Hart's Bay: Wo unsere Zukunft beginnt. E. P. Davies
hartnäckig. Colt musterte ihn einen Moment finster, aber das schien ihn nicht zu erschüttern. »Ja. Ich glaube, wir müssen mit einem Anwalt reden, bevor wir weitermachen.«
»Bevor wir es offiziell machen«, sagte Rain, »würde ich dich gern in die Geschichte der Stadt einweihen. Du musst über die Bevölkerung Bescheid wissen, das Verkehrsaufkommen…«
Colt drängte es, voranzukommen. Sie könnten bereits mit Anwälten und Baufirmen sprechen, ihre Vereinbarungen genau jetzt niederschreiben. Eine Geschichtsstunde war das Letzte, was er wollte.
»Nun? Ich bin genau hier«, sagte er.
Rain schüttelte den Kopf. Der Stahl in seinem Blick überraschte Colt. »Nicht gut genug. Geh mit mir durch die Stadt. Ich führe dich herum.« Wieder beugte er sich nach vorn, er faltete die Hände. »Wenn du ein einfaches Geschäft willst, bei dem du he-ranrauschst, einen Ort luxussanierst und wieder verschwindest… Dann ist dies nicht das Geschäft, nach dem du suchst.«
Seine Direktheit nahm Colt den Atem. Doch zeitgleich stieg sein Respekt beträchtlich. Rain gab keinen Zentimeter nach, wenn es um seine Prinzipien ging, selbst wenn Colt sie nicht verstand.
Er nahm sich einen Augenblick Zeit, darüber nachzudenken. Es war nicht unbedingt etwas Neues für ihn. Rain hatte bereits gestern deutlich gemacht, dass es ihm nicht nur ums Geld ging. Das machte es sowohl leichter als auch schwerer, mit ihm zu arbeiten – vertrauenswürdig, aber stur.
Abgesehen von den potenziellen Schwierigkeiten war das die perfekte Kombination. Und sie befeuerte Colts Verlangen, alles über Rain zu erfahren: was er hinter seinen komplizierten kleinen Lächeln und festen Grenzen verbarg.
»Okay«, stimmte Colt zu. »Jetzt gleich?«
»Na ja, ich lasse dich erst deine Cola austrinken.« Rain leerte sein eigenes Getränk und nickte zur Flasche, während er wartete.
»Setz mich in der Zwischenzeit schon mal ins Bild«, sagte Colt, während er von seiner größtenteils vollen Flasche trank.
»In Ordnung.«
Rain lehnte sich zurück und gab sich plötzlich selbstbewusst und wortgewandt. Was er Colt über die Stadt erzählte – dass es sich früher um eine Fischereistadt gehandelt hatte, bis dieser Geschäftszweig zusammengebrochen war –, deckte sich fast mit dem Eintrag von Wikipedia. Als hätte man ihm beigebracht, was er zu sagen hatte, oder als ob sie sich beide derselben Quelle bedient hätten.
Es war auch eigenartig faszinierend. »Woher weißt du das alles? Die meisten Leute geben einen Scheiß darauf, wer die Stadt, in der sie leben, gegründet hat.«
Etwas flackerte in Rains Blick. Eine komplexe Empfindung, die Colt nicht benennen konnte, aber merkwürdigerweise schien Sorge darin mitzuschwingen. »Weil es mich ziemlich betrifft. Bist du jetzt bereit zu gehen?«
»Nun aber.« Colt schnalzte spielerisch mit der Zunge. »Geduld ist eine Tugend.« Colt war nicht sicher, wovon Rain die Unterhaltung fernhalten wollte, aber er wollte es wissen.
»Und Reinlichkeit kommt gleich nach Gottesfurcht, deswegen siehst du mich trotzdem nicht jeden Werktag von neun bis fünf im Sonntagsanzug.«
Oooh, wenn er wollte, dass Colt darüber nachdachte, wie schmutzig er war, würde er sehr bald wieder Probleme in der Hose bekommen. »Das würde ich gern sehen.«
»Du wirst deine Chance bekommen, wie es aussieht. Jetzt beeil dich. Ich glaube, Cher will zumachen.«
Colt sah sich um und stellte fest, dass sie sie durch den Raum finster musterte – nein, insbesondere ihn.
»In Ordnung«, sagte er leise lachend. Er hob den Flaschenhals an die Lippen und trank in tiefen, langsamen Schlucken. Als er fertig war, fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen. Ihm war bewusst, dass Rains Blick auf seinen Mund gerichtet war. »Bereit, wenn du es bist.«
»Nicht jeder bekommt eine Führung«, sagte Rain, schob seinen Stuhl zurück und nahm ihre Flaschen. Er brachte sie auf dem Weg nach draußen am Tresen vorbei, nickte Cher zu und führte Colt anschließend zur Tür.
Colt folgte ihm dicht auf, ein bisschen verwundert von der befremdlichen Erwartungshaltung, dass die Gäste selbst den Tisch abräumten. Kleinstädte waren wirklich eine ganz andere Welt. Er hatte immer im Großraum Portland gelebt.
Nun hatte er eine Wohnung, die nicht ganz in Forest Park lag, egal, was er Rain gegenüber angedeutet hatte. Er hatte dem Bild entsprechen wollen, das Rain von ihm erwartete… und sicherstellen, dass sie weit vom Quaff wegblieben, falls Rain zu Besuch kam. Ein großer Immobilienbonze arbeitete sicher nicht in einer Kaffeebar.
»Puh. Wenigstens hat sich der Nebel gelichtet«, bemerkte Colt, als ihm wieder die Seeluft in die Nase stieg.
»Er wird zurückkommen.« Die Tür schloss sich hinter ihnen und Rain führte ihn über die Straße zu dem viereckigen Grasplatz. »Tut er immer. Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht, abgesehen von ein paar Jahren am College und… anderen Dingen. Ich muss es wissen.«
Was für andere Dinge?, wollte Colt fragen, aber er wusste es besser, als zu drängeln. Es fühlte sich nach einer Prüfung an. Wenn er bestand, kam er vielleicht an den Deal seines Lebens. Und selbst wenn nicht… Nun, dann machte er vielleicht immer noch das Geschäft seines Lebens, aber zu gänzlich anderen Bedingungen.
So oder so kam er Rain und seinen Lebenszielen zeitgleich immer näher. Ungeachtet der letzten zehn Jahre voller Zweifel gewann sein Optimismus. Vielleicht waren diese beiden Angelegenheiten – Verlangen und Stabilität – doch nicht so unvereinbar, wie Colt erst gedacht hatte.
Oder vielleicht war er im Begriff, sich kopfüber auf eine saudumme Idee zu stürzen. Es gab nur eine Möglichkeit, es herauszufinden.
Kapitel Fünf
Rain
Es war mehr als seltsam für Rain, mitten auf dem Platz zu stehen und Colt zu erklären, wer er war. Aber es würde sowieso herauskommen, sobald sie den Vertrag unterzeichneten, und er wollte nicht, dass Colt glaubte, er hielte etwas geheim.
»Also, das ist der Hart Square.«
»Trägt hier alles den Namen Hart? Die Stadt, der Platz, die Gebäude…«
»Nun, ja. Was das angeht.« Rain schlug mit Colt den Weg ein, der zu der Bank und den Blumenbeeten in der Mitte des Platzes führte. Die Pfade waren x-förmig angelegt und trafen sich in der Mitte in einem großen Kreis.
Er setzte sich nicht auf die glänzende neue Bank, da er nicht vorhatte, länger zu bleiben. Aber es gab keinen besseren Ort zum Reden. Jeder konnte sehen, dass sie miteinander sprachen, aber man konnte sie nicht belauschen, ohne dass es auffiel.
»Mein Nachname ist Hart«, erklärte Rain.
»Fuller«, sagte Colt unnötigerweise und streckte ihm die Hand entgegen.
Unwillkürlich griff Rain zu und schüttelte seine Hand. Die Elektrizität, die angesichts dieser Berührung durch seinen Arm schoss, war scharf und fordernd. Beinahe hätte er nach Luft geschnappt, sein Körper kribbelte unter dem festen Griff. Wie würde es sich anfühlen, wenn sich diese kräftigen, starken Finger um andere Teile seines Körpers legten?
Aber Rain konnte den Moment nicht genießen. Als Colt seine Hand nahm, wurde sein Blick aufmerksam. »Warte mal, Hart?«
»Ja.« Rain schob alle Ablenkungen beiseite und ließ Colts Hand nach einem festen Schütteln los. Besser für die Konzentration. Wenn er Colt berührte, knisterte es in seinem Kopf auf eine Weise, die jeden Gedankengang unmöglich machte.
»Wie in… Hart's Bay.« Colt stellte die Zusammenhänge her.
»Der Mann, der die Stadt gegründet hat, war mein Ur-Irgendetwas-Großvater. Bis vor Kurzem haben meinem Großvater die meisten Immobilien gehört. Er zieht sich jetzt aus der Öffentlichkeit zurück und hat sie mir überschrieben.«
Rain verschränkte die Arme, bereit, sich zu verteidigen, falls nötig. Er war