptdarsteller sehr schnell zu Stars, und von denen erwartete man dann, dass sie sich auf der Bühne auch als solche gebärdeten und dem Ruf, in dem sie standen, gerecht wurden. Mrs Pepys, die ihren Hund nach dem berühmten


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