Hart's Bay: Wo unsere Zukunft beginnt. E. P. Davies

Hart's Bay: Wo unsere Zukunft beginnt - E. P. Davies


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sicher nicht zusammen, aber er wollte, dass ihn alle Bekannten für hetero hielten. Gleichzeitig wollte er es mit seiner Reaktion nicht übertreiben und dadurch seine Chance bei Colt verspielen.

      »Nee. Ganz weit daneben.«

      Colt sah überrascht aus. Er schloss seine hübschen Lippen wieder um die Flasche, während er ein paar Schlucke trank. Dann wischte er sich mit dem Handrücken den Mund ab. »Passiert mir nicht oft. Mein Fehler. Meinst du, du könntest mir dann die Lagerhäuser zeigen?«

      Rain seufzte aufgesetzt, während er auf seine halb leere Flasche spähte. »In einer Minute.« Er hielt seinen Tonfall ausdruckslos und gelassen, aber sein Herz schlug ihm bis zum Hals, als wollte es abheben.

      Es war schwer, weder zu begierig noch zu desinteressiert rüberzukommen. Heute Abend brachte er einige Gratwanderungen hinter sich. Eine von ihnen sollte sich besser lohnen.

      »Lass dir Zeit.« Colt klang beinahe höhnisch, als hielte er seine Zeit für sehr viel kostbarer als die jedes anderen. Beinahe so, als würde er Rain einen Gefallen tun statt andersherum.

      Verdammt, Rain kam mit dieser Haltung nicht zurecht. Ein Teil von ihm wollte Colt einfach aus der Stadt jagen. Wenn ihm sonst schon nichts blieb, wäre das wenigstens eine Befriedigung gewesen. Es wäre ein besseres Ventil für seine Frustration, als hier mit dicken Eiern zu sitzen und sich zu wünschen, dass ihn ein Hengst drei Städte weiter in die Matratze vögelte.

      Rain legte den Kopf nach hinten und trank, bis die Flasche leer war, dann schob er sie von sich.

      »Komm«, sagte er und ging zur Tür, ohne sich umzusehen, ob Colt ihm folgte. Er war sich sehr bewusst, dass die wenigen Leute in der Bar sie gemeinsam gehen sahen. Daher fügte er hinzu: »Es sind keine fünf Minuten von hier.«

      »Du hast die Schlüssel bei dir?« Also folgte Colt ihm wirklich. Rain merkte es am Kribbeln seiner Haut und an dem vagen Eindruck, dass jemand seinen Hintern anstarrte.

      »Zu deinem Glück habe ich das.«

      Colts Atem strich heiß über Rains Nacken, als er hinter ihm innehielt, sodass Rain die Tür öffnen konnte. »Heute ist mein Glückstag«, sagte er, aber leise genug, dass nur Rain ihn hören konnte.

      Rains Hände zitterten beinahe unter dem Adrenalinrausch, der ihn bei diesen Worten erfasste. Dennoch würde er sich nicht so leicht ergeben.

      »Wir werden sehen.« Rain öffnete die Tür, ohne sich nach Colt umzusehen, und trat hinaus auf den Hart's Square und das sterbende Licht eines Septemberabends.

      Colts Antwort entfachte einen lächerlich hellen Funken unter seiner Haut und tanzte von seinem Bauch bis hinab zu seinen Zehen. Und definitiv in seinen Schwanz.

      »Das habe ich vor.«

      Kapitel Zwei

      Colt

      Colt Fuller hatte immer geglaubt, der beste Tag seines Lebens sei der gewesen, an dem seine Zeit als Pflegekind zu Ende gegangen war. Doch er hatte falschgelegen. Das war nichts im Vergleich zu heute.

      Endlich… Freiheit. Na ja, so etwas Ähnliches.

      Seine Eltern hatten ihm ein ordentliches Vermögen hinterlassen, aber er musste erst fünfundzwanzig werden, um darauf zugreifen zu können. Und das war er nun. Sieben lange Jahre, in denen er in Buchläden und Kaffeebars gearbeitet, Rasen gemäht und nebenbei andere seltsame Jobs erledigt hatte, waren endlich vorüber.

      Beinahe. Er arbeitete immer noch bei Quaff, einer unabhängigen Kaffeebar in der Innenstadt Portlands, um seine Rechnungen zu bezahlen. Aber die Schichtarbeit war flexibel genug, um sich auf sein eigenes geschäftliches Abenteuer einzulassen, und schon bald würde er in der Lage sein zu kündigen.

      Er war so weit. Er hatte seine Hausaufgaben erledigt, dank Google alles, was er wissen musste, herausgefunden und war bereit, sich mithilfe seines finanziellen Polsters ein regelmäßiges Einkommen zu erschaffen. Seine Eltern im Nachleben, das sie hoffentlich genossen, stolz zu machen.

      Nur ein Hindernis stand zwischen ihm und einem ganz neuen Leben und wie sich herausstellte, hatte es dunkelblaue Augen, eine Stimme, die bei den tieferen Tönen kratzte, und Lippen, die einen Engel in Versuchung geführt hätten.

      Rain. Sein Name war bisher alles, was Colt über ihn wusste – und dass er noch verrückter war als sein eigener.

      Und ungeachtet seines Spitznamens schien er seinem Namensvetter gerecht zu werden. Wie der Mount Rainier trug er eine Menge Feuer in sich, das in Colt den Wunsch weckte herauszufinden, was es brauchte, um ihn explodieren zu lassen.

      Sozusagen. Der Kerl war sowieso ganz klar jemand, der gern passiv war und jemanden brauchte, der ihn ein bisschen scheuchte. Es stand ihm in das freche, kleine Gesicht geschrieben.

      »Also, du kaufst Land auf?« Rains Tonfall war nicht ansatzweise so freundlich, wie Colt erwartet hatte. Immerhin war er ein Gast und Fremder in der Stadt.

      »Etwas in der Art.« Colt warf ihm immer wieder scharfe Seitenblicke zu, erfasste und katalogisierte alle Einzelheiten. Er war jahrelang auf seine Instinkte angewiesen gewesen. Inzwischen traute er ihnen mehr als jedem Vertrag.

      Rain hatte eindeutig seine eigenen Ziele und er scheute sich nicht, ihnen nachzujagen. Ob er ihm eine Brücke verkaufen und sich mit dem Geld aus dem Staub machen würde, konnte Colt nicht sagen. Wenigstens noch nicht.

      »Was für ein Interesse hast du an Hart's Bay?«

      Wenn Colt ihm die Wahrheit sagte – dass er an einem attraktiven Standort am Wasser neue Geschäftsräume erschließen und vermieten wollte –, würde das den Preis für die Grundstücke verdoppeln und Rain würde sich die Differenz in die Tasche stecken. Daher zuckte er die Schultern.

      »Das frage ich mich selbst auch beinahe. Die Stadt hat bessere Tage gesehen, das ist mal sicher.«

      Colt angelte und Rain schnappte nach dem Köder. »Das sehe ich anders. Sie ist im Aufwind.«

      »Wirklich?« Colt wusste verdammt gut, dass die Preise für die Häuser nicht länger absackten und es in letzter Zeit zu mehreren großen Immobilienverkäufen gekommen war.

      Aber die erste Regel beim Kauf von Immobilien lautete, nie zu viel Interesse zu zeigen. Sie glauben zu lassen, dass man ihnen einen Gefallen tat, oder man würde schlecht abschneiden.

      »Wie hast du von der Stadt erfahren?«, erkundigte sich Rain und ignorierte seine Frage.

      »Die Kunstgalerie«, sagte Colt und deutete im Vorbeigehen auf den Laden. Er war natürlich geschlossen, aber er erkannte das niedliche kleine Schaufenster neben dem Hafen. »Es gab eine große Eröffnung.«

      »Als wäre Hart's Bay im Aufwind und nicht im Begriff zu zerfallen?«, forderte Rain ihn heraus. Seine Augen blitzten, als er Colt ansah. Er genoss den Schlagabtausch ebenso wie Colt.

      Er grinste. »War damals eine nette Nacht mit einem Typen. Irgendwo, wo niemand unsere Namen kannte.« Auf Rains fragenden Blick hin feixte er. »Eine der Türen war nicht abgeschlossen. Ich bin mit einem Typ ins Lagerhaus geschlichen und wir haben es getrieben.«

      Der Mann oder der Sex waren kaum der Rede wert gewesen, das große, leere Gebäude an den Docks hingegen sehr wohl.

      Rains Augenbrauen hoben sich und endlich entlockte Colt ihm eine Reaktion. »Das ist unerlaubtes Betreten.«

      »Nur, wenn der Besitzer es herausfindet.« Colt musterte Rain prüfend. Wer war er, dass er die Schlüssel zu diesem Gebäude bei sich hatte? Sicher nicht…

      Rains Nasenflügel bewegten sich leicht und dann sah Colt es: den geraden Rücken und die Maske, die er trug. Also spielte er irgendein Spiel. Was für eines? Colt wollte es unbedingt wissen.

      »Ein bisschen Rumschleichen tut niemandem weh, oder?« Colt ließ ein Grinsen folgen. »Wir haben hinterher sauber gemacht, keine Sorge.«

      »Gut für euch.« Rains Desinteresse war gespielt, das war leicht zu erkennen. Während Colt ihm folgte, kam


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