Worte verletzen ... und Schweigen tötet. Karin Waldl

Worte verletzen ... und Schweigen tötet - Karin Waldl


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Unfrieden in eine bestehende Familie zu bringen, denn das will ich auf keinen Fall. Aber ich möchte es versuchen, es gab ja damals immer einen Grund, warum mir diese Männer gefielen, bevor ich Jan kennenlernte. Es ist mir klar, dass es eigentlich aussichtslos ist, aber irgendetwas sagt mir, der Vernunft zum Trotz, dass ich es versuchen sollte“, erklärte Nele mit Nachdruck, um endlich gehen zu können, ehe sie der Mut komplett verließ, denn sie war sich selbst nicht sicher, wie schlau ihr Vorhaben tatsächlich war.

      „Dein Wort in Gottes Ohr“, verdrehte Martha die Augen, sie machte sich ernsthaft Sorgen, was auch irgendwie süß war.

      Nele kannte außerdem Marthas Ansicht, die besagte, man wäre ohne Mann besser dran im Leben. Aber was wusste ihre Freundin in der Hinsicht schon? Sie hatte noch nie den Richtigen an ihrer Seite. Sie wusste nicht, wie sich wahrhafte und aufrichtige Liebe anfühlte. Genauso hatte sie es mit Jan erlebt und diese enge Vertrautheit zu einem Menschen vermisste Nele schmerzlich. Sie wusste zwar selbst nur zu gut, dass es eine Utopie war, zweimal im Leben so intensiv zu lieben, denn Jan war für sie nicht ersetzbar. Aber vielleicht war das auch nicht nötig, wenn man einen vertrauenswürdigen und liebevollen Mann als Partner hatte, vielleicht reichte es dann aus, sich zu respektieren, um gut und gewinnbringend gemeinsam durchs Leben zu gehen.

      Nele saß im Auto und klopfte ungeduldig mit den Fingern aufs Lenkrad, während sie fuhr. Der Abschied von ihren Söhnen und Martha lag erst eine Stunde zurück. Der Regen prasselte lautstark auf das Blech des Wagens. Sie stellte die Scheibenwischer auf die höchste Stufe ein. Trotzdem kam sie nur im Schneckentempo voran, weil es wie aus Kübeln goss und das Wasser auf der Straße stehen blieb.

      Sie hatte in letzter Zeit sorgfältig im Internet recherchiert, um die richtigen Adressen herauszufinden von den Männern, die einst ihre Jugendlieben waren. Alle hatten sie ein Merkmal gemeinsam, nämlich das, dass Nele für sie einst geschwärmt hatte. Sie glaubte, dass sie möglicherweise noch heute etwas für einen dieser potenziellen Kandidaten empfinden könnte, zumindest hoffte sie das inständig. Ihr Vorhaben war es, einfach unangemeldet vor der Tür zu stehen, um sich einen vorläufigen Eindruck des Lebensstils und der Lebensumstände der jeweiligen Person machen zu können. So würde sie, wie sie sich einredete, am schnellsten herausfinden, ob derjenige für sie geeignet sein könnte. Sie war sich bewusst, wie vorsichtig sie sein musste, um eine eventuell vorhandene Familie nicht in eine unnötige Streitsituation zu versetzen. Sie wollte auf keinen Fall eine Beziehung zerstören, er musste auf jeden Fall Single sein. Und das galt es, als Erster herauszufinden, um einen schnellen, höflichen Abgang hinlegen zu können, wenn dem nicht so war. Das galt natürlich auch für den Fall, dass sie den Eindruck hatte, dass etwas mit dem Typen nicht stimmte, womit sie im wahrscheinlichsten Fall rechnen musste. Schließlich wurden Macken aus der Jugendzeit bekanntlich nicht besser, dessen war sie sich bewusst.

      Der erste Mann, den sie nun im Begriff war, zu besuchen, war ihre größte Jugendliebe, an ihn hatte sie sofort denken müssen, als sie ihren fast wahnwitzigen Plan ausgeheckt hatte, wieder einen Mann fürs Leben zu finden. Sie waren damals ein ganzes Jahr ein Paar gewesen, er war auch der einzige Junge, mit dem sie vor ihrem Ehemann das Bett geteilt hatte, was am Anfang Probleme in ihrer jungen Ehe bereitet hatte, weil Jan eifersüchtig reagierte auf ihren verflossenen Ex-Freund. Sein Name war Philipp und er wohnte praktischerweise immer noch in dem Haus seiner Eltern, denn dort war Nele früher öfter zu Besuch und durfte auch bei ihm übernachten.

      Mit gemischten Gefühlen fuhr sie nun die Einfahrt hoch und fragte sich, ob es überhaupt möglich war, ihn wieder zu lieben, wenn man überhaupt von Liebe reden konnte, schließlich war sie damals sehr jung und, im Nachhinein betrachtet, eigentlich nur schwärmerisch verliebt. Schnell wischte sie den abhaltenden Gedanken weg und stieg entschlossen aus dem Auto. Sie rannte die paar Meter bis zur Haustür, um nicht klatschnass zu werden, der Regen hatte in der Zwischenzeit kaum nachgelassen. Erleichtert stellte sie fest, dass Philipp eine eigene Türglocke besaß, was dafürsprach, dass er nicht mehr in seinem alten Kinderzimmer hauste. Ein Muttersöhnchen konnte sie echt nicht gebrauchen. Zitternd drückte sie auf die Klingel und wartete nervös trippelnd und händereibend, dass jemand öffnete. Erneut ergriff Nele die Panik, das war doch eindeutig die dümmste Idee ihres Lebens. Sie sollte, so schnell es ging, wieder verschwinden, ehe es zu spät war. Abrupt drehte sie auf der Türschwelle um, um sich aus dem Staub zu machen. Aber genau in diesem Moment öffnete jemand die Haustür und begrüßte sie unwirsch. Es war Philipp – und er war nicht erfreut sie zu sehen.

      Nele rutschte das Herz in die Hose. „Hallo, Philipp, ich bin es, Nele“, stotterte Nele trotzdem zur Begrüßung.

      Auf einmal hellten sich die Gesichtszüge ihres Gegenübers auf und Philipp lächelte. „Entschuldigung, ich habe dich nicht erkannt. Ich dachte, du wärst einer dieser lästigen Vertreter, die von Haus zu Haus gehen und die man schwer wieder unterbricht, wenn sie ihr Verkaufsgespräch einmal gestartet haben“, sagte er freundlich.

      Nele musterte ihn unbewusst. Er trug einen eleganten dunkelblauen Anzug und ein modernes weißes Hemd, er wirkte sehr gepflegt und war attraktiver, als sie ihn in Erinnerung hatte. Irgendwie beschlich Nele das Gefühl, dass er nicht allein sein konnte, so ein Mann war doch niemals im Leben Single. So einer hatte sicher die Auswahl unter den verschiedensten Frauen und war dadurch bestimmt seit Jahren glücklich verheiratet. Weiter kam sie mit ihren Gedanken nicht, denn Philipp bat sie, hereinzukommen, sie zögerte einen kurzen Moment, wollte dann aber nicht unhöflich sein und folgte ihm.

      Er führte Nele in seine geschmackvolle Dachgeschosswohnung, die er sich vor vielen Jahren ausgebaut hatte, wie er ihr ungefragt erzählte. Alles war sehr modern eingerichtet – mit einem schräg erscheinenden Schwerpunkt auf kunstvolle, bizarre Skulpturen. Nele suchte fieberhaft nach einem eindeutigen Hinweis für eine bestehende Beziehung, aber nichts deutete darauf hin, kein Gegenstand war zu erkennen, der einer Frau gehören könnte. „Bist du Single?“, platzte Nele heraus.

      „Ja, ich wohne hier allein“, antwortete Philipp und bat seinem Gast höflich einen Sitzplatz auf der Couch an.

      Während er in der Küche verschwand, um den Kaffee zuzubereiten, den er angeboten hatte, sah sich Nele die Fotos im Raum an. Es waren fast ausschließlich Porträts von Philipp. Nele beschlich leise das ungute Gefühl, dass er sehr selbstverliebt sein könnte. Soweit sie sich erinnerte, war das damals schon ein Problem zwischen ihnen gewesen, weil er zur Selbstdarstellung neigte. Wahrscheinlich sollte sie einfach wieder gehen, vielleicht konnte sie sich noch rausschleichen. Da kam er aber schon mit dampfendem Kaffee und reichte Nele eine Tasse, die sie trotz ihrer Nervosität dankbar annahm.

      „Was machst du hier?“, erkundigte sich Philipp.

      Nele atmete tief durch, sie wollte ehrlich sein: „Mein Ehemann ist vor zwei Jahren gestorben. Es war eine harte Zeit mit meinen beiden Kindern. Ich hatte das Bedürfnis, eine Reise durch meine eigene Vergangenheit zu machen.“

      „Du hast Kinder? Bewundernswert, das wäre nichts für mich“, beteiligte sich Philipp am Gespräch.

      Nele hakte diesen Besuch bereits innerlich als erledigt ab, wenn er keine Kinder mochte, war er eindeutig der Falsche. Ihre Jungen waren das Wichtigste in ihrem Leben und brauchten dringend einen Stiefvater, der für sie da war.

      „Was machst du so?“, fragte Nele trotzdem noch höflich.

      „Ach, ich arbeite als Manager im Entertainmentbereich“, kam betont angeberisch zurück.

      „Und privat?“, legte Nele neugierig noch eines drauf.

      „Ich lebe das Leben, wie es kommt. Das gilt bei mir auch für Frauen, wenn du deshalb da bist“, zwinkerte Philipp ihr zu.

      Nele fühlte sich nun endgültig unbehaglich, aber jetzt wollte sie den Rest auch noch erfahren, wenn sie schon einmal hier war, denn sie würde gewiss nicht wiederkommen. Skeptisch fragte sie: „Wie meinst du das?“

      „Na ja, du bist eine hübsche Frau. Ich hätte Lust auf Sex mit dir. Wenn du möchtest, könnten wir uns ja gemeinsam vergnügen. Ich glaube, ich habe sogar noch etwas Kokain da, das würde die kurzweilige Unterhaltung noch um einiges intensiver machen“, flüsterte Philipp in einem eingeübten verführerischen Ton, wie


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