Hart's Bay: Wo unsere Zukunft beginnt. E. P. Davies

Hart's Bay: Wo unsere Zukunft beginnt - E. P. Davies


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beugen musste, um sicherzugehen, dass nicht nur ein zischendes Ausatmen dahintersteckte. »Ja«, sagte er erneut, dieses Mal lauter und fester. Sein Atem strich warm über Colts Wange.

      Sein Tonfall war brüsk und verschlossen. Als ob er dachte, dass Colt ihn aufziehe. Vor einer Minute hatte Colt vielleicht sogar dasselbe gedacht.

      Nun, da er mit einem Verlangen kämpfte, das er nicht verstand, und Rain wie zum ersten Mal sah, umgeben von himmlischem Licht…

      Er hatte keine verdammte Idee mehr, worum es ihm eigentlich ging. Es war ihm schon vor Minuten außer Kontrolle geraten.

      Ohne sich des Ringkampfes in Colts Bauch bewusst zu sein, trat Rain einen halben Schritt zurück. »Ich würde gern herausfinden, ob wir uns einig werden können«, erklärte er geschäftsmäßig.

      Angesichts seines Tonfalls redete er nicht davon, welche Kleidungsstücke sie zuerst ausziehen sollten. Schade.

      Als hätte er bemerkt, dass Colt ein langes Gesicht zog, lächelte Rain leicht und hob kampflustig das Kinn. Colt mochte etwas haben, das Rain wollte – sein Geld oder die Erfahrung bei Erschließungen, die er vorgab zu besitzen –, aber er hatte seine eigenen Druckmittel und er wusste es.

      Nein, befahl Colt sich streng. Das hier ist zu wichtig, um es zu versauen, nur weil du ihn ficken willst. Daher holte er Luft und schaltete einen Gang zurück. »Sprich weiter.« Seine Stimme klang fester, als seine Gedanken es waren.

      »Ich verkaufe nicht für einen Pauschalbetrag. Aber ich könnte mir eine Leasingvereinbarung vorstellen oder dass wir die Gewinne aufteilen… und ich kenne eine örtliche Baufirma, die zu fairen Preisen arbeitet.«

      Colt konnte sein Schnauben nicht ganz unterdrücken. Eine seiner Pflegefamilien hatte über den Sommer renoviert. Es hatte bis Weihnachten gedauert, die Küche zu bekommen, die ihnen innerhalb von zwei Monaten versprochen worden war.

      Außerdem hatte seine Google-Recherche ihn gelehrt, von allen Bauunternehmern weniger zu erwarten, als sie versprachen. An diesem Punkt würde er vermutlich am meisten Geld verlieren.

      Aber wenn Rain Teil des Geschäfts war, war es in seinem Sinne, dass sie nicht zu viel berechneten oder nicht lieferten.

      Colt neigte den Kopf. Rain lächelte. Zweifelsohne konnte er die Zeichen des Interesses richtig deuten.

      »Genau genommen arbeite ich für sie«, fuhr Rain fort. »Also habe ich ein besonderes Interesse daran, sicherzustellen, dass die Arbeit ordentlich erledigt wird.«

      Oh wow. Das hatte Colt nicht erwartet.

      Und sicher, er war in der Absicht hergekommen, anfangs möglichst wenig auszugeben, damit ihm mehr für die Sanierung blieb. Aber wenn Rain die Kosten von vornherein und im Austausch gegen einen Teil des Gewinns senken konnte…

      Colts Gedanken flogen. »Warum bietest du mir dann überhaupt einen Teil des Geschäfts an? Wenn dir das Haus gehört und du für eine solche Firma arbeitest, warum machst du es dann nicht allein?«

      Rain schnaubte. »Keine Chance. So etwas selbst auf die Beine zu stellen, ist eine ganz andere Geschichte. Ich habe darüber nachgedacht, aber ich kann nicht. Keine Zeit, kein Geld, keine Erfahrung.«

      Colt lächelte. Er hatte wenigstens zwei von drei Punkten anzubieten. Den letzten konnte er mit einer Mischung aus Enthusiasmus und Vorsicht ersetzen.

      Sein Herz flatterte, sosehr sein Kopf ihm auch einreden wollte, abzuwarten, bis das Geschäft zustande gekommen war.

      Es fühlte sich richtig an. Rain mochte ein Spiel spielen, aber er log nicht. Er wirkte ernsthaft interessiert und sprach mit einem Anflug von Aufregung, den man nicht vorgeben konnte. Das war besser, als Colt gehofft hatte. Zwangloser Sex war eines, aber sich seine Lebensträume zu erfüllen, etwas anderes.

      Natürlich würde er auch mit beidem vorlieb nehmen. Aber Rain gab sich vernünftig und geschäftsmäßig und Colt bremste seine Enttäuschung, um sich daran zu erinnern, dass die eine verlorene Chance ihm eine so viel größere Gelegenheit eingebracht hatte.

      »Nimm meine Karte«, sagte er schließlich und holte seine Brieftasche hervor, um eine Visitenkarte zu entnehmen.

      Als er sie rüberreichte und ihre Fingerspitzen sich berührten, kam es zu einem elektrischen Schlag – wortwörtlich. Ein Funke wanderte von einem zum anderen.

      »Autsch!«, zischte Rain und sprang zurück. »Die Luft ist hier drinnen so trocken.« Die Situation jedoch brach die Anspannung und sie grinsten beide.

      »Aber das ist gut so«, sagte Colt und wandte sich um, um das Lagerhaus zu verlassen. Er war vorsichtig, als er die Metalltür aufzog, aber die Statik spielte ihm keine Streiche.

      »Warum?«

      »Das Gebäude ist genauso wasserdicht, wie du gesagt hast.«

      Colt drehte sich um, um Rain zu mustern. Er schirmte die Augen gegen das schwache Licht im Freien ab, das immer noch heller als das im Gebäude war. Wenn Rains Wort genauso wasserdicht war wie das Lagerhaus, waren sie möglicherweise im Geschäft.

      Rain schloss ab und spielte mit zwei Fingern mit der Karte, bevor er Colt ansah.

      »Natürlich ist es das.« Wieder trat ein herausforderndes Glitzern in seinen Blick: Stolz.

      Colt grinste und berührte mit zwei Fingern seine Schläfe, um zu salutieren. »Ruf mich an.«

      Das sagte er normalerweise nicht zu Männern, wenn er auf dem Weg zu seinem Wagen war, aber bei Rain?

      Bei Rain sah das nun mal anders aus.

      Kapitel Drei

      Rain

      Besteck klirrte gegen Teller und ab und zu stieß auch ein Glas dagegen. So klang zum größten Teil bisher der Soundtrack des späten Vormittags.

      Das monatliche Familienessen der Harts begann und endete nicht in einem vernünftigen Tempo. Es als ausgedehnt zu bezeichnen, war die bessere Beschreibung. Wie ein Gummiband, das man spannte, bis es sich so spröde und trocken wie ein Stück Schnur anfühlte.

      Die Stimmung war gekünstelt, unbehaglich und einsam, obwohl vier Personen um den Esstisch saßen. Rain war daran gewöhnt, doch dieser Tage stand ihm niemand bei, um ungewollte Kritik abzufangen. Seine Geschwister lebten beide inzwischen weit weg – und er konnte es ihnen nicht verübeln. Also blieben nur er, seine Eltern und sein Großvater.

      Das Unbehagen wurde durch die Tatsache, dass er vor einigen Monaten einen von ihnen erpresst hatte, nicht gerade besser. Selbst zuvor war sein Verhältnis zu seinem Großvater Floyd nicht gerade herzlich gewesen.

      Nun war es schlicht grässlich. Dank des Jahresurlaubs seiner Eltern war dies das erste Sonntagsessen seit dem Feuer. Rain hatte in Erwägung gezogen, nicht zu erscheinen. Aber das hätte nur für neue Spannungen gesorgt. Er schuldete ihnen seine Anwesenheit, so klein und eng verbunden ihre Familie war. Es war leichter herzukommen, Grandpa abzublocken und zu hoffen, dass niemand mit der Wahrheit herausplatzte.

      Soweit Rain wusste, hatten seine Eltern keine Ahnung, was im Sommer geschehen war. Er konnte nicht einschätzen, wie sie reagieren würden; aber er hatte den leisen Verdacht, dass sie sich auf die Seite Grandpas schlagen würden, nicht auf seine.

      Es gab keine Entschuldigung für das, was Grandpa getan hatte. Er hatte versucht, die Kunstgalerie des Neuen in der Stadt – Jesse – niederzubrennen, nur weil Jesse mit Rains Cousin Finn zusammen war.

      Rain brachte Finn widerwilligen, aber stetig zunehmenden Respekt entgegen, nachdem er ein paar Monate unter ihm gearbeitet hatte, und umgekehrt schien dasselbe zu gelten. Rain hatte sich auf die Seite seines Cousins geschlagen und Finn und Jesse gegen seinen Großvater verteidigt.

      Und in einer Familie mit einer tiefen Kluft zwischen diesen und jenen Harts war es einmalig, sich auf die andere Seite zu schlagen.

      Rain setzte sein Wasserglas ab und zuckte zusammen, als es laut gegen seinen Teller stieß. Seine Mutter warf ihm einen strafenden Blick


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