Hart's Bay: Wo unsere Zukunft beginnt. E. P. Davies
vor ihm ausdehnte. Er war durch und durch ein Junge vom Land. Doch es ging auch etwas Faszinierendes vom Meer aus.
»Woah, Junge«, stieß er aus, als Rain einen dicken Schlüsselring hervorzog, der nicht aussah, als hätte er in den engen Taschen Platz finden können. »Bist du Makler?«
»Nope.« Rain ging jedoch nicht weiter darauf ein. »Warum fragst du?«
Rain spielte jede Frage, die Colt ihm stellte, zu ihm zurück. Also war er es gewohnt zu verhandeln. Er behauptete sich und ungeachtet seiner Ziele liebte Colt das.
»Weil du einen riesigen Schlüsselbund mit dir herumschleppst.« Colt grinste. »Oder kompensierst du damit irgendetwas?«
In Rains Augen flackerte etwas auf, das Colt nicht genau zuordnen konnte. Auf Erregung zu hoffen, wäre zu viel des Guten gewesen.
»Das würdest du wohl gern wissen«, sagte Rain ruhig und schob die Tür auf. »Nach dir.«
Colt drückte sich auf dem Weg nach drinnen an Rain vorbei. Sein Schritt stockte für einen Moment, als er Rains Geruch einatmete. Frisch, wie das Meer, und ein klein wenig zitronig. Aber nicht wie bei einem Allzweckreiniger.
»Hmm.« Colt seufzte, als er eintrat und sich umsah. »Schön, wieder hier zu sein. Hat sich kein bisschen verändert.« Im trüben Halbdunkel und mit vernagelten Fenstern konnte er kaum die Einzelheiten des Gebäudes ausmachen, aber sie waren irrelevant, solange der Boden unter ihnen günstig genug war.
Die Tür schloss sich hinter ihm und Colt blieb fast das Herz stehen. Verdammte Scheiße, er hasste die Dunkelheit. Wenn er eine Schwäche hatte, hatte Rain sie gerade gefunden.
Der Moment schien sich zu einer Ewigkeit auszudehnen, aber nach einer halben Sekunde erschreckender Dunkelheit und zwei schlurfenden Schritten leuchtete weit über ihnen eine einzelne Lampe auf.
Colt zwang sich zu einer neutralen Miene, aber bevor er eine weitere freche Bemerkung machen konnte, kam Rain ihm zuvor. »Vielleicht sollte ich nicht mit dir hier allein sein. Schon wegen deiner Hintergrundgeschichte. In der Bar gibt es immer viele neugierige Blicke.«
Seine Augen blitzten genug, um deutlich zu machen, dass er… flirtete? Oh Scheiße. Er liebte es, wenn man mit ihm spielte. Colts Herz machte einen Satz, das verräterische Ding.
»Natürlich, ich könnte dir etwas vormachen. Immerhin hat uns niemand erwischt.« Colt zwinkerte. Dann begann er, sich im Gebäude umzusehen und verbarg hoffentlich, dass er ins Schwitzen geriet.
Gott, er hatte sich wochenlang auf die Suche nach Immobilien zum Investieren vorbereitet: gute Struktur, ein solides Dach, verlässliche Elektrik. Er hatte die Liste auswendig gelernt. Aber plötzlich fühlte er sich von der Übelkeit erregenden Möglichkeit überwältigt, dass er genau das fand, von dem er dachte, dass er es wollte, und dann Fehler entdeckte, die ihn sein Geld kosten würden.
Er musste sich zurückhalten, selbst wenn er gerade am liebsten Reißaus genommen hätte.
»Wann wird es wohl zusammenbrechen?«
»Nie.« Rain klang verärgert, was Colts Verdacht bestärkte, dass es für ihn nicht lediglich um einen Auftrag ging. Dies war in irgendeiner Form eine persönliche Angelegenheit.
»Woher weißt du das?«
»Warum weißt du es nicht?«, gab Rain so schnell zurück, dass Colt fast nicht mitkam. Er verschränkte die Arme.
Colt neigte den Kopf und betrachtete Rain quer durch das Lagerhaus. Er stand außerhalb des einzelnen Lichtstrahls und in einem Streifen Mondlicht, der durch ein Fenster in weiter Höhe fiel. Genug Licht, dass seine Nerven nicht unter der Dunkelheit litten.
Gott, Rain war wunderschön. Eine viel zu große Ablenkung für einen Moment wie diesen. Auf seinen hohen Wangenknochen fing sich das Licht und seine dunklen Haare glänzten wie Rabenfedern.
»Was schert es dich?«, fragte Colt, als er Rain endlich – nur ein paar Augenblicke später – erreichte.
»Ich finde, du solltest zuerst meine Fragen beantworten.« Rain deutete auf ihre Umgebung. »Du bist in meinem Revier.«
»Wenn wir schon von Revieransprüchen reden wollen, bin ich vermutlich der Letzte, der diesen Ort markiert hat.« Colt konnte nicht anders, als weiterzugraben, Rain tiefer unter die Haut zu gehen. »Aber es könnte für einen Ausbau geeignet sein.«
Gott, sein Herz dröhnte und seine Handflächen waren feucht. Nur die fünf Jahre Übung, sich an neue Familien zu gewöhnen und seine Angst unter einer unerschütterlichen Maske zu verbergen, wenn er wieder mal mitten in der Nacht vor einer fremden Tür stand, halfen ihm, das Gesicht zu wahren.
Rain schüttelte den Kopf. »Ich bin der Eigentümer. Und ich werde nicht an irgendeinen verschlagenen Investor verkaufen, der sich einen Scheiß um die Stadt schert.«
Colt blinzelte ein paarmal. Oh, es steckte Feuer hinter seinen Worten. Seine Reaktion war alles andere als bedächtig. »Was hast du gegen Investitionen? Sie helfen den Einheimischen.«
»Nicht immer«, erwiderte Rain. Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Auch wenn es nicht so aussieht, bin ich nicht von gestern.«
Colt warf ihm ein Grinsen zu. »Entschuldigung, aber dir muss klar sein, dass ich mir einfach eine andere Stadt suchen kann.«
»Keine mit Möglichkeiten wie diese.« Rain klang sehr von sich überzeugt.
Zu überzeugt. In seinem Blick glänzte stählerner Stolz, der sowohl Colts Entschlossenheit als auch seinen Schwanz fester werden ließ.
Verdammt, er wollte ihn prüfen. Herausfinden, was nötig war, damit er offen sprach.
»Nun gut.« Colt sah sich erneut gelassen um und schob schließlich mit einem Schulterzucken die Daumen in die Hosentaschen. »Ich finde etwas anderes.« Er durchquerte den halbdunklen Raum, seine Schritte wirbelten den Staub auf und der Geruch nach altem Holz drang ihm in die Nase.
Genau wie er vermutet hatte, sprach Rain ihn auf halbem Weg an. Seine Stimme war tief und angespannt. »Warte.«
Triumph schoss durch Colt hindurch. Er drehte sich auf dem Absatz um und hob eine Braue, behielt seine Befriedigung jedoch für sich. »Ja?«
Rain kam ihm entgegen, die Haltung immer noch angespannt und wachsam. Seine Schultern wirkten so steif, dass Colt mit seinen Handkanten auf sie eintrommeln wollte, um die Muskeln zu lockern.
Aber er wagte nicht, sich zu bewegen oder zu atmen, während Rain schweigend näher kam, bis er den Rand jedes vernünftigen persönlichen Freiraums erreicht hatte.
Als Rain weiterhin nichts sagte, trat Colt einen Schritt näher – direkt in Rains Freiraum hinein. Da war es wieder: Chemie erwachte knisternd zwischen ihnen zum Leben, rau und unleugbar.
»Ja?«, wiederholte Colt, aber dieses Mal meinte er etwas anderes und sie wussten es beide.
Worüber dachte Rain nach? Zu was könnte er Ja sagen? Zu dem hier – oder zu ihnen?
Oh, sie könnten einen Abend lang Spaß haben. Wenn Rain in der Nähe wohnte, sogar die ganze Nacht lang. Selbst hier fielen Colt ein Dutzend unterschiedlicher Methoden ein, Rain um den Verstand zu bringen.
Sie standen beinahe dicht genug beieinander, um sich zu küssen. Aus der Nähe konnte Colt die grünen Punkte in Rains dunkelblauen Augen erkennen. Sie leuchteten sacht im Licht des späten Abends, das durch das einzige Fenster weit über ihnen hereinfiel.
Rain stand direkt im Licht und es fing sich in seinen dunklen Strähnen, sodass sie fast kirschrot wirkten.
Nach wie vor schwieg er. Diese sanften, verlockenden Augen gaben nichts preis.
»Möchtest du etwas?«, flüsterte Colt. Er ließ seine Stimme so weit abfallen, dass sie genau verriet, woran er dachte.
Rains Adamsapfel bewegte sich einmal. Das Geräusch war in der vollkommenen Stille, die sie umgab, laut zu hören. Als wären sie jenseits der Zeit gefangen. Niemand in der Nähe, der diesen